Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein Buch für Keinen - Stefan Gruber страница 13

Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783347043282

isbn:

СКАЧАТЬ Abstammungsgruppen. Die social anthropology nennt sie lineages. Auch innerhalb der Gens2 gibt es keine Hierarchie, wohl aber einen Sprecher, den Sachem, der bei den Irokesen von allen Mitgliedern, Männern wie Frauen, wie Morgan sagt, gemeinsam bestimmt wird und jederzeit wieder abberufen werden kann. Der Sachem hat innerhalb dieses Verwandtschaftskollektivs keine Befehlsgewalt, sondern nur Sprecher- und Vermittlerfunktion. Er vertritt die lineage auch nach außen, ist Mitglied des Stammesrates.«

      Nach Oppenheimer entsteht also ein Staat, wenn Nomaden, allen voran Hirtenstämme, einen Bauernstamm überfallen, ihn ausrauben und schließlich zur dauerhaften Abgabenleistung (= Steuer) zwingen. Oppenheimer schreibt dazu: »[D]er Bauer weicht nicht aus [im Gegensatz zum Jäger, Anm. d. Autors], denn er ist bodenständig; und der Bauer ist an regelmäßige Arbeit schon gewöhnt. Er bleibt, lässt sich unterwerfen und steuert seinem Besieger: das ist die Entstehung des Landstaates in der Alten Welt!«

      Um sein eigenes Überleben zu sichern, bietet der werdende Staat an, im Gegenzug alle anderen Räuber fernzuhalten (Militär). Man sieht also, dass der Staat (zuerst) im Grunde nichts anderes ist, als eine besonders perfide Form der Ausbeutung, die sich alsbald anstatt des ökonomischen Mittels des politischen Mittels bedient. Hier unterscheidet Oppenheimer grob sechs Stadien:

       »Das erste Stadium ist Raub und Mord im Grenzkriege: ohne Ende tobt der Kampf, der keinen Frieden noch Waffenstillstand kennt. […] Das ist das erste Stadium der Staatsbildung. Sie kann jahrhunderte-, vielleicht jahrtausendelang darauf stehen bleiben […] Allmählich entsteht aus diesem ersten Stadium das zweite, namentlich dann, wenn der Bauer, durch tausend Mißerfolge gekirrt, sich in sein Schicksal ergeben, auf jeden Widerstand verzichtet hat. Dann beginnt es selbst dem wilden Hirten aufzudämmern, daß ein totgeschlagener Bauer nicht mehr pflügen, ein abgehackter Fruchtbaum nicht mehr tragen kann. Er läßt im eigenen Interesse den Bauern leben und den Baum stehen, wenn es möglich ist. […] Das heißt, er läßt ihm Haus, Geräte und ausreichend Lebensmittel bis zur nächsten Ernte. Ein Vergleich: der Hirte im ersten Stadium ist der Bär, der den Bienenstock zerstört, indem er ihn ausraubt; im zweiten ist er der Imker, der ihm genug Honig läßt, um zu überwintern. […] Der Bauer erhält eine Art von Recht auf die Lebensnotdurft; es wird ein Unrecht, den nicht Widerstehenden zu töten oder ganz auszuplündern. Und besser als das! Feinere, zartere Fäden knüpfen sich zu einem noch sehr schwachen Netze, menschlichere Beziehungen, als sie der brutale Gewohnheitspakt der Teilung nach dem Muster der partitio leonina enthält. Da die Hirten nicht mehr im Kampfzorn rasend mit den Bauern zusammentreffen, so findet auch wohl einmal eine demütige Bitte Erfüllung, oder eine begründete Beschwerde Gehör.«

      Oppenheimer schreibt zu diesen zwei Stadien zusammenfassend:

      eine Urmutter zurückführen. Dieses Kollektiv bezeichnet Morgan als Gens und einen Stamm, der aus dem Nebeneinander mehrerer Gentes bestand, als Gentilgesellschaft. Die Irokesenvölker sind darüber hinaus ein noch heute existierendes Beispiel für einen matrilinearen (Mutterfolge) und matrilokalen (das Paar lebt am Wohnsitz der Familie der Frau) Stamm. Zwei Ausdrücke, auf die wir im Subkapitel »Der Phoenix« noch im Detail zu sprechen kommen, wenn wir die Menschheitsgeschichte neu aufrollen.

       »Volkstum und Staat, Recht und höhere Wirtschaft, mit allen Entwicklungen und Verzweigungen, die sie schon getrieben haben und noch treiben werden, entstanden gemeinsam in jenem Moment unvergleichlicher weltgeschichtlicher Bedeutung, in dem zuerst der Sieger den Besiegten schonte, um ihn dauernd zu bewirtschaften.«

      Die Wichtigkeit dieser Tatsache wird später immer wieder hervorblitzen, wenn es darum geht die Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung zu verstehen: Der Staat arbeitet ökonomisch! Er versucht, die maximale Abgabe aus seinen Untertanen herauszuholen, gleichzeitig aber nur so viel, um sie ruhig zu halten und Aufstände zu vermeiden. In modernen Staatssystemen stößt diese Ausbeutung (die notwendigerweise wachsen muss, wie später zu beweisen ist) irgendwann an ihre Grenzen, welche die sogenannte »Laffer-Kurve« vorgibt:

       »Wird der Steuersatz, ausgehend von einem Satz von null, sukzessive erhöht, so steigen auch die Steuereinnahmen, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt, an dem die Besteuerten ausweichen. Wird der Steuersatz über diesen Punkt hinaus weiter erhöht, dann nehmen die Steuereinnahmen wieder ab; dieses Phänomen entsteht, weil höhere Steuersätze auch den Steuerwiderstand erhöhen.«1

      Dieses Gesetz der Laffer-Kurve ist besonders im Endstadium einer Hochzivilisation, die geprägt ist durch exorbitante Steuern, einer der Katalysatoren für deren Rückabwicklung. Doch vom zweiten Stadium in Oppenheimers Staatstheorie bis zur Ausbildung einer fertigen Kultur ist es noch ein weiter Weg. Oppenheimer fährt fort:

       »[…] Bald kommt ein anderes hinzu, um jene seelischen Beziehungen noch enger zu knüpfen. Es gibt in der Wüste außer dem jetzt in den Bienenvater umgewandelten Bären noch andere Petze, die auch nach Honig lüstern sind. Unser Hirtenstamm sperrt ihnen die Wildbahn, er schützt »seinen« Stock mit der Waffe. Die Bauern gewöhnen sich, die Hirten herbeizurufen, wenn ihnen eine Gefahr droht; schon erscheinen sie nicht mehr als die Räuber und Mörder, sondern als die Schützer und Retter.

       […] Das dritte Stadium besteht darin, daß der »Überschuß« der Bauernschaften von ihnen selbst regelmäßig als »Tribut« in das Zeltlager der Hirten abgeliefert wird, eine Regelung, die augenscheinlich für beide Teile bedeutende Vorteile hat. Für die Bauern, weil die kleinen Unregelmäßigkeiten, die mit der bisherigen Form der Besteuerung verbunden waren: ein paar erschlagene Männer, vergewaltigte Frauen und niedergebrannte Gehöfte, nun ganz fortfallen; für die Hirten, weil sie, um sich ganz kaufmännisch auszudrücken, für dieses »Geschäft« keine »Spesen« und Arbeit mehr aufzuwenden haben und die freigewordene Zeit und Kraft auf »Erweiterung des Betriebes« verwenden, d.h. mit anderen Worten, neue Bauernschaften unterwerfen können.

      […] Das vierte Stadium bedeutet wieder einen sehr wichtigen Schritt vorwärts, weil es die entscheidende Bedingung für das Zustandekommen des »Staates« in seiner uns geläufigen äußeren Form hinzubringt: die räumliche Vereinigung der beiden ethnischen Gruppen auf einem Gebiete […] Im allgemeinen reichen aber schon innere Gründe hin, um die Hirten zu veranlassen, die Nachbarschaft der Bauern zu suchen. Die Schutzpflicht gegen die »Bären« zwingt sie, mindestens ein Aufgebot junger Krieger in der Nähe des Stockes zu halten, und das ist gleichzeitig eine gute Vorsichtsmaßregel, um die Bienen von Aufruhrgelüsten oder einer etwaigen Neigung zurückzuhalten, einen anderen Bären als Bienenvater über sich zu setzen. Denn auch das ist nicht selten. […] Aber von diesem vierten führt die Logik der Dinge schnell zum fünften Stadium, das nun schon fast der volle Staat ist. Streitigkeiten entstehen zwischen benachbarten Dörfern oder Gauen, deren gewaltsamen Austrag die Herrengruppe nicht dulden kann, da dadurch die »Prästationsfähigkeit« der Bauern leiden müßte; sie wirft sich zum Schiedsrichter auf und erzwingt im Notfall ihren Spruch.«

      Hier entstehen also allmählich das Rechtswesen und die herrschende Macht als Instanz der Vertragsverbindlichkeit. Auch das ist später für das Verständnis des Debitismus unerlässlich.

      Wie sieht also das sechste und letzte Stadium aus? Oppenheimer dazu:

       »Die Notwendigkeit, die Unterworfenen in Raison und bei voller Leistungsfähigkeit zu erhalten, führt Schritt für Schritt vom fünften zum sechsten Stadium, nämlich zur Ausbildung des Staates in jedem Sinne, zur vollen Intranationalität und zur Entwicklung der »Nationalität«. Immer häufiger wird der Zwang, einzugreifen, zu schlichten, zu strafen, zu erzwingen; die Gewohnheit des Herrschens und die Gebräuche der Herrschaft bilden sich aus. Die beiden Gruppen, erst räumlich getrennt, dann auf einem Gebiete vereint, aber noch immer nur erst nebeneinandergelegt, dann durcheinandergeschüttelt, eine mechanische »Mischung« im Sinne der Chemie, werden mehr und mehr zu einer »chemischen Verbindung«. Sie durchdringen sich, mischen sich, verschmelzen in Brauch und Sitte, Sprache und Gottesdienst zu einer Einheit, und schon СКАЧАТЬ