Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ zu bestehen, wie viel mehr nicht da, wo es eben gar keine Posten gab? Nach vielen kleineren Orten gab es nur etwa 1, 2, 3mal Postverbindung wöchentlich, nach noch andern auch gar keine. Wie kostspielig war es da, wenn eine Person ein Miethgeschirr für sich allein nehmen mußte, wie umständlich meist Alles was damit zusammenhing! – Nach vielen der berühmtesten Badeorte fuhren keine Posten, weil hier ja nur Sommerdienst gewesen wäre, sondern meist nur »Stellwagen« und weil eben das Publikum derselben ein sehr gemischtes und der Aufenthalt in diesen Wagen ein solcher, der am Wenigsten für Leidende paßte, so wurden die Badereisen meist mit einer extra dazu gemietheten Lohnkutsche gemacht – wer es aber haben konnte, reiste mit eigner Equipage. Ganze Karawanen solcher Wagen sah man damals den böhmischen, schlesischen und andern Bädern zurollen. Wie sind sie jetzt zur Sage geworden diese hochgepackten Reisewagen vornehmer Herrschaften! Innen im Wagen das Ehepaar – der Gemahl, der die Seinen in's Bad geleitete, die hüstelnde Gattin neben sich, gegenüber die bleichsüchtigen Töchter oder die Kinder mit der Gouvernante, 5, auch 6 Personen schachtelte man da zusammen, auf dem Bock aber thronte die Kammerjungfer neben dem Kutscher in Livree, die viel vom Wetter zu leiden hatte! Im Wagen selbst waren alle Kutschkasten und Seitentaschen mit Gepäck gefüllt und dahinter erhob sich noch ein ganzer Thurm von Kasten, Kisten, Schachteln und Bettsäcken – denn auch die Betten führte man mit sich. Und wie schwerfällig waren die damaligen Koffer! Sie erschienen meist wie hochgewölbte Truhen mit haarigen Fellen – Seehund – überzogen und wenn sie nicht eiserne Ecken und Reifen hatten mit eisernen Nägeln beschlagen, so hielt man sie nicht für fest und tüchtig genug, die Strapatzen auszustehen, die ihrer warteten. Man kann denken wie langsam eine solche Reise ging und welche Ausgaben sie verursachte, ehe man nur an Ort und Stelle kam. Da waren noch überall Chausseegelder, war Zoll und Mauth zu entrichten, an allen Landesgrenzen wurden die Sachen visitirt, von eiligen oder gewissenhaften Zollbeamten durcheinander geworfen, mußten die Reisepässe in Ordnung sein, vorgezeigt und visirt werden und eher war an kein Weiterkommen zu denken. Dazu das mit jeder Landesfarbe wechselnde Geld, das überm nächsten Grenzvfahl nicht mehr genommen ward und verächtlich als »falsch« zurückgewiesen, indeß man es vielleicht nur ein paar Stunden vorher als einzig geltende Landesmünze eingenommen, wohl gar eingewechselt. Besonders bei einer Reise in Mitteldeutschland, Thüringen u.s.w. gehörte viel dazu sich damit zurecht zu finden.

      Gewiß war es für die vom Geschick Begünstigten eine große Annehmlichkeit, Vergnügungsreisen mit eigner Equipage machen zu können, auf einer Tour durch die sächsische Schweiz, Thüringen, Riesengebirge, Fichtelgebirge u.s.w. an allen schönen Punkten beliebig rasten zu dürfen, nirgend abhängig zu sein von Post- und Bahnstationen, von Poststunden und Eisenbahnsignalen – man genoß da wirklich ganz und voll, man war unabhängig und unbelästigt. Aber das war ja eben nur den Reichsten möglich, die große Mehrzahl mußte Post- und Stellwagen – und die eignen Füße benutzen.

      Wer aber so gereist ist, weiß auch, daß es wohl strapaziöser und gelegentlich zum Verzweifeln, im Allgemeinen aber doch viel unterhaltender, interessanter und belohnender war.

      Stieg man in einen Postwagen, so hatte man gleich alle Ursache auf seine Reisegesellschaft gespannt zu sein, man war eben eng zusammengepfercht und konnte darauf rechnen, es so stunden- und wohl auch tagelang bleiben zu müssen. Da Niemand eine Postkarte erhielt, ohne am Schalter seinen Namen zu sagen, der dann in diese und den Passagierzettel eingetragen ward, da ferner jedes Postgepäckstück mit den Namen seines Bestimmungsortes und des Besitzers versehen sein mußte, so war es gerade nicht schwer, sofern man es wollte, zu erfahren, mit wen man reiste und auf wie lange. Da richtete man sich denn oft förmlich mit einander ein und that gut daran, man saß ja oft so dicht nebeneinander und gegenüber auf den nummerirten Plätzen, die kein Ausweichen zuließen, daß es jedenfalls rathsam war, zusammen im guten Einvernehmen zu sein. Es gab ja der Gelegenheiten so mancherlei die Fahrt einander zu erschweren oder zu erleichtern. Wie viel Unfrieden entstand nicht allein über das Öffnen und Schließen der Fenster, über das Handgepäck, das mit im Wagen untergebracht werden sollte und wenn man es nicht eigenhändig festhielt bei dem Berg auf und Bergabfahren und sonstigen Stößen auf frisch mit Steinen »gebesserten« oder auch ganz vernachlässigten Straßen aller Augenblicke in eine andere Lage gerieth, welche die Mitreisenden incommodirte. Wie dehnten sich die Wege auf den öden Landstraßen, wie wirbelte der Staub um und in den Wagen, wie drang der Regen gern von allen Seiten ein, wie schlich die Zeit dahin im Rütteln und Schütteln, wo immer ein Berg nach dem andern sich erhob, wo die Pferde bald angetrieben, bald in umständlicher Weise durch Anlegen des Hemmschuhs, wo das Schleifzeug nicht genügte, angehalten werden mußten. Da hieß es in Geduld sich fassen!

      Aber dabei hatte ja dies Reisen seine besonderen Vortheile, seine Unterhaltung und Poesie! Was wissen wir jetzt auf unsern geradlinigen Eisenbahnen, auf denen wir im Fluge dahingleiten von Land und Leuten und Gegend! Von der letztern erhaschen wir hier und da einen Fernpunkt – kaum freuen wir uns des Anblicks der burggekrönten Höhe – da fahren wir unter einer Straße weg zwischen hohen Seitenwänden und Alles ist verschwunden! Da freuen wir uns eine Station zu erreichen die einen berühmten Namen trägt, von wo aus man einen der schönsten Punkte besuchen kann – und unser Zug hält vor himmelhohen Stationsgebäuden und langweiligen Güterschuppen – wir sehen von der Gegend nichts und von den Menschen selten andere als die Massen der aus- und einsteigenden Mitreisenden – da gleichen die Gebäude wie die Leute einander und selten gewahren wir einmal eine Specialität. –

      Fuhr man aber mit der Post – wie freute da der Wechsel, wenn die Landstraße mitten durch idyllische Dörfer und eigenartige Städtlein führte. Wie lustig schmetterte das Posthorn, wie fröhlich begrüßte es die Kinderschaar. Wie war es so drollig den Hahn von der Landstraße auf das nächste Staket fliegen zu sehen, die Hühner nachzulocken, dabei flügelschlagend und krähend; die Kettenhunde riefen einander an, der glücklichere Spitz umkreiste kläffend den Wagen, die Katze im Fenstersims unterbrach ihre Siesta, blinzelte empor und erhöhte schweifwedelnd ihr Ansehen zu einem gewaltigen Buckel. Die Mägde am Brunnen ließen die Kannen stehen und schielten zum Wagen herüber, der alte Bauer, der auf der Steinbank sein. Pfeifchen rauchte, schob das Käppchen zurück und nickte zum freundlichen: Gott grüß! und die Knaben, die sich gerade balgten, stellten jede Fede ein um dem Postillon zu salndiren. Und welche wichtige, poetische Person war dieser nicht selbst, den alle Welt »Schwager« hieß, wobei er und sein Publikum sich wirklich dachten, es sei dies eine verwandtschaftliche Anrede. Und es war doch nur eine Verstümmlung des italienischen Wortes »Cavaliere«! der Thurn und Taxissche Postreiter, der im sechzehnten Jahrhundert die regelmäßige Beförderung von Briefen und Packeten überkommen. Am bestimmten Tage, ritt er z.B. Samstag in Augsburg aus und mußte am folgenden Samstag in Venedig sein. Das war nur mit stationsweise gewechselten Pferden möglich. Andere Pferdereisende schlossen sich ihm an und fanden ebenfalls Relais-Pferde zum Weiterritt. Die Italiener nannten die Postreiter im französirenden Grenzdialekt Cavaliere – Chavalier – sprachen »Schwalger,« daraus machten die Deutschen im Lauf der Jahrhunderte den gemüthlichen »Schwager«, Und die deutschen Postillone betrugen sich dann danach auch als die Reitposten längst aufgehört hatten und Fahrposten aus ihnen geworden waren, in denen auch Damen befördert wurden. Die Postillone hatten auch gegen diese wie gegen Jedermann wirklich mehr vom Schwager als vom Cavalier in ihrem Betragen. Sie waren nicht allzu höflich und aufmerksam, aber an Pünktlichkeit und Ordnung gewöhnt, hielten sie darauf auch unter ihren Passagieren und im Nothfall konnte sich eine Dame getrost ihrem Schutze anvertrauen. Bin ich doch selbst mehr als einmal zu einem solchen in's Cabriolett oder gar auf den Kutscherbock gestiegen, wenn drinnen im Wagen ein Herr gegen mich oder Andere flegelhaft ward – flegelhaft im Rausch oder nüchtern, durch Rücksichtslosigkeit oder durch übergroße Artigkeit – dann genügte es immer auf der nächsten Station den Postillon in's Vertrauen zu ziehen – oder auch den sogenannten »Schaffner« eine noch wichtigere Persönlichkeit, die sich jedoch nicht bei allen Posten befand, – um sicher vor weiteren Unbilden des Weges zu fahren.

      Doch das war nur eingeschaltet.

      Wie hübsch war es auch, durch eine kleine Stadt zu fahren, selbst wenn das holbriche Pflaster uns einige Rippenstöße versetzte! In kleinen Städten haben ja die Leute noch jetzt Zeit und hatten sie damals erst recht vollauf, СКАЧАТЬ