Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte
Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027204908
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Und sonderbar genug! Wie ich da im Gasthof zur »Sonne« mich mit einigen Herzklopfen allerdings, denn es war zum Erstenmale allein in meinem Leben! in den Speisesaal zur táble d'hôte begebe, höre ich hinter mir bekannte Stimmen – sie kamen von zwei jungen Professoren mit ihren Frauen aus Meißen, die mir nah befreundet. Sie machten eine Thüringer Waldreise zu vier zusammen, wie damals immer das Räthlichste war, weil es bei vielen Punkten nur möglich war, sie in einem Miethwagen zu erreichen und da zahlten ja 4 Personen nicht mehr als drei u.s.w. Wir freuten uns des Zusammentreffens und brachten den Tag in Jena gemeinsam zu – u. A. gesellte sich der Wiener Publioift und spätere Reichtagsabgeordnete des Frankfurter Parlamentes Franz Schnselka zu uns, der damals hier als Verbannter aus Östreich lebte; wir waren als Gesinnungsgenossen schnell bekannt und blieben von da an als solche verbunden. – Am andern Morgen fuhren die beiden Paare weiter in den Wald, indeß ich, da ich noch eine Freundin besuchte bis zum Nachmittag blieb und dann nach Weimar fuhr. Dort kehrte ich im »Erbprinzen« ein – wie aus alter Erinnerung seitdem immer wieder bis zum heutigen Tag; nie aber bin ich dort, ohne daran zu denken, in welcher Verzweiflung ich an jenem Abend war, als ich im Mondschein von einem Spaziergang im Park zurückkehrte und mich nicht besinnen konnte, ob ich im »Erbprinzen« oder »Mohren« eingekehrt, da beide am Markt gelegen. Eine Empfehlung Klemm's an den Bibliothekar, verschaffte mir nicht allein Gelegenheit dort auf manchen Schatz in der Bibliothek aufmerksam gemacht zu werden, sondern man war sogar so freundlich, mich dort ein Stündchen, wo sie nicht geöffnet war, einzuschließen! Ich empfand dies damals als eine Gunst, die mich ganz stolz machte! Nachher sah ich auch Schiller's Todtenmaske beim Bürgermeister Schwab – war im Schloß in den Dichterzimmern, an denen man gerade damals erst zu malen und einzurichten begann – und pilgerte nachher wie zum heiligen Grabe zum Friedhof – »An Schiller's Grabe holt ich mir die Weihe!« sang ich nachher. Damals schloß sich noch keine griechische Kapelle daran, wölbte sich keine goldene Kuppel darüber, wie jetzt – es war eine schlichte Gruft, aber da die Schlüssel in der Hand des Todtengräbers klirrten und ich allein hineinstieg und zitternd den Sarg erblickte auf den der Name: »Schiller!« stand, da kamen nicht nur Schauer der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und Zukunft über mich und ich betete voll seliger Inbrust! Den Rosenkranz, den ich mitgebracht auf den Sarg zulegen, erklärte da der Todtengräber für »nicht erlaubt.« Da durchrießelte mich's heiß und kalt zugleich und ein bittres Lächeln drängte sich auf die Lippen die eben gebetet hatten – ich legte den Kranz außen vor die Eingangsthür in den frischen Morgenthan – was ich damals fühlte, betonte ich später in folgenden Versen, die zuerst in Leipzig zu einer vom ersten Schillerverein veranstalteten sommerlichen Schillerfeier 1847 gedruckt wurden, und deren letzten Vers Robert Blum von der Rednertribüne herab, wo ich unfern bei ihm stand, den versammelten Tausenden am Schluß seiner Rede entgegendonnerte. Und dazu hatte ich mir damals dort die Weihe geholt. Das Gedicht steht in meiner Sammlung »Lieder eines deutschen Mädchens« (Leipzig 1847, A. Wienbrack), doch setze ich es hierher, da es Zeit und Situation kennzeichnet.
Weimar und Gohlis.
Es war ein Grab, dahin die Sehnsucht winkte.
Gleichwie in frommer Zeit dem Pilgerstabe
Ein Ziel nur der Begeisterung werth bedünkte, So zog auch ich zu einem heilgen Grabe. Ihr seht mich an, als fragtet Ihr erschrocken: Wo willst Du hin, Du Kind der neuen Zeit, Das nur zu ihrem Dienste sich geweiht, Will es auch Dich vom Vorwärts – rückwärt's locken? O fürchtet Nichts! im Grab, zu dem ich gehe, Kann nur ein Bürge unsrer Hoffnung liegen, Er starb der Zeit, für die ich kämpfend stehe; Sein Name ist ein Zeichen, drin wir siegen. An Schiller's Grabe hol' ich mir die Weihe Um noch zu schlagen manche Liederschlacht, Den Lerchengruß zu bringen nach der Nacht Dem Tag entgegen, der die Welt befreie. In Weimar, wo ein Sarkophag erhöht, Dort, wo zwei Dichter schlafen, kniet ich nieder, Dort lag ich lang im brünstigen Gebet, Dort näßten Thränen meine Augenlider. Ob Schillers Grabe keine Blumen blühen, Nicht schmücken darf man es mit grünem Kranz, Ihn deckt der Fürstenehren kalter Glanz, Die Stein und Mauern um das Heilge ziehen. Doch, wo ein Herz in Menschenliebe glüht Und hoffend aufwärts zu dem Höchsten strebt: Das ist die Blume seinem Grab erblüht Die ihren Kelch dem Licht entgegenhebt. Im Herzen seines Volkes wird er leben, Ob auch sein Sarg bei Fürstengräbern steht; Ihm ward ein sichrer, fester Thron erhöht, Statt Kron und Purpur Lorber ihm gegeben. Er lebt im deutschen Volke – das ist sein! – Drauf kam ich in ein stilles Dörfchen wieder, Es sang die Nachtigall im nahen Hain Wehmüthig froh das schönste ihrer Lieder. Da fand ich ihm ein Zeichen aufgerichtet, An dessen Grabe ich noch jüngst gekniet, Ich fand das Haus, drin er sein schönstes Lied, Das Lied der Freude für sein Volk gedichtet. Es klang sein Name aus der Kinder Mund, Der Landmann wußte fröhlich ihn zu nennen, Das Volk steht mit dem Dichter hier im Bund Und lehrt ihn neu den zarten Enkeln kennen. Da rief ich jubelnd in Begeistrung trunken: An seinem Grab zu trauern ehrt ihn nicht! Hier tönt ihm Ruhm sein ewiges Gedicht Ihn feiernd: »Freude, schöner Götterfunken.« So tönt es heut, so tön es fort und fort! Fremd mög es nie dem deutschen Volke klingen, Doch Schiller sprach auch ein gefeites Wort, Das mag vom Volk bis zu den Fürsten dringen; Drin ruht des Vaterlandes tiefstes Leben! Drum ruft es laut in alle Welt hinaus, Bringt's an den Thron, bringt's in das Ständehaus: »Gedankenfreiheit müssen sie uns geben!«
Die erwähnte Sammlung von mir enthält noch viele Gedichte, die zu jener Zeit in jener Gegend entstanden; Der Dom zu Naumburg – Nudelsburg und Saaleck – Auf der Saale – Wartburg – Weserlied – Weserfahrt – und noch eines an Schiller, das an jene damals zuerst auftauchenden »historischen Berichtigungen« anknüpfte nach welchen Tell und die Jungfrau von Orleans in's Reich der Mythe verwiesen werden sollten und das unter andern die folgenden Verse enthält.
So müßt Ihr leugnen auch die Schäferdirne
Die Euch auch fragt, wie sie voll heilgem Muth,
Bekämpfte ihres Landes Feindesbrut
Mit von Begeisterung umstrahlter Stirne:
»Was ist unschuldig, heilig, menschlich, gut,
Wenn es der Kampf nicht ist um's Vaterland?«
Denn Euch ward kaum so hohes Wort bekannt.
Johannas Name wird zum Märchenklange –
Denn eine Jungfrau braucht kein Vaterland,
Sie liebe nur ihr Haus und Spiel und Tand,
So meint Ihr ja, so handelt Ihr schon lange.
Johanna aber stand in Gottes Hand.
Die niedre Magd ward von dem Herrn erkoren,
Weil Liebe sie dem Vaterland geschworen! –
Traun, Wahrheit könnt es wieder einmal werden
Daß, wie es Schiller uns im Bild gezeigt,
Ein zweiter Tell die Freiheitsalp ersteigt,
Den sichren Pfeil schickt auf Tyrannenfährten –
Daß eine Jungfrau nicht im Kampf erbleicht,
Dieweil es gilt aus schweren Druckes СКАЧАТЬ