Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ geradezu. Deshalb hat auch die soziale Ader des Menschen im Massenkollektiv ihre dualen Schattenseiten, denn sie hebelt den evolutionären Selektionsdruck aus, durch Gewährleistung der Weitergabe schlechten genetischen Materials (Erbkrankheiten), das im gnadenlosen Wettkampf der Natur untergehen würde, in der Zivilgesellschaft dagegen zu einer negativen Auslese führt: Krankheiten werden durch Pillen unterdrückt, sozial Schwache und Behinderte werden von der Allgemeinheit unterstützt und tragen ihr genetisches Material weiter. Der evolutionäre Selektionsdruck wirkt aufgrund des wachen Bewusstseins des Homo sapiens sapiens nicht mehr und der Mensch befindet sich stets in einer defensiven Verteidigungshaltung gegenüber neuen Krankheitserregern, sodass er gute Chancen hat, durch die kleinsten und resistentesten Wesen dieses Planeten – pathogene Mikroorganismen – eines Tages ausgelöscht zu werden. Der Sozialdarwinismus, auf der anderen Seite der Bilanz, konterkariert alle Charaktereigenschaften durch die wir uns als Mensch definieren und führt in letzter Konsequenz stets zu Euthanasie, Zwangssterilisation, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und am Ende zur Errichtung von Konzentrationslagern. Es gibt schlichtweg keinen Vorteil ohne Nachteil und damit auch niemals ein funktionierendes System. Es ist auch kein Zufall, dass unsere Naturgesetze nicht nur etwas so stabiles wie Materie hervorbringen, sondern im Zeitablauf auch ein zerstörerisches duales Pendant, wie etwa schwarze Löcher. Diese schwarzen Löcher gab es zuvor noch nicht1 und es ist wahrscheinlich, dass sie in ihrem Inneren sogar unsere bekannten Naturgesetze zerstören. Kann eine Weltformel auf Basis von Naturgesetzen etwas voraussagen, das sich mit diesen Naturgesetzen nicht mehr erklären lässt, weil diese im Inneren eines schwarzen Lochs versagen? Lässt sich die gesamte Realität grundsätzlich auf eine Formel reduzieren oder führt sich auch jede Formel (wenn ihre Grenzen ausgereizt werden), wie auch jedes andere System, aufgrund ihrer axiomatischen Basis irgendwann ad absurdum bzw. erscheint in endlosen Ebenen nur als Spezialfall eines übergeordneten Modells? Können Naturkonstanten überhaupt konstant sein? Und wie soll unser Universum entstehen, wenn nicht ständig neue Dinge emergieren, indem sie – esoterisch gesprochen – aus der Leere als Möglichkeitsraum und Summe allen Seins gezogen werden? All diesen Fragen werden wir uns zu gegebener Zeit widmen. Vorerst ist es wichtig zu wissen, dass jeder Zerstörung ein schöpferisches Element und jeder Schöpfung ein zerstörerisches Element innewohnt. So wie Gott (die Leere als Summe allen Seins) sich selbst zerstören muss, um die Welt zu erschaffen, entstehen Materie und Antimaterie aus einem »zerstörten« Photon oder annihilieren wieder zu Photonen (bzw. je nach Bewegungsenergie zu Myonen oder Mesonen) und ebenso entsteht auch ein Staat aus der Zerstörung einer solidarischen Stammesgemeinschaft, die sich aufspaltet in Macht und Ohnmacht. Gleichermaßen wichtig ist das fortwährende Ungleichgewicht, dem jedes System ausgesetzt ist und das sich im Zeitablauf vergrößert (die Komplexität bietet immer mehr Angriffspunkte für Störungen).1 Zusammenfassend lässt sich wiederholen: Dem »Fortschritt« steht immer ein gleich großes »Rückschritts«-Potential2 gegenüber. Wo der Grad an Komplexität steigt, steigt auch der Grad an Fragilität und Inflexibilität.

      Beispiele dafür sind der Zusammenbruch von Kapitalismus, Sozialismus, einer ganzen Kultur oder das plötzlich auftretende Massensterben in der Evolution. Da der Zerstörung die Schöpfung als dualer Gegenspieler beisteht, ist jede Katastrophe auch gleichzeitig schöpferische Zerstörung. Der Zusammenbruch eines Wirtschaftssystems bringt ein neues in irrsinniger Geschwindigkeit hervor (oder am Ende eines Kulturzyklus die Zersetzung einer alten Kultur bei baldigem Aufstreben einer neuen). Dem Massensterben in der Evolution folgt eine regelrechte Explosion der Artenvielfalt. Der wichtigste technologische Fortschritt wäre ohne Krieg undenkbar3, und dem totalen Krieg folgen Phasen irrsinniger wirtschaftlicher Prosperität. Auch die Entstehung des Staates (Machtzyklus) brachte eine regelrechte Explosion des menschlichen »Fortschritts«1, sowohl in materieller Hinsicht wie in der Entwicklung des Bewusstseins. Gewalt ist also, um es in den Worten von Goethes Mephistopheles zu sagen, ein Teil jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, oder um aus Wolfgang Sofskys Traktat über die Gewalt zu zitieren: »Gewalt erschafft Kultur und Kultur erschafft Gewalt« - bzw. Kultur organisiert, institutionalisiert und potenziert die naturhaft-impulsive Gewalt und damit den »Fortschritt«. Kultur wird erst mit dem Staat, bzw. dem Patriarchat als Vorläufer, erschaffen und der Staat entsteht aus einem Gewaltakt und nicht, wie man gemeinhin annimmt, durch Konsens, d.h. aus einem freiwilligen Zusammenschluss von Menschen für Menschen. Tatsächlich entstanden Staaten an keinem Ort der Welt durch eine freiwillige Vereinbarung, sondern stets durch Unterwerfung eines Stammes oder Volkes durch einen anderen Stamm bzw. ein anderes Volk. Ich erlaube mir, hier aus Franz Oppenheimers Der Staat zu zitieren:

       »Er ist seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach auf seinen ersten Daseinsstufen fast ganz eine gesellschaftliche Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft hatte keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der Besiegten durch die Sieger. Kein primitiver ›Staat‹ der Weltgeschichte ist anders entstanden; wo eine vertrauenswerte Überlieferung anders berichtet, handelt es sich lediglich um Verschmelzung zweier bereits vollentwickelter primitiver Staaten zu einem Wesen verwickelterer Organisation; oder es handelt sich allenfalls um eine menschliche Variante der Fabel von den Schafen, die sich den Bären zum Könige setzten, damit er sie vor dem Wolfe schütze; aber auch in diesem Falle wurden Form und Inhalt des Staates völlig dieselben wie in den ›Wolfsstaaten‹ reiner, unmittelbarer Bildung. Schon das bißchen Geschichtsunterricht, das unserer Jugend zuteil wurde, reicht hin, um diese generelle Behauptung zu erweisen. Überall bricht ein kriegerischer Wildstamm über die Grenzen eines weniger kriegerischen Volkes, setzt sich als Adel fest und gründet seinen Staat. Im Zweistromlande Welle auf Welle und Staat auf Staat: Babylonier, Amoriter, Assyrer, Araber, Meder, Perser, Makedonier, Parther, Mongolen, Seldschucken, Tataren, Türken; am Nil Hyksos, Nubier, Perser, Griechen, Römer, Araber, Türken; in Hellas die Dorierstaaten, typischen Gepräges; in Italien Römer, Ostgoten, Langobarden, Franken, Normannen, Deutsche; in Spanien Karthager, Römer, Westgoten, Araber; in Gallien Römer, Franken, Burgunder; in Britannien Sachsen, Normannen. Welle auf Welle kriegerischer Wildstämme auch über Indien bis hinab nach Insulindien, auch über China ergossen; und in den europäischen Kolonien überall der gleiche Typus, wo nur ein seßhaftes Bevölkerungselement

      Natur war. Auch die Ursache des rasanten Fortschritts bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz lässt sich ohne die Laboratorien des Pentagons nicht begreifen.

      vorgefunden wurde: in Südamerika, in Mexiko. Wo es aber fehlt, wo nur schweifende Jäger angetroffen werden, die man wohl vernichten, aber nicht unterwerfen kann, da hilft man sich, indem man die auszubeutende, fronpflichtige Menschenmasse von fern her importiert: Sklavenhandel!« Ein Staat entstand also immer durch kriegerische Handlungen, im Zuge derer eine Menschengruppe durch eine andere Menschengruppe zum Zwecke der ökonomischen Ausbeutung unterworfen wurde.

      Zuerst unterscheidet Oppenheimer zwischen Bauernstämmen, Jägerstämmen und Hirtenstämmen. Er bezeichnet die Jägerstämme als »praktische Anarchisten«, die sich nicht unterwerfen lassen (weil nicht sesshaft), während sich bei Hirtenstämmen der Hang zum Raubzug aus soziologischer Sicht am stärksten entwickelt (Vernichtung der Viehbestände durch Seuchen und Raubtiere). Daneben gibt es noch Bauernstämme, denen jegliche Kriegs- und Eroberungslust fehlt, v.a. weil sie sesshaft und an ihre Felder gebunden sind und nicht mehr brauchen, als sie ohnehin anbauen (Subsistenzproduktion). Den Jägern und Bauern ist gemeinsam, dass sie in familiären Solidargesellschaften produzieren1 und es keine Obrigkeit gibt, die durch ein Macht-, Zwang- oder Abgabensystem ihre Untertanen knechtet. Wohl gibt es manchmal einen Häuptling, doch dessen Autorität ist eine konsensuale; niemand ist ihm zu Gehorsam verpflichtet. Der Häuptling hat »kein Mittel, um seine Wünsche gegen den Willen der übrigen durchzusetzen« (Ernst Grosse, Die Formen der Familie und die Formen der Wirtschaft). Uwe Wesel beschreibt diese »geordnete Anarchie« von Jägerstämmen in seinem Buch Der Mythos vom Matriarchat exemplarisch anhand des noch heute in Nordamerika existierenden Irokesen-Stammes:

      »Es gab keine Zentralinstanz, СКАЧАТЬ