Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Der Richter willigte ein, und die Verhandlung nahm ihren Anfang. Watson betrat als Angeklagter zuerst den Zeugenstand und machte seine Aussagen.
»Ich pflückte Blumen«, erklärte er. »Pflückte Blumen auf meinem eigenen Grund und Boden und witterte kein Unheil. Plötzlich sprang dieser Mann aus seinem Versteck hinter den Bäumen auf mich los. ›Ich bin Dodo‹, sagte er, ›und ich kann Hackfleisch aus dir machen. Hebe die Hände hoch!‹
Ich lächelte, aber im selben Augenblick schlug er zu, warf mich zu Boden und verdarb meine Blumen. Die Sprache, die er mir gegenüber führte, war entsetzlich. Es war ein ganz grundloser, brutaler Überfall. Sehen Sie nur meine Backe! Sehen Sie meine Nase! Ich konnte es überhaupt nicht begreifen. Er muss betrunken gewesen sein. Ehe ich mich von meiner Überraschung erholte, hatte er mir schon diesen Schlag zugefügt. Ich fühlte mein Leben bedroht und musste mich verteidigen. Das ist alles, Herr Richter, aber ich muss noch einmal gestehen, dass ich mich von meiner Überraschung gar nicht erholen kann. Warum hat er sich Dodo genannt? Warum hat er mich so leichtfertig angegriffen?«
Und so erhielt Sol Witberg eine gründliche Belehrung in der Kunst, einen Meineid zu schwören.
Er hatte oft auf seinem hohen Richterstuhl im Schnellgericht nachsichtig meineidigen Zeugenaussagen und erdichteten Geschichten gelauscht; aber zum ersten Mal richtete sich jetzt eine meineidige Aussage gegen ihn selbst, und diesmal saß er nicht mit Gerichtsdienern, Polizeiknüppeln und Gefängniszellen hinter sich auf dem Richterstuhl.
»Herr Richter«, rief er, »ich habe noch nie eine solche Sammlung von Lügen und einen so frechen Lügner gehört –«
Aber im selben Augenblick sprang Watson auf. »Herr Richter, ich protestiere. Es ist Sache des hohen Gerichtshofes, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Der Zeuge hat nur über die wirklichen Geschehnisse auszusagen. Seine persönliche Meinung von den Dingen im Allgemeinen und von mir im besonderen hat nicht das geringste mit der Sache zu tun.«
Der Richter kratzte sich den Kopf und wurde aufgeregt, ohne jedoch seine Ruhe zu verlieren.
»Der Protest ist berechtigt«, entschied er. »Ich bin erstaunt, dass Sie, Herr Witberg, der Sie Richter und wohlbewandert in Gesetz und Recht sein wollen, sich eines so wenig korrekten Benehmens schuldig machen. Wir sind hier, um festzustellen, wer zuerst geschlagen hat, und Ihre Ansichten über den persönlichen Charakter des Herrn Watson interessieren uns nicht. Fahren Sie in Ihrer Darstellung fort.«
Sol Witberg würde sich vor Wut gern in seine zerschlagene und geschwollene Lippe gebissen haben, wenn es nicht so weh getan hätte, aber er beherrschte sich und erstattete einen klaren, aufrechten und wahren Bericht.
»Herr Richter«, sagte Watson. »Ich beantrage, ihn zu fragen, was er auf meinem Grund und Boden zu tun hatte.«
»Eine sehr berechtigte Frage. Was hatten Sie, mein Herr, auf Herrn Watsons Grund und Boden zu tun?«
»Ich wusste nicht, dass es sein Grund und Boden war.«
»Es war eine Übertretung meines gegen Unbefugte erlassenen Verbots, Herr Richter«, rief Watson. »Die entsprechenden Schilder sind in auffälliger Weise angebracht.«
»Ich habe kein solches Schild gesehen«, sagte Sol Witberg.
»Ich habe sie selbst gesehen«, warf der Richter grimmig ein. »Sie sind sehr auffällig. Und zur Warnung will ich Sie, mein Herr, wissen lassen, dass Sie, wenn Sie in solchen Kleinigkeiten leichtfertig mit der Wahrheit umgehen, Gefahr laufen, auch auf Ihre bedeutsameren Aussagen ein schlechtes Licht zu werfen. Warum haben Sie Herrn Watson geschlagen?«
»Herr Richter, wie ich unter Eid ausgesagt habe, habe ich ihm nicht einen einzigen Schlag gegeben.«
Der Richter betrachtete Carter Watsons zerschlagenes und geschwollenes Gesicht, wandte sich dann um und blickte Sol Witberg an.
»Sehen Sie die Backe des Mannes«, donnerte er. »Wenn Sie ihm keinen Schlag gegeben haben, wie kommt es dann, dass er so zugerichtet ist?«
»Wie ich unter Eid ausgesagt habe –«
»Nehmen Sie sich in acht!« warnte der Richter.
»Ich werde mich schon in acht nehmen. Ich gedenke nichts zu sagen als die reine Wahrheit. Er hat sich selbst mit einem Stein geschlagen. Er hat sich mit zwei verschiedenen Steinen geschlagen.«
»Ist es wahrscheinlich, dass irgendein Mensch, der nicht wahnsinnig ist, sich selber so zurichten soll, indem er die weichen, empfindlichen Teile seines Gesichts mit einem Stein zerschrammt?« fragte Carter Watson.
»Es klingt wie ein Märchen«, meinte der Richter. »Herr Witberg, hatten Sie getrunken?« – »Nein.«
»Trinken Sie nie?« »Gelegentlich.«
Der Richter dachte mit schlauer, tiefsinniger Miene über diese Antwort nach.
Watson benutzte die Gelegenheit, um Sol Witberg gemütlich anzublinzeln, aber dieser arg missbrauchte Herr sah nichts Humoristisches in der Situation.
»Sehr merkwürdig, sehr merkwürdig«, erklärte der Richter und ging daran, sein Urteil zu fällen.
»Die Aussagen der beiden Parteien widersprechen einander vollkommen. Außer den beiden Hauptpersonen sind keine Zeugen vorhanden. Jeder behauptet, dass der andere ihn überfallen hat, und ich bin außerstande, rechtsgültig zu entscheiden, wer von Ihnen die Wahrheit spricht. Aber ich habe meine persönliche Ansicht, Herr Witberg, und ich möchte Ihnen raten, sich in Zukunft von Herrn Watsons Grund und Boden und überhaupt aus dieser Gegend fernzuhalten –«
»Das ist eine Beleidigung!« brauste Witberg auf.
»Setzen Sie sich«, donnerte der Richter ihn an. »Wenn Sie das Gericht noch einmal auf diese Weise unterbrechen, nehme ich Sie in Strafe wegen achtungswidrigen Benehmens, und ich sage Ihnen jetzt schon, dass СКАЧАТЬ