Schweizer Tobak. Albert T. Fischer
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Название: Schweizer Tobak

Автор: Albert T. Fischer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783907301005

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СКАЧАТЬ Alleinerbe seiner Mutter verkaufte er hinter Melchs Rücken Mama Brand zu Handen ihres Sohnes Marcel auf dem Dürrbühl ein Stück Land. Das war keine Kleinigkeit, um die vier Hektar, ein Drittel der gesamten Fläche, die zum Hof gehörte, in unmittelbarer Nachbarschaft, deutlich über dem Hof, durch Buschwerk getrennt, an schönster Lage mit Sicht auf See und Alpen vom Säntis bis zur Jungfrau, zum Bau einer Villa.

      Von Melch zur Rede gestellt, behauptete er, Stine hätte das Ganze noch zu Lebzeiten eingefädelt. Die Villa werde dem neu verheirateten Sohn, der gegenwärtig mit seiner jungen Frau noch in München lebe und dem sie, da sie selbst schon beinahe siebzig sei, die Leitung der Fabrik übertragen wolle, als Wohnhaus dienen.

      In der Folge geschah Unglaubliches: Melch warf seinen Schwiegervater aus dem Haus und befahl ihm, in der Scheune über dem Stall in dem Zimmer, in dem er einst als junges Knechtlein sein Bett hatte, zu hausen und zu schlafen. Er solle nur noch zum Essen ins Haus kommen dürfen.

      Alle Proteste, auch Emmas Bitte, ihn nicht dermassen zu demütigen, halfen nichts. Er meinte, die Buben bräuchten ohnehin mehr Platz und Lukas sein eigenes Zimmer. Melch blieb bei seiner Entscheidung. Er räumte Göpfs Bett und Kasten eigenhändig um und brachte den ganzen Krempel in die Scheune.

      Die Geschichte wurde bald auch im Dorf bekannt und jedermann wunderte sich, warum sich der Göpf diese Demütigung gefallen liess. Grundsätzlich hätte er doch seinerseits seinen Schwiegersohn mit der ganzen Familie vom Hof verjagen können, doch nichts Derartiges geschah.

      Kurz nachdem Lukas 20 geworden war und sich über seinen neuen Anzug freute, lag seine Mutter im Sterben. Auch an ihrem Begräbnis trug er seine neue Kleidung, mit einem schwarzen Band um den linken Arm. Am Grab zog er seinen Hut, nahm von Melchior den Weihwasserwedel, um den Sarg zu besprengen, gab ihn weiter an seinen Bruder, übernahm die kleine Schaufel mit etwas Erde, schüttete diese ins Grab, gab die Schaufel weiter, bekreuzigte sich auf Stirn, Mund und Brust und folgte Melchior. Erst zu Hause begann er hemmungslos zu weinen.

      Drei Tage nach Emmas Begräbnis erhängte sich ihr Vater in der Tenne neben dem Stall. Im Dorf waren die Menschen entsetzt.

      Melch arbeitete zusammen mit einem Knecht und einer Magd auf dem Hof von früh bis spät und versuchte, nicht auf das Gerede zu achten. Nur wenige Monate nach Göpfs Tod verliessen ihn auch sein Knecht und seine Magd, Grund für neues Gerede.

      Als Knecht zog der 20-jährige Lorenz Gramper aus dem Entlebuch, der Melchior in vielem an seine eigene Herkunft erinnerte, in den Verschlag über dem Stall, als Magd fand er eine ledige Frau aus der Ostschweiz. Er bezahlte einen guten Lohn und zu essen gab es genug. Das war den beiden das Wichtigste. Melch wurde sehr, sehr einsam.

      Das alles geschah noch vor dem Zweiten Weltkrieg. Brand-Cigars war im kleinen Kreuzach zu einem der grossen Betriebe der Region angewachsen. Was weder im Dorf noch im Schmauchtal kaum jemand ausser der Konkurrenz wusste, war, welche Bedeutung Brand-Cigars in Deutschland noch vor dem Zweiten Weltkrieg erreichte. Zweitausend Arbeiterinnen und Arbeiter produzierten dort für die deutsche Marktführerin Brand-Cigars.

       Maria und Lorenz

      Der Entlebucher Lorenz kam 1933 nach seiner Rekrutenschule auf den Stadelhof. Nur Melchior, der Gemeindeschreiber, der Ammann und der Armen- und Waisenvogt kannten seine Herkunft. Als Sohn einer Serviererin und eines durchziehenden Wandergesellen, der, als die Schwangerschaft der bedauernswerten Magd klar wurde, nicht mehr zu finden war, verbrachte seine ersten Jahre mit seiner Mutter im Wirtshaus und kam danach als Verdingbub zu einem Bauern, einem entfernten Verwandten seiner Mutter und wurde so in einer sehr harten Jugend mit Prügeln, Hunger, Lieblosigkeit und Einsamkeit ein Melker und Knecht. Melchior übernahm ihn als Knecht, weil er sich an seine eigene ärmliche Geschichte erinnerte und dem jungen Mann eine Chance geben wollte.

      Seinen Werdegang sah man Lorenz nicht an. Er besass einen einwandfreien Sonntagsanzug, zwei schöne Hemden, einen Hut und gutes Schuhwerk. So ging er jeden Sonntag zur Messe, trank danach im Kreuz ein Bier, gönnte sich eine einfache Zigarre, setzte sich dabei allerdings nicht zu den besitzenden Bauern und führte auch keine grossen Reden. Er benahm sich so, wie die wichtigen Leute im Dorf dies von ihm erwarteten – anständig und bescheiden.

      So wirkte er auch auf Mädchen, genauer auf die nicht gerade wohlhabenden, aber durchaus anständigen ledigen jungen Frauen im Dorf, als ansehnliche Erscheinung, mit der man sich zeigen durfte. Nach und nach lernte er sie auch kennen. Die meisten von ihnen arbeiteten bei Brand-Cigars und viele sah er auch am Sonntag in der Kirche.

      Als Lorenz sich beim Kirchenchor meldete, um der einen oder anderen der jungen Frauen etwas näher zu kommen, mischte sich Melchior nicht ein, obwohl ihm die Sache nicht wirklich passte. Aber er erinnerte sich an seine eigene Zeit als Jungmann. Der Lorenz hatte eine recht gute Stimme und der Dorflehrer, gleichzeitig Chorleiter und Organist, sah in ihm einen zwar völlig ungebildeten, aber brauchbaren Bariton. Einmal die Woche musste er am Abend zur Probe gehen und jeden Sonntag sang er um neun Uhr zum Hochamt. Gegen Jahresende gab der Chor ein kleines Konzert im Kreuzsaal mit einem anschliessenden Theaterstück und danach war die Bühne frei zum Tanzen. Der Chor wurde für Lorenz zu einer Gelegenheit, mit Maria Körber bekannt und im Lauf der Wochen und Monate ein wenig vertraut zu werden. Als Kind lebte sie zusammen mit ihrer Mutter, einer Wasch- und Putzfrau, und einer jüngeren Schwester in Wirrwil.

      Als Kindermädchen bei den jungen Brands, zurück aus der Grossstadt München, die sie nie mochte, verfügte sie zwar über sehr wenig Freizeit, aber die reformierten Brands liessen die katholische Maria selbstverständlich in den Kirchenchor gehen, schärften ihr jedoch ein, sich von Männern fernzuhalten. Bis zu dem Tanzabend im November hatten sie denn auch keine Ahnung, was da lief, denn die Geschichte der beiden war bisher mehr als harmlos gewesen.

      Das änderte sich an jenem Abend. Bis in den frühen Morgen, bis Lorenz zurück zu seiner Arbeit gehen musste, blieben sie zusammen, erzählten sich ihr bisheriges Leben und fanden heraus, dass sie beide einsam waren und sich gegenseitig hilfreich sein könnten. Maria hatte sich verliebt und war nicht mehr zu bremsen.

      Nur wenige Wochen später war Maria schwanger und damit gab es kein Zurück. In der Fastenzeit konnten die beiden nicht getraut werden, da war der Dorfpfarrer strikt dagegen und als Ostern vorbei war, konnte, wer wollte, schon sehen, wie dringlich die Hochzeit für die beiden geworden war und es gab, auch für jedermann sichtbar, kein weisses Kleid, keinen Kranz und keinen Schleier. Dummes Geschwätz und Gespött gingen durchs Dorf und meistens auf Kosten der werdenden Mutter. Beides erreichte auch den Kirchenchor. Maria wurde von den übrigen Frauen systematisch geschnitten und die Männer verzogen ihre Gesichter in verächtliches Lächeln oder machten gar doppelbödige Bemerkungen. Bei einer Probe verliess Maria weinend das Lokal im Schulhaus und trat aus dem Chor aus. Lorenz zog mit. Dafür war sie ihm dankbar.

      Sie fanden im Haus beim Stocker, einem alten Kleinbauern mit zwei Kühen, dem seine Schwester den Haushalt führte, weil seine Frau ein paar Jahre zuvor gestorben war, zwei kleine Zimmer unter dem Dach. So konnte Lorenz seine Arbeit bei Melchior behalten. Maria, die ihre Stelle als Kindermädchen hatte aufgeben müssen, arbeitete jetzt bei den Brand-Cigars in Packerei und Spedition.

      Ende September kam Erwin zur Welt und ein Jahr danach Theo, der eigentlich Theodor hiess.

      Es wurde eng beim Stocker, aber auch schwierig, ein anderes Dach über dem Kopf zu finden, das die beiden bezahlen und bei dem sie gleichzeitig ihre Stellen behalten konnten. Das Zuwarten lohnte sich. Der Stocker starb und seine Schwester, einzige Erbin, verkaufte Haus und Land an Mama Brand. So konnten die Grampers in die weit grössere Wohnung im gleichen Haus ziehen.

      Maria hatte inzwischen auch ihre Fabrikarbeit aufgeben müssen. Sie machte jetzt Heimarbeit. Woche für Woche holte der СКАЧАТЬ