Schweizer Tobak. Albert T. Fischer
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Название: Schweizer Tobak

Автор: Albert T. Fischer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783907301005

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СКАЧАТЬ hin. Er wäre gerne eine Weile geblieben, um das Land ein wenig kennen zu lernen, doch dies konnte er sich aus mehreren Gründen nicht leisten, auch, weil er Miriam nicht zu lange allein lassen wollte.

      Die sprachbegabte Elisabeth hatte im Hinblick auf die Hochzeit in München während Wochen in Privatstunden so viel brasilianisches Portugiesisch wie möglich gelernt und blieb daher durch alle Jahre die Kontaktperson für die Belange der «Brasilianer», doch ein gegenseitiger Besuch kam nie mehr zustande. Einer der Gründe war das unstete Leben, das Elisabeth mit ihrem Mann führte. Immerhin versuchte sie durch Lesen brasilianischer Bücher die Sprache nicht zu verlieren. Schon früh, als ihn in Europa noch kaum jemand kannte, las sie die brasilianischen Ausgaben der Werke von Paulo Coelho.

      Das damalige Hochzeitspaar sah gut aus und die grosse Verwandtschaft der Braut freute sich offensichtlich über das Glück ihrer Silvia. Das Leben nahm seinen Gang. Silvia und Konrad bekamen drei Kinder, Eduardo, Ines und Jahre später Sonja. Konrad schickte immer wieder Bilder von ihnen, er kam jedoch nie mehr nach Europa oder gar in die Schweiz. Irma war darüber untröstlich, ihre Enkel nie zu sehen und lehnte trotzdem eine Reise in das ferne Südamerika ab, sie fürchtete sich davor. Sie schickte zu Weihnachten und den Geburtstagen Geschenkpakete, erhielt dafür kurze Dankesbriefe von Konrad, Grüsse von Silvia und immer Bilder der Kinder. Irma machte sich dauernd Sorgen, weil Brasilien immer wieder als Land der Korruption, des Verbrechens und der Armut in den Zeitungen geschildert wurde. Doch beklagte sich Konrad nie, er schrieb auch nicht wirklich Briefe über sein dortiges Leben, aber die Familienbilder liessen selbst für schweizerische Verhältnisse auf einen guten Lebensstandard schliessen.

      1989 wurde Konrad angeblich von einem Kriminellen aus der Zigarettenschmugglerszene erschossen. Die Mitteilung – sie erreichte Konrads Mutter erst nach seinem Begräbnis – kam vom Schweizer Konsulat in Brasília und von der brasilianischen Gesandtschaft in Bern. Nähere Informationen waren der knappen Mitteilung nicht zu entnehmen. Erst danach kam auch ein Brief von Silvia in Portugiesisch. Konrad war offenbar im Auto aus nächster Nähe getroffen worden, der Chauffeur war Zigaretten holen gegangen und genau in diesen fünf Minuten kam der Killer, schoss und verschwand. Niemand hatte ihn gesehen, niemand hatte den Schuss gehört und der Chauffeur erlitt einen Schock, als er den Toten hinter der zertrümmerten Scheibe sah. Als Täter konnte er mit Sicherheit ausgeschlossen werden, vielleicht war er Mitgänger, spekulierte Silvia.

      Elisabeth wollte mehr erfahren und flog nach São Paulo, um ihre Schwägerin und deren Kinder zu besuchen und den Einzelheiten von Konrads Sterben nachzugehen.

      Sie wurde von der Schwägerin und ihrer grossen, beinahe ausnahmslos im gleichen Haus oder in unmittelbarer Nähe wohnenden Sippe freundlich aufgenommen, alle lebten in einer geschlossenen und streng überwachten Siedlung. Sie lernte die inzwischen halbwüchsigen, fröhlichen und gesund wirkenden Kinder Eduardo und Ines sowie die erst dreijährige Sonja kennen. Der Tod Konrads schien keine allzu grossen Spuren hinterlassen zu haben, von Trauer war nicht viel zu spüren. Elisabeth glaubte, bei den Kindern eher so etwas wie Wut über das Verbrechen und über die Unmöglichkeit, darüber etwas in Erfahrung zu bringen, auszumachen. Jeden Tag gäbe es Tote, auch unter den Kindern, manche würden gar von Polizisten erschossen, behauptete der zwölfjährige Eduardo.

      Der Lebensunterhalt der Familie war durch eine Rente der Firma fürs Erste einigermassen gesichert, allerdings nicht gegen den beinahe unaufhaltsamen Zerfall der Währung. Silvia und ihre Kinder waren durch die Heirat Schweizer geworden, doch dachte sie keinen Augenblick daran, mit ihren Kindern Brasilien zu verlassen und in die Schweiz zu kommen. Sie sprach ihr Portugiesisch sehr schnell und durchsetzt von vielen lokalen Ausdrücken und so waren die Möglichkeiten der Verständigung mit ihr trotz Elisabeths Kenntnissen der Sprache begrenzt. Eduardo und seine Schwester Ines besuchten eine katholische Schule, sie sprachen bereits ein wenig Englisch, jedoch kaum Deutsch ausser ein paar Scherzwörtern, die ihnen Konrad beigebracht hatte.

      Um eine einigermassen ergiebige Unterhaltung über die Situation und Zukunft der Familie zu erreichen, besuchten Elisabeth und Silvia mit den Kindern gemeinsam die Direktrice der Schule, eine Ordensschwester. Dabei sah Elisabeth ein, dass sie sich hier in schwierigem Gelände bewegte. Es machte keinen Sinn, Konrads Verwicklungen nachzugehen, die zu seinem Tode geführt hatten. Im Gegenteil, die fromme Frau riet ihr, sich nur innerhalb von Silvias einigermassen gesichertem Umfeld und nie ohne Schutz durch eine vertrauenswürdige, wenn möglich männliche Begleitung, in der Stadt zu bewegen. Auf die Polizei sei kein Verlass, allfällige Nachforschungen ausserhalb des offiziellen Pfades aussichtslos bis gefährlich. Am meisten würde der Einsatz der schweizerischen Botschaft bringen, doch seien gewisse Stellen überzeugt, dass es enge Verbindungen zwischen der Schweiz, dem weltweiten und speziell dem brasilianischen Zigaretten- und Tabakschmuggel gäbe. Natürlich könnten einflussreiche Leute im Land mehr in Erfahrung bringen, doch gehöre Silvias Familie nicht dazu und jemanden dafür zu gewinnen koste unter Umständen sehr viel Geld.

      Von Silvia vernahm Elisabeth schliesslich, wie sehr sie seit wenigen Jahren vermutete, Konrad führe ein durchaus gefährliches Leben. Ganz gefahrlos sei das Leben besonders hier in São Paulo für Leute, die ein wenig über dem Durchschnitt verdienten und lebten, ohnehin nicht. Eine direkte Bedrohung hätte sie jedoch nie ausmachen können. Vielleicht habe er darüber einfach geschwiegen, um sie nicht allzu sehr zu ängstigen. Vielleicht habe er selbst gar nichts befürchtet und sei lediglich Opfer einer Verwechslung geworden. Er wäre niemals unbewaffnet in die Stadt gegangen und hätte sich immer von einem Chauffeur der Firma fahren lassen. Ausserdem sei er ohnehin oft über Wochen im Land herumgereist, um Tabakfarmen und Agenturen zu besuchen und Ernten einzukaufen. Auch dieses Geschäft sei gefährlich, weil sich die Farmer durch die Händler und Konzerne ausgebeutet fühlten. In diesem Kreis habe Konrad Freunde gefunden, so es wirklich Freunde waren, bemerkte sie dazu.

      Die Polizei vertrete jedoch hartnäckig die These vom Anschlag durch Schmuggler, weil dabei meistens inzwischen verschwundene Ausländer, Mitglieder einer mafiaähnlichen Organisation, beschuldigt werden konnten und niemand weiter nach einem Täter suchen musste.

      Als klar wurde, dass für Silvia und ihre Kinder eine Auswanderung in die Schweiz nicht in Frage käme, fragte Elisabeth sie nach ihren Plänen. Zum ersten Mal lachte Silvia ausgiebig und meinte, sie habe keine Pläne, sie werde einfach in etwa so weiterleben wie bisher und sehen, was die Zukunft bringe. Zum Glück hätten sie und ihre Familie viele Freunde und bräuchten sich daher nicht allzu viele Sorgen zu machen. Und wirklich fühlte sich auch Elisabeth in Silvias Umfeld gut aufgenommen, umarmt, geküsst und eingeladen. Bei allem fühlte sie einen grossen gefühlsbetonten Überschwang an freundschaftlicher Zuneigung. Schliesslich war Silvia bereit, mit ihr die schweizerische Botschaft zu besuchen, um Hilfe bei der Aufklärung der Hintergründe über Konrads gewaltsamen Tod zu erreichen. Sie wurden freundlich empfangen, mussten sich aber mit der leeren Versicherung trösten, man werde alles Menschenmögliche tun, doch seien solche Delikte so alltäglich, dass eine Aufklärung nur in wenigen Einzelfällen gelänge.

      Elisabeth flog zurück – ernüchtert.

      Irma liess sich alles erzählen und freute sich über die Bilder ihrer Enkel, die Elisabeth ihr brachte. Für Geburtstage und zu Weihnachten schickte sie weiterhin etwas Geld für Silvia und Geschenke für die Kinder und stets bedankte sich Silvia mit einem Brief in Portugiesisch, den sich Irma übersetzen liess.

      1996 heiratete Silvia einen Tabakfarmer und zog in die Nähe von Belize. Ihre Kinder, den nun erwachsenen Eduardo und Ines wie auch die zehnjährige Sonja liess sie zurück bei ihrer Familie in São Paulo.

      Irma traf diese Änderung hart. Sie befürchtete Schaden vor allem für die Entwicklung Sonjas und auch für die Beziehung der älteren Kinder zu ihrer Mutter, sie sorgte sich um die weitere Ausbildung ihrer Enkel und vermutete schlechte Chancen für deren Zukunft. Irma quälten immer wieder die durch die Medien kolportierten Geschichten über die Strassenkinder Brasiliens und sie bangte nach solchen Informationen oft tagelang um das Leben der zehnjährigen Enkelin. Danach wollte sie jeweils um jeden Preis etwas unternehmen, СКАЧАТЬ