Leonard Bernstein. Michael Horowitz
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Название: Leonard Bernstein

Автор: Michael Horowitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783903083752

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СКАЧАТЬ mit Zwiebel und Gänseschmalz), Latkes (Erdäpfelpuffer) und vorbeugend fürs ganze Leben einen Riesentopf Hühnersuppe, jewish penicillin.

      Die Flitterwochen nach dem üppigen Gelage bestanden aus einer einzigen schlaflosen Nacht im Essex Hotel im Zentrum von Boston. Der Lärm der Züge des nahen Bahnhofs hielt die beiden wach. Jennie musste jedoch ihrer streng religiösen Mutter versprechen, die Ehe nicht zu vollziehen. In der Hektik der Hochzeitsvorbereitungen hatte die Mutter vergessen, mit ihrer Tochter in die Mikwe, zum rituellen Reinigungsbad, zu gehen. Bereits am nächsten Tag zogen die Brautleute in eine winzige Wohnung im Armenviertel Mattapan ein. Hier konnte man schließlich die Hochzeitsnacht nachholen. Zehn Monate später kam das erste Kind der Bernsteins zur Welt. Als der Erstgeborene erwartet wurde, wollte Jennie bei ihrer Familie sein. Daher kam Leonard Bernstein am Sonntag, dem 25. August 1918 in Lawrence zur Welt. Die 100 000-Einwohner-Stadt galt als Immigrant City, weil viele Menschen aus Kanada, Irland und Italien, Litauen und Polen hierherkamen, um Arbeit zu finden. Trotz seiner damaligen geringen Fläche von nur 15,5 km2 hatte Lawrence mehr Einwanderer pro Einwohner als jeder andere vergleichbar große Ort der Welt.

      Ursprünglich wurde das erste Kind der zwanzigjährigen Jennie Bernstein nach ihrem Zayde, dem Großvater, Louis genannt – das blieb sein Name, bis sich der sechzehnjährige Bernstein das Auto der Mutter ausborgte und mit seinem frisch erworbenen Führerschein von Boston nach Lawrence fuhr, um seinen Vornamen offiziell in Leonard ändern zu lassen. Zu Hause wurde er schon längst Len oder Leonard genannt, und vor allem Lenny. Fast wäre Leonard Bernstein auf dem Küchenboden zur Welt gekommen. Als um drei Uhr morgens die Wehen einsetzten, rief die Mutter den Hausarzt an. Doch noch bevor dieser eintraf, platzte die Fruchtblase. Um die Nässe aufzusaugen, schob die Mutter alte Zeitungen unter den angespannten Körper Jennies. Bald erschien der Arzt und brachte die Gebärende unter heftigen Wehen ins Allgemeine Krankenhaus von Lawrence. Gegen ein Uhr mittags – Jennie erinnerte sich an die Wanduhr in der Entbindungsstation – kam der Bub zur Welt, ein schwächliches, von Heuschnupfen und Asthmaanfällen geplagtes Kind, das sehr viel Zeit seiner Kindheit bei Ärzten und in Spitälern verbringen musste. Wenn Lenny nur nieste, wurden die Eltern schon blass vor Angst, wenn er wegen seines Asthmas plötzlich blau anlief, dachten sie jedes Mal, der Bub würde es nicht überleben. Nächtelang blieb die Mutter wach, hielt heiße Tücher und Töpfe mit dampfendem Wasser bereit, um ihm das Atmen zu erleichtern. Immer wieder litt Lenny auch an Koliken, vom Vater hatte er einen empfindlichen Magen geerbt. Die erste Frage Sams, sobald er spätabends aus dem Geschäft kam, war immer: »Wie geht’s Lenny?«

      KAPITEL 4

       Der Fensterbrettpianist

      Die Klänge sind in meinem Kopf – und sie müssen heraus.

      Viele Jahre später erinnerte sich Leonard in einem Gespräch mit Peter Gradenwitz, einem befreundeten Musikwissenschaftler: »Ich war ein kleiner, schwacher, kränklicher Junge, blass, unglücklich, hatte immer Bronchitis oder Ähnliches …« Erst im Alter von zehn Jahren »… passierte das mit dem Klavier. Plötzlich fand ich meine Welt. Ich wurde innerlich stark, ich wuchs, wurde sogar sehr groß. Ich trieb Sport, gewann Medaillen und Pokale, war der beste Taucher. Es geschah alles gleichzeitig. Es veränderte mein Leben. Das Geheimnis, die Erklärung ist, dass ich ein Universum fand, in dem ich sicher war: die Musik. Ich war in ihm beschützt, ich hatte in ihm ein Heim. Niemand konnte mir mehr etwas anhaben, mir wehtun. Auch nicht mein eigener Vater. Niemand konnte mich verletzen, wenn ich in meiner Welt der Musik war, wenn ich am Klavier saß. Das war meine Sicherheit.« Aus Platzmangel hatte eine Tante ihr altes, verstimmtes Klavier bei der Familie Bernstein deponiert. Samuel Bernsteins Schwester Clara, die in der Nähe gewohnt hatte, war nach New York gezogen. Ihr Piano blieb bei Bruder Sam zurück.

      Der zehnjährige Lenny stürzte sich mit einer für den Vater fast beängstigenden Leidenschaft auf das Instrument, um sich Melodien und Akkorde zusammenzusuchen. Das Klavier hatte ein Mandolinenpedal, wenn man es betätigte, ertönte ein verknautschter Mandolinenklang. In jeder freien Minute hämmerte der Bub, sehr zum Missvergnügen des Vaters, auf dem Klavier herum, um bekannte Schlager, die er im Radio gehört hatte, nach dem Gehör zu rekonstruieren. Die erste Nummer, die Leonard Bernstein auf Tante Claras Klavier spielte, war Goodnight Sweetheart. »Ich war im siebten Himmel«, erinnerte er sich später. Seit Tante Claras altes Klavier im Haus war, verbesserte sich Lennys labiler Gesundheitszustand, und er wurde selbstbewusster.

      Schon als kleiner Bub war Leonard Bernstein von Musik fasziniert gewesen: Die Orgelklänge und der fast opernhafte liturgische Gesang des Chors in der strengkonservativen Mischkan-Tefila-Synagoge rührten ihn immer wieder zu Tränen. Auch die chassidischen Melodien aus dem Victrola-Grammophon, einem Erbstück von Jennies Vater, die Papa Sam lautstark unter der Dusche mitsang, begeisterten Lenny. »Leonard war zu klein, um an die Aufziehkurbel zu reichen«, erinnerte sich Mama Jennie, »er weinte fürchterlich, die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Dann schrie er: ›Moinik, Moinik‹ – ›Musik, Musik‹ –, ich stellte das Grammophon an, spielte ihm eine Platte vor und augenblicklich hörte er auf zu weinen.« Jennie nannte ihren Sohn schon sehr früh den »Fensterbrettpianisten«, denn er saß oft im Zimmer zur Straße auf dem Fensterbrett und lauschte dem Victrola-Grammophon und populären Schlagern wie Oh by Jingo. Er klopfte rhythmisch zur Musik, während er durch das Fenster Passanten beobachtete.

      Später faszinierte den jungen Lenny der Radioapparat. Seine Kindheit fiel in jene Zeit, während der die große Ära des Rundfunks begann. Im Alter beschrieb er wehmütig, wie er lange Nachmittage an den drei Skalen eines Atwater-Kent-Überlagerungsempfängers gedreht und gelauscht hatte: »Mit einigem Glück hatte man den Sender schließlich drin. Man hörte jede Menge Knistern und Rauschen, doch irgendwie konnte man Rudy Vallee (Ende der Zwanzigerjahre) und Jack Benny (Anfang der Dreißigerjahre) heraushören.« Sein ganzes Leben lang konnte Bernstein die Namen und Erkennungsmelodien von mehr als zehn Musiksendungen herunterträllern, die er während seiner Kindheit im Rundfunk verfolgt hatte.

      Doch weder im Kindergarten noch in seiner ersten Schule, der William Lloyd Garrison Grammar School in Roxbury, die Lenny vom sechsten bis zum elften Lebensjahr besuchte, erkannte man seine musikalische Begabung. Er erinnerte sich später nur, dass ihm »von einer wunderbaren Lehrerin Namens Miss Donnelly, in die ich sehr verliebt war« eine simple Methode des Notenlesens beigebracht wurde, worin er »der Beste in der Klasse war«. Er hatte nur angenehme, wohltuende Erinnerungen an die ersten Schuljahre und an seine Lehrerinnen: »Alles, was sie mir beibrachten, lernte ich mit Freude, ob Geschichte oder Rechtschreibung, ob so Lustiges wie Zeichnen mit Kreide oder so Langweiliges wie Schönschreiben. Sie hatten einfach Spaß am Unterrichten und wir haben entsprechend mitgemacht. Für mich waren die schönsten Stunden natürlich die Singstunden; Mrs. Fitzgerald brachte uns einige Dutzend Lieder bei … nie vergesse ich diese reizenden Damen; sie hatten eine ganz besondere Art, vielleicht weil sie gute, altmodische Bostoner Katholikinnen waren.«

      Nach sechs glücklichen Schuljahren wurde der Elfjährige 1929 in die bereits 1635, ein Jahr vor der Harvard University, gegründete renommierte Boston Latin School aufgenommen. Eine liberale Bastion, die älteste noch existierende Schule der USA, stand Schülern jeglicher Herkunft offen. Nur die Leistung zählte. Gerne erinnerte sich Leonard Bernstein an seine Aufnahmeprüfung in der High School, die er gemeinsam mit seinem Freund Sammy Kostic absolvierte: »Wir standen mit klopfenden Herzen in einer langen, langen Reihe von Bewerbern und legten schließlich unsere Zeugnisse jemandem vor, der das Wort exempt darauf stempelte. Wir hatten keine Ahnung, was dieses Wort bedeutete; wir dachten, es hieß ausgeschieden, denn exempt klingt irgendwie nach aus, doch in Wirklichkeit bedeutete es von weiteren Prüfungen ausgenommen. Mit anderen Worten, wir waren zugelassen – wir sprangen vor Freude in die Luft.«

      Einer von Lennys High School-Professoren war der Englischlehrer Philip Marson, der sich zu einer der ersten Vaterfiguren Bernsteins entwickelte. Der erfahrene Pädagoge wurde sehr bald zu einer verständnisvollen, СКАЧАТЬ