Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ es sah zur Zeit unserer Großmütter und Mütter gewaltig anders aus in Haus und Stadt und nun gar auf dem Lande, wie jetzt. Fast alle, auch die einfachsten Bedürfnisse einer Haushaltung mußte man erst in dieser sich selbst bereiten. Die Wäsche ward im Hause gewaschen, Brod und Kuchen selbst gebacken, alle Vorräthe für den Winter, Früchte vom einfachsten Dörren an bis zum complicirtesten Gelée, Fleisch in den verschiedensten Zubereitungen, Butter und Eier – Alles ward durch eigene Hausarbeit für den Hausverbrauch bereitet und aufbewahrt, wobei das Letztere oft gerade so viel Mühe machte wie das Erstere. Ja, auch Seife ward im Hause selbst gesotten und Lichte wurden gegossen – Talglichte – lange Zeit hindurch der Hauptbeleuchtungsgegenstand, auf den wir später zurückkommen, da die Wandlungen, welche die künstliche Beleuchtung erfahren, so interessant sind, daß wir ihnen ein eignes Kapitel widmen.

      Auch die Gastfreundschaft war eine andere, als die jetzige und es wurden andere Anforderungen an sie gestellt. Freilich ging es da viel einfacher zu als jetzt, man war genügsamer in Beziehung auf manche Delicatessen, die eben in Rücksicht auf den Transport viel schwerer zu beschaffen waren, genügsamer in Beziehung auf die Service, auf das Vielerlei des Geschirrs u.s.w., welches jetzt z.B. zu dem einfachsten Abendbrot erforderlich. Aber man lebte damals eben viel mehr im Hause, wie außer demselben, indeß jetzt das umgekehrte Verhältniß fast das herrschende geworden! Man suchte sonst sein Vergnügen eben nur im Hause, nicht in der Restauration, – eine Dame hätte im Winter nie eine solche betreten! War man einmal gastfrei, so sah man nicht nur eingeladene große Gesellschaften bei sich, sondern man empfing wer kam und setzte vor »was das Haus vermag«; man kam weder der Form, noch des Essens willen zusammen, sondern zur gemüthlichen Unterhaltung und da es oft wenn auch in einfacher Weise geschah, so machte das schließlich in einer Haushaltung mehr Arbeit und Kosten als jetzt die paar lucullischen Gastmähler, die eine vermögende Familie giebt und wozu oft Alles nur im Hôtel bestellt wird und der Hausfrau jede Mühe erspart ist. Und dann erstreckte sich die damalige Gastfreundschaft auch nicht nur auf Besuche für den Abend oder Tag – man hatte so manchen für Tag und Nacht und zwar auf Wochen, Monate. Das Reisen war theuer und beschwerlich, wer da einmal kam von fernen Freunden und Verwandten kam gleich auf längere Zeit – Studenten pilgerten bekanntlich zu Fuß »die Vetternstraße«, um die Ferien billig hinzubringen, für jede Dame galt es einen ungeheuren Entschluß, wenn sie in einem Gasthaus einkehrte, sie zog darum jede Familie vor, wenn sie sich auf einer Reise befand, die länger als einen Tag währte – und so fehlte es nie an Gästen, am wenigsten in solchen Familien, von deren Gastfreiheit man überzeugt war.

      Am Anschaulichsten kann man schildern was man im Elternhaus selbst erfahren und ich denke, so ungefähr wie bei uns ging es in den meisten Familien des Mittelstandes zu, wo das Haupt, der Ernährer derselben, das Nöthige dazu verdiente und gewissenhaft verwendete. Mein Vater besaß ein eignes Haus in Meißen und einen Weinberg in der Nähe, war – wie es nach römischen Muster hieß – »Senator« und Gerichtsdirector, später, nach neueren Einrichtungen, allein das letztere, da es eben in Sachsen noch Patriamonialgerichte gab. – Die Eltern, vier Töchter, eine Schwester der Mutter, zwei Schreiber und ein Dienstmädchen, bildeten einen Durchschnittshausstand von neun Personen, der bei einer großen Wohnung parterre und erste Etage eines Eckhauses von 14 Fenstern und ein paar Zimmern des dritten Stockes, schon ein ziemlich respectabler und eben dadurch noch mehr, als er selten ohne auswärtigen Besuch war. Eine Kammer des Erdgeschosses hieß gar nicht anders als die »Studentenkammer«, weil sie nur für junge Leute bestimmt war, da gab es Neffen u.s.w., die sich darin niederließen, wenn sie Ferien oder in anderen Verhältnissen keine Stelle hatten; dann gab es wieder Nichten, die zu halben oder ganzen Jahren in unserer Familie sich vervollkommnen oder unterhalten sollten und die unser Mädchenzimmer mit theilten, dann wieder Freundinnen von Mutter oder Tante, die gern einmal einige Wochen sorgenfrei zubringen wollten – Verwandte und Freunde, die aus wahrer Freundschaft kamen und aufgenommen wurden oder um die schöne Gegend zu genießen, für welche dann besondere Gastzimmer bereitet waren. Natürlich vermehrte dies die Hausarbeit nicht wenig – aber 'alle weiblichen Hände mußten mit zugreifen und es ging, da eben die Mutter selbst das allerbeste Beispiel gab. Vom frühen Morgen an war sie in der Wirthschaft thätig und dabei doch jeden Augenblick bereit, am Morgen kurze Besuche und Mittag und Abend Gäste zu empfangen – auch im Sommer, auf der Sommerwohnung, dem Weinberg, auch wenn wir nicht ganz da wohnten, sondern nur Nachmittags hinausgingen. Gab es im Winter erst Thee und Backwerk, dann, am gedeckten Tisch eines anderen Zimmers, kalte Küche und Wein, so auch im Sommer, nur vorher schäumende Milch mit Backwerk und Obst. Man nahm eben was im Hause war – aber ein Blick auf diese Vorräthe erscheint mir jetzt fast märchenhaft!

      In großen Kellern lagerten ganze Kufen vom Rhein mit den besten Sorten gefüllt, daneben friedlich der sonst so verrufene Meißner in veredelter Gestalt, Stückgesäße von allen Größen und Werthen und ganze Dutzende gefüllter Flaschen – den Weinkeller besorgte der Vater selbst. Daneben ein andrer Keller, wo auf besonderen Gestellen viele Scheffel Aepfel wohlgeordnet lagen, darunter die Kartoffeln, dann zwei riesenhafte Pökelfässer, wohlgefüllt mit Rind- und Schweinefleisch, das dann später, theilweis in den eignen Räucherkammern auf den Boden durch Holzrauch in den Essen, mit vielen Würsten noch eine zweite Zubereitung erhielt. In Gewölben des Erdgeschosses Buttertöpfe von allen Größen wohlgefüllt, zum Kochen für den Winter, Fässer und Krüge mit Gurken und Gemüsen, ganze Schränke voll Büchsen mit eingemachten Früchten, ganze Horten voll gebacknes Obst, Eier in Stellagen mit Löchern zierlich aufgestellt, andere vom Juli und August in irdenen Töpfen und Kalk wohl verwahrt – ein Erträgniß der eigenen Hühnerzucht – und dann, je nach der Jahreszeit, Wild vom kleinsten bis zum größten, Geflügel u.s.w. Auch die Materialwaaren wurden im Ganzen gekauft – Zucker und Kaffee mindestens nach 1/4 und 1/2 Centnern und so Alles. Da wirthschaftete es sich wohl hübsch und wenn Besuch kam, brauchte man nur aus Keller und Speisekammer zu holen, was gebraucht ward – allein Alles dies vorzubereiten und zu erhalten erforderte doch keine geringe Mühe. Wie oft mußte man nicht allein im Keller nach den Aepfeln sehen, die, mit den faulen Fleckchen heraussuchen, sie noch schnell zu verwenden. Nun, zum Glück gab die Mutter das Beispiel, daß solche Arbeiten wie ein Vergnügen betrachtet wurden. Wie hüllte man sich im Winter ein, um immer gern zu Zweien trepp auf, trepp ab zu laufen und alles Nöthige zu besorgen und herbeizuholen. Das Beste aber war, daß immer alles seinen stillen geräuschlosen Gang gehen mußte, daß nirgend Wirthschaftslärm sich hörbar machte, nie durfte von Andern bemerkt werden, daß es viel zu thun gab. Da huschte man leicht und leise hin über die wollenen Deckenläufer in den Vorzimmern und Corridoren, da gestalteten sich die gemeinsamen häuslichen Arbeiten, gerade weil es so wenig Dienerschaft dabei gab, zu angenehmen Geschäften, von Frohsinn und heiterm Mädchengeplauder gewürzt. Da galt es als eine Ehre, einen Ruhm, Hausarbeiten zu bewältigen, die man eigentlich nicht nöthig hatte, die Niemand den weißen, feinen Händchen zugetraut. Da freute man sich der Arbeit selbst und dann ihres Resultates, ja, es war ordentlich belustigend, mehr zu thun, als selbst von der Mutter angeordnet war, allein, ohne fremde Beihülfe und ohne daß jemand Anders eine Ahnung davon hatte. Man spielte gern Heinzelmännchen und Aschenbrödel und zwar im vollsten Sinn des Wortes – denn man träumte sich aus so realistischen Geschäften gern in das Reich der Feen und der Romantik hinüber – man athmete im Küchenbrodem geduldig, weil man wußte, daß es draußen im Garten, auf dem Weinberg balsamische, reine Luft gab – die eigentliche Lebensluft, die man auch dann wieder frei und ganz genießen durfte, man hatte ja das ganze Köpfchen angefüllt von Romantik und Idealismus voll Schiller und Jean Paul und höher klopfte das Herz vor der Fülle von Poesie, die es in sich aufgenommen.

      Ja, die Welt der Poesie war nie und nirgend über der Hausarbeit vergessen! Wenn man beisammen saß im Vorsaal oder in der »Kinderstube«, die später, wo es keine Kinder mehr gab, sondern nur ich, als sieben Jahre jüngeres »Nesthöckchen« als die vorgehende Schwester noch eine Zeit lang Schulkind war zur Stube für häusliche Arbeit geworden – wenn man da Gemüse zuputzte oder Obst zum Einsetzen vorbereitete – es war eben nicht die hübscheste Arbeit Johannisbeeren abzubeeren, Bohnen zu schneiden, Schoten aufzubrechen, Pilze zu putzen u.s.w. – aber da wurde dabei vorgelesen, das mußten sich die englischen wie deutschen Romanschriftsteller gefallen lassen: Walther Scott, Cooper und Bulwer, Wilhelm СКАЧАТЬ