Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ die Eingriffe in immer kürzeren Intervallen. Es ist das Streben nach Stabilität bzw. beim menschlichen Individuum nach Zufriedenheit, das natürlich auch dem Staat inhärent ist und das für ständige Eingriffe ins »Milieu« verantwortlich ist. Dadurch wird das Milieu so verändert, dass es auf das System rekursiv zurückwirkt und es so zu weiteren Handlungen zwingt – so lange, bis der kritische Wert erreicht ist und das System an seiner eigenen Komplexität erstickt. Alles was in einem Spannungsfeld der Unterschiede möglich ist, wird verwirklicht bis zur Auflösung der Unterschiede.1 Daher muss der Kapitalismus schließlich sein sozialistisches Pendant assimilieren und endet in quasi-sozialistischen und quasi-feudalistischen Strukturen einer Bananenrepublik, ebenso wie der Sozialismus stets in quasikapitalistischen Strukturen endet, wenn er sein Leben verlängern will. Doch die Synthese aus Kapitalismus und Sozialismus baut ihrerseits auf einer Hauptprämisse auf: dem Staat. Auch Staatssysteme müssen scheitern, wie wir noch sehen werden, denn sie beruhen auf der Unterscheidung zwischen Kultur und Natur. Und auch diese Unterscheidung wird letztendlich eine Synthese finden, die aber ihrerseits wieder unvollständig sein muss. Alles verläuft in Zyklen. Die Historie des menschlichen Individuums ebenso wie die einer Kultur oder die der Menschheit. Sie werden als Kinder geboren, erleben als Erwachsene ihre Blüte und gehen im Alter unter, wenn alles erfahren ist, was es im Rahmen eines Zyklus zu erfahren gibt.

      Eine Ideologie sorgt damit immer durch ihre alleinige Existenz für das Aufkommen von oppositionellen Kräften und das Gute, was auch immer das im kulturellen Kontext ist, ist ohne das Böse nicht erfahrbar. Das straft auch alle Zeitgeist-Esoteriker Lügen, die von perfekten Systemen oder perfekten Menschen träumen und sich vom Fehlerhaften und Schlechten abzugrenzen versuchen. Jedes theoretische Konstrukt grenzt sich immer von dem ab, das nicht dazugehören darf, beginnt aber über die Zeit hinweg zu wuchern, zu verwässern und das »nicht-Zugehörige« nach und nach zu assimilieren, was einerseits die Selbstdefinition des Systems zerstört, aber andererseits eine Synthese emergieren kann, die als Basis für Neues fungiert. Ein Teil des Ganzen verlangt über die Zeit hinweg nach dem Rest. Entweder der ideologische Rebell versteht im Alter die Intention der Feindesideologie, integriert sie in seine Psyche und wird weise oder aber er wehrt ihre Argumente zeitlebens fanatisch ab, verkrustet in selbstherrlichem Narzissmus und mutiert zur Karikatur seiner selbst. Die Ideologie selbst jedenfalls hat ein Ablaufdatum - gleichgültig, ob der Rebell ihr Scheitern erlebt oder seine körperliche Systemgrenze schon zuvor dem Tod opfert. Die Ursache ist überall, dass ein System aus einer axiomatischen Basis besteht und diese Axiome oder Prämissen scheiden das System von der Ganzheit ab, d.h. lassen notwendigerweise den anderen Teil unberücksichtigt und diese Unterschiede werden über die Zeit hinweg abgebaut, so wie Energiegefälle sich abbauen, kommunizierende Gefäße ihren Flüssigkeitspegel angleichen, ein System dem thermodynamischen Gleichgewicht entgegenstrebt bzw. die Entropie ihrem Maximum.

      Axiome, Prämissen bzw. die Fundamente, auf denen Systeme aufbauen, nähren und erschaffen diese erst und sind gleichzeitig die Ursache ihrer Zerstörung. Dieses »Problem« ist allerdings keines, das man in neu-esoterischer Manier lösen könnte, wie uns das die Verfechter verschiedenster Pseudoganzheitslehren und Paradiesverheißungen weismachen wollen. Dieses »Problem« ist vielmehr überhaupt die Ursache für unsere Existenz, die Existenz des Universums und die Existenz alles Existierenden im Allgemeinen. Nur dieses Ungleichgewicht erzeugt die Dynamik des Seins und damit Schöpfung und Zersetzung der Dinge – den ewigen Wandel. Die Unvollständigkeit treibt alles an, weil alles nach Vollständigkeit sucht und diese doch nie erreicht. Der Drang nach Vollständigkeit und dauerhafter Stabilität sorgt erst für die ständige Reaktion eines Systems und damit für neue Unterscheidungsoperationen und neue Kreationen. Der Drang des Menschen die Welt vollständig zu entschlüsseln, gebiert erst die Ausdifferenzierung der Welt im menschlichen Bewusstsein und die Analyse der Einzelteile wirft ihrerseits neue Fragen bzgl. des Zusammenspiels auf und muss diese auch bis in alle Ewigkeit aufwerfen, wie an späterer Stelle noch zu erläutern sein wird. Ein System, wie der Mensch, kann als Teil des Ganzen eben immer nur Teile des Ganzen begreifen und wie wir noch sehen werden, ist diese selektive Blindheit überhaupt erst die »Ur-Sache« für den Akt des Beobachtens und die Erzeugung von Wissen, denn wer alle Farben des Regenbogens sieht, der sieht nur weiß und wer allwissend ist, der weiß gar nichts. Wissen definiert sich überhaupt erst durch die Unvollständigkeit – die Ausdifferenzierung des Ganzen durch Beobachtung bei gleichzeitiger Abtrennung des Unbeobachteten, ja bereits die Wissenschaft, die »Wissen schafft«, beruht auf den Prämissen der Beobachtbarkeit und Reproduzierbarkeit und muss sich deshalb zwangsläufig von all dem abgrenzen, das nicht beobachtbar und nicht reproduzierbar ist. Die Wissenschaft beschreibt also die »Wirk-lichkeit«, d.h. alles, das auf das System Mensch (über seine Sinnesorgane) und seine Messgeräte »wirkt« und konstruiert auf Basis dieser Daten ein Modell der »Wirk-lichkeit«, das mit der Vorstellungskraft, den kognitiven Fähigkeiten und den kulturspezifischen Glaubenssätzen eines knapp 1400 Gramm schweren Gehirns eines Homo sapiens sapiens kompatibel ist. Die Beschreibung der »Wirk-lichkeit« hat also nichts mit der Realität zu tun – was auch immer man unter Letzterer verstehen mag. Ebenso werden wir im Laufe des Buches begreifen lernen, warum eine Weltformel ein Widerspruch in sich ist bzw. warum sie, die ihrerseits auf Axiomen beruhen muss, auch deshalb immer unvollständig bleibt, ja beim Einsetzen bestimmter Werte auch Ergebnisse hervorbringen muss, die durch die Formel nicht mehr erklärbar sind bzw. den Rahmen dessen sprengen, was die Formel zu erklären im Stande ist – auch wenn das in der Anfangseuphorie vermeintlich »Alles« ist.

      Diese Ausnahme ist jedem System immanent, und diese Ausnahme, die dem nicht berücksichtigten bzw. nicht beobachteten Teil entspricht, bestätigt nicht nur die Regel, d.h. erhält im dynamischen Wechselspiel mit dem Rest das System, sondern zerstört sie auch am Ende. Ein physikalisches oder biologisches System erhält damit, ebenso wie ein ideologisches, seine Existenz durch den nicht vollständig »beobachteten« Rest, auf den es ständig reagiert – ein physikalisches System durch Wechselwirkung, ein biologisches durch Anpassung, eine ideologische oder physikalische Theorie durch Erweiterung der Axiome. Es saugt dabei ständig Informationen auf (es differenziert aus) und geht letztendlich an seiner eigenen Komplexität zugrunde, v.a. weil es immer auf einer Basis aufbauen muss, die über die Zeit hinweg ständig starrer und unflexibler wird. Das ist ein irreversibler Prozess, der das System ständig dazu zwingt, neue innere Hierarchien zu errichten, welche die Komplexität verwalten, was die Instabilität weiter beschleunigt.

      Die »Höherentwicklung« eines Systems innerhalb eines dabei immer notwendigen Energiegefälles bedeutet nichts anderes als den Export von Komplexität durch Subsysteme auf Kosten der Komplexitätserhöhung des Gesamtsystems. So lagern Unternehmen im Kapitalismus immer mehr Aufgaben aus, um den Preis eines hochkomplexen, hochnvernetzten und deshalb hochgradig störanfälligen Wirtschaftssystems, von dem sie immer abhängiger werden. Einzeller differenzieren zu hochkomplexen Vielzellern mit spezialisierten Zellen aus und sind hernach alleine - unabhängig vom Zellverband, von dem sie ein Teil sind - nicht mehr lebensfähig. Diese Ausdifferenzierung eines Systems geht stets mit einer Einschränkung der Freiheitsgrade der Subsysteme, mit Fragilität, geringerer Resilienz und damit einer Zunahme des Zerstörungspotentials einher. Der menschliche Körper als komplexes Produkt der Evolution ist folglich nicht einmal ansatzweise so resistent und stark gegenüber Umwelteinflüssen wie der einer Kakerlake. Genau deshalb (!) musste er ein Selbstbewusstsein entwickeln, um überhaupt überleben zu können. Auch reduziert sich das Leben einer Kakerlake auf fressen, atmen und fortpflanzen, während die vom Menschen erschaffenen gesellschaftlichen und ökonomischen Systeme, die er sich zur Organisation seiner Art schuf, ihn mit einem immensen Spektrum an Problemen konfrontieren. Permanent muss er ins Gesamtgefüge eingreifen und dieses verändern, um sich der Zufriedenheit anzunähern – kann diese aber nie erreichen. Stattdessen wachsen mit seiner Reaktion auf seine Umwelt die Komplexität der von ihm erschaffenen Systeme und damit das Potential an Destruktivität. Es gibt keinen Fortschritt ohne ein Rückschlagspotential in gleicher Höhe, so wie es kein Guthaben ohne Kredit gibt und keine Schöpfung ohne Zerstörung. Das ist die Bilanz des Seins (dessen Passiva das Nichts ist).

      Heute ist der Mensch durch Hygienemaßnahmen, medizinischen Fortschritt und allerlei Impfungen/Medikamente so weit, sein Leben signifikant zu verlängern. Die dualistische und zerstörerische Kehrseite der Medaille ist СКАЧАТЬ