Leonard Bernstein. Michael Horowitz
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Название: Leonard Bernstein

Автор: Michael Horowitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783903083752

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СКАЧАТЬ und Shirley einander. Die Bindung von Bruder und Schwester war enger als alle anderen Familienbande. Die Kinder beschützten einander vor dem Zorn der Eltern, und auch Jahre später, als Burtie, der jüngere Bruder Burton, noch klein war, behandelten sie ihn, als wäre er ihr Sohn.

      Zu dieser Zeit erfreute man sich auch in Boston bereits am Komfort elektrischer Errungenschaften: Kühlschrank, Staubsauger, Waschmaschinen und Toaster erleichterten den Alltag. Es waren die Jahre der großen Bostoner Eröffnungen: Der Sumner Tunnel, der die Verkehrssituation entscheidend verbesserte, das mondäne Ritz-Carlton-Hotel und der Art Déco-Büroturm, das United Shoe Machinery Building. Und es waren die Jahre der Polizeikorruption und der politischen Skandale: Vier Tageszeitungen mit eigenen Morgen- und Abendausgaben berichteten (manchmal) darüber. Leonard Bernstein nannte Boston später jedenfalls die »Heimat des Puritanismus«.

      1933 übersiedelten die Bernsteins in ein rotes Ziegelhaus im Stil eleganter öffentlicher Gebäude der 1920er-Jahre in der Park Avenue 86 von Newton. Das neue, geräumige Haus und der noble Bostoner Vorort mit Villen, üppigen Grünflächen und von Gaslaternen beleuchteten Straßen ließen den tüchtigen Geschäftsmann Sam Bernstein jetzt auch gesellschaftlich angesehener erscheinen. Zwei Jahrzehnte zuvor hatte Schmuel noch davon geträumt, zumindest aus der Tristesse des Stetls fliehen zu können. Jetzt war er ein erfolgreicher Bürger Amerikas und Mitglied in einem Golfclub. Doch im Pine Brook Sportclub sah man Sam selten. Während der Woche brachte er es nicht übers Herz, die Geschäfte ruhen zu lassen, und am Sabbath kam es für ihn als gläubigen Juden nicht in Frage, Golf zu spielen.

      Sam Bernstein hatte es geschafft. Seine Frau Jennie war vom neuen Haus weniger begeistert, schließlich hatte sie während der letzten fünf Jahre sechsmal Umzugskisten packen müssen. Sam wollte es immer noch luxuriöser haben. Jennie nannte das neue Bernstein-Domizil eine »Arche von einem Haus«, als sie sich daranmachte, zehn Zimmer zu möblieren. »Was dem riesigen Haus an Charme fehlte, machte es durch pompöse Weiträumigkeit wett – ehemalige Ghettobewohner wussten dies mehr als alles andere zu schätzen«, stellt Lennys Bruder Burton in seinem Buch Family Matters fest.

      In Sharon, an einem See rund dreißig Kilometer südlich von Boston, hatten die Bernsteins schon zuvor ein Landhaus bewohnt, an der Lake Avenue 17, direkt am Massapoag-See mit eigenem Tennis-Court. Hier verbrachte man von Juni bis September den Sommer. Papa Sam fuhr frühmorgens in die Stadt und kam erst spät am Abend zurück, die Familie konnte entspannte Zeiten verleben. Am Wochenende stand der autoritäre Vater im Mittelpunkt. Es wurde über Roosevelts Politik, die Schleuderpreise für Milch und die schulischen Leistungen Lennys diskutiert. Auch die alte Heimat, wehmütige Erinnerungen, ließen Papa Sam nie los: Statt im See zu schwimmen, mussten die Kinder nach dem Frühstück auf der Terrasse minutiöse Schilderungen über den Ursprung der Familie über sich ergehen lassen. Immer wieder erzählte Sam voller Stolz, während er beide Arme hochhob und mit den Handgelenken schlenkerte, als ob er die Manschetten zurechtrücken wollte: »Wir Bernsteins gehörten dem Stamme Benjamin an. Die Benjaminiten waren besonders tapfere Bogenschützen und aus ihren Reihen kam Israels erster König Saul.«

      Leonards Bruder Burton meint in seinem Erinnerungsbuch jedenfalls: »Der Ursprung des Namens Bernstein kommt wahrscheinlich von Diasporajuden, die mit Bernstein handelten, oder von fahrenden Leuten, die zufällig durch die nahe bei Wien gelegene Stadt Bernstein kamen. (Als Lenny dann Jahre später nach Österreich kam, wo er die Wiener Philharmoniker dirigierte, wurde er zum Ehrenbürger von Bernstein ernannt. Die gesamte Bevölkerung der Stadt feierte ihn und der Bürgermeister überreichte ihm einige am Ort handgefertigte Arbeiten aus Bernstein sowie eine amtliche Kopie des Stadtwappens).«

      KAPITEL 7

       Austern und 75 Cent Gage

      Das physische Leben ist zweitaktig. Wir leben in einer Welt von auf und nieder, rückwärts und vorwärts, Tag und Nacht. Um auszuatmen, müssen wir zuerst einatmen. Es gibt in diesem Prozess keinen dritten Schritt.

      Im Sommer 1934 kam Lenny auf die Idee, im einzigen Hotel Sharons, dem Singer’s Inn, eine Travestieparodie von Bizets Carmen zu organisieren. Riesige weiße Leintücher dienten als Vorhang, der Eintritt für das Spektakel im sommerlichen Refugium wohlhabender Bostoner Familien kostete 25 Cents. Man spielte fast fünfzig Dollar mit dieser neuartigen Carmen-Version für wohltätige Zwecke ein. Junge Männer der Nachbarschaft gaben die weiblichen Rollen, die Mädchen die männlichen Partien. Ein Klassenkamerad aus der Boston Latin School, der bereits bärtige, stämmige Dana Schnittken, spielte Micaela – mit einer blonden Perücke der väterlichen Hair Company. Den Don José gab Lennys Jugendliebe Beatrice Gordon. Der Stierkämpfer wurde von einer reiferen Dame aus einem der Nebenhäuser an der Lake Avenue verkörpert. Der Chor bestand aus Mädchen, die mit langen schwarzen Bärten als alte jüdische Männer verkleidet waren. Für die kleine Schwester Shirley verfasste der sechzehnjährige Regisseur Lenny einen Prolog in Versen, der die Handlung erklärte, die sonst niemand verstanden hätte. Shirley, der zwei Vorderzähne fehlten, lispelte brav ihren Text. Lenny selbst sang die Carmen mit roter Perücke, einer schwarzen Mantilla und verschiedensten Chiffonkleidern, durch die seine Unterwäsche durchschien. Wenn Lenny als Carmen auf der Bühne stand, spielte ein junges Mädchen Klavier, sonst begleitete er sein Spektakel selbst.

      Wegen des großen Erfolgs überredete man den jungen Regisseur im nächsten Sommer wieder dazu, am Massapoag-See zu inszenieren: »Ich beabsichtige, der Öffentlichkeit eine weitere Bernstein’sche Operninszenierung zu bieten. Wir denken an Rigoletto oder eventuell an Faust«, gab Lenny bekannt. Doch es wurde nur eine romantische Operette in zwei Akten, eine Satire auf die viktorianische Gesellschaft, Der Mikado von Gilbert & Sullivan. Diesmal wurden die Geschlechter nicht vertauscht, Lenny spielte wieder die Hauptrolle, den Kaiser von Japan, seine inzwischen zwölfjährige Schwester Shirley brillierte als Yum-Yum. Jeder Akteur erhielt vom Regisseur Bernstein eine Gage von 75 Cent. »Dafür bekam man einen Hot Dog, einen fürstlichen Bananensplit, einen extrasahnigen Eisshake oder eine große Tüte Popcorn«, erinnerte sich Shirley.

      Schon als Teenager bewies Leonard Bernstein künstlerisches Gespür und Organisationstalent. Seine Mutter erinnerte sich: »Sie hatten alle unglaublichen Spaß, Lenny musste nur da sein, dann folgten ihm alle.« Diese frühen Theatererfahrungen waren auch überaus wertvoll, als er später in Harvard zu komponieren begann und Regie führte. In seinem letzten Jahr an der High School beschrieb Leonard seine Zukunftspläne: »Auf der einen Seite steht – bereit zur Übernahme durch mich – ein ziemlich solides Geschäft, über ein Jahrzehnt alt und mit ausgezeichneten Entwicklungsmöglichkeiten. Andererseits habe ich nichts dafür übrig, sondern bin überaus an Musik interessiert. Es gibt keinen Augenblick, in dem ich nicht mein Klavierspiel jeder anderen Aufgabe vorziehe. Unerklärlicherweise bin ich nicht trotz, sondern wegen der Entmutigung zu Hause umso mehr von dem Wunsch erfüllt, Musiker zu werden.«

      Bis 1935 besuchte Lenny die Boston Latin School, nach dem Abschluss mit Auszeichnung begann er an der Harvard University sein Studium. Ausschlaggebend für die Uni in Harvard war die ausgezeichnete Musikfakultät. Lenny konnte seinen Vater nach heftigen Diskussionen dazu überreden, ihn an der musikorientierten und teuren Universität studieren zu lassen. Zumindest würde sein Sohn nach den »leichten, musikalischen Amüsements« ein ernsthaftes Studium beginnen. Er erhielt endlich Klavierunterricht bei dem großen Heinrich Gebhard, der auch musikalische Standardwerke wie The Art of Pedaling verfasst hatte Artur Rubinstein betonte immer wieder die Bedeutung des Pedaleinsatzes und nannte das Dämpferpedal einmal die »Seele des Klaviers«. Nebenbei studierte Bernstein in Harvard Philosophie, Ästhetik, Literatur- und Sprachwissenschaften.

      Lennys Kompositionslehrer war einer der renommiertesten Komponisten und Lehrer seiner Generation, Walter Piston. Auch er schlug sich als junger Musiker in Tanzkapellen als Pianist durch und erregte mit seinen Geschichten von damals bei seinem Schüler Lenny sofortiges Interesse. Bei Piston erhielt der Student Bernstein die СКАЧАТЬ