Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Ohne ein Wort zu sprechen, schüttelte er den Kopf, lächelte freundlich mit den Augen und schob sich näher an den Ofen heran, um sich dort den Mund aufzutauen und dann sein Anliegen vorbringen zu können. Dieses Vorhaben verschaffte ihm reichliche Verwendung für seine Finger, mit denen er sich ganze Eisstücke aus dem Bart riss, die er auf den Ofen warf, wo sie knisterten und zischten.
»Ich bringe gar nichts«, erklärte er schließlich. »Wenn es hier im Lager aber einen Doktor gibt, so brauche ich ihn trotzdem. Am Kleinen Peco liegt ein Mann, der einen Zusammenstoß mit einem Panther gehabt hat, und das Biest ist dabei ganz ruppig mit ihm umgegangen.«
»Ist es weit von hier?« fragte Doktor Linday.
»Na – hundert Meilen mindestens.«
»Und wie lange ist es her?«
»Ich bin drei Tage unterwegs gewesen.«
»Schlimm?«
»Die Schulter ist ausgerenkt. Und einige Rippen sind totsicher gebrochen. Der rechte Arm auch. Und das Fleisch ist fast am ganzen Körper – außer dem Gesicht – bis zu den Knochen abgerissen. Zwei oder drei Stellen haben wir ihm notdürftig zusammengenäht und die Arterien mit Bindfaden abgebunden.«
»Das wird schön sein«, knurrte Linday spöttisch. »Wo sind die Stellen denn?«
»Am Bauch.«
»Dann ist er schon erledigt.«
»Nein, so wahr ich lebe. Wir haben alles, bevor wir ihn nähten, mit desinfizierenden Mitteln gebeizt. Nur bis auf weiteres natürlich. Wir hatten eben nichts anderes als gewöhnlichen Bindfaden, aber wir haben ihn wenigstens gewaschen.«
»Er ist so gut wie tot«, erklärte Dr. Linday, während er ärgerlich mit den Karten herumhantierte.
»Keine Rede davon. Der Mann wird nicht sterben. Er weiß, dass ich den Doktor hole, und wird schon dafür sorgen, dass er noch am Leben ist, wenn ich wiederkomme. Er denkt nicht daran, zu sterben. Ich kenne ihn.«
»Christian Science und kalter Brand, nicht wahr?« knurrte der Arzt. »Nun, ich praktiziere überhaupt nicht. Und außerdem sehe ich nicht ein, warum ich bei einer Temperatur von fünfzig Grad unter Null wegen eines toten Mannes hundert Meilen weit fahren sollte.«
»Aber ich sehe es ein. Es handelt sich um einen Mann, der gar nicht daran denkt, zu sterben …«
Linday schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, dass Sie den weiten Weg umsonst gemacht haben. Es ist besser, Sie bleiben die Nacht über hier.«
»Ausgeschlossen. In zehn Minuten fahre ich ab.«
»Wieso sind Sie Ihrer Sache denn so sicher?« fragte Linday mürrisch.
Und dann kam der Augenblick, da Tom Daw die längste und beste Rede seines Lebens hielt.
»Weil er am Leben bleiben wird, bis Sie kommen, und wenn es eine Woche dauern sollte, Sie zu überreden. Und weil seine Frau bei ihm ist. Und sie heult nicht und weint nicht, sondern hilft ihm ganz still, am Leben zu bleiben, bis Sie kommen. Sie haben einander mächtig lieb, und sie hat genau so einen Willen wie er. Wenn er abfahren wollte, würde sie einfach ihre unsterbliche Seele in seine hineinpusten und ihn wieder lebendig machen. Obgleich es ihm ja gar nicht so schlecht gehen wird. Aber Sie können darauf schwören, dass sie es tun würde. Ich gehe jede Wette ein. Ich halte drei gegen eins, in reinem Gold, dass er noch am Leben ist, wenn Sie hinkommen. Ich habe ein frisches Gespann am Ufer. Sie müssen in zehn Minuten zum Abfahren fertig sein. Und ich glaube, wir brauchen nicht mal drei Tage für die Fahrt, weil der Schnee auf meiner Fährte schon festgefahren ist. Ich gehe jetzt zu den Hunden; in zehn Minuten komme ich und hole Sie ab.«
Tom Daw band sich wieder die Ohrenklappen herunter, zog sich die Fäustlinge an und verschwand.
»Der Teufel soll ihn holen!« rief Dr. Linday und warf einen rachsüchtigen Blick nach der geschlossenen Tür.
Erst lange nach Eintritt der Dunkelheit schlugen Dr. Linday und Tom Daw am selben Abend ihr erstes Lager auf. Sie hatten bereits fünfundzwanzig Meilen zurückgelegt. Das Lagern war eine sehr einfache Sache. Sie machten Feuer im Schnee, neben das Feuer legten sie ihre Schlafsäcke auf eine Unterlage von Fichtenzweigen. Hinter diesem provisorischen Bett wurde ein großes Stück Leinwand aufgehängt, um die Wärme des Feuers zurückzuwerfen. Daw gab den Hunden zu fressen und schlug Eis und Brennholz. Lindays Wangen brannten von der Kälte, als er am Kochtopf hockte. Sie aßen reichlich, rauchten eine Pfeife und plauderten miteinander, während sie ihre Mokassins am Feuer trockneten. Dann krochen sie in ihre Schlafsäcke, um den traumlosen Schlaf der Müden und Gesunden zu schlafen.
Am nächsten Morgen war die ungewöhnliche Kälte vorbei. Linday schätzte die Temperatur auf fünfzehn Grad unter Null, und sie schien sogar noch zu steigen. Daw wurde von schwerer Sorge gequält. Sie würden noch am selben Tag den Cañon erreichen, erklärte er, wenn aber der Frühling mit seinem Tauwetter schon jetzt einsetzte, würde der Cañon mit offenem Wasser gefüllt sein. Die Wände der Schlucht seien indessen nicht weniger als zwischen hundert und tausend Fuß hoch. Man könne sie natürlich besteigen, aber es sei eine verdammt langweilige Arbeit, die viel Zeit erfordere.
Als sie an diesem Abend in der dunklen, unheimlichen Schlucht lagerten und ihre Pfeife rauchten, klagten sie über die Wärme und waren sich einig, dass das Thermometer über Null stehen müsste … und zwar zum ersten Mal seit sechs Monaten.
»Man hat noch nie so weit im Norden etwas von Panthern gehört«, erzählte Daw. »Rocky nannte ihn einen Kuguar. Aber ich habe viele in Curry County geschossen – in Oregon, wo ich her bin, und da nannten wir sie immer Panther. Jedenfalls war es eine größere Katze, als ich je eine gesehen habe. Es war ein richtiges Ungetüm von Katze. Jetzt bleibt nur die Frage übrig, wie, zum Teufel, sie auf einen solchen Jagdausflug abseits von allen gewohnten Pantherwegen gekommen war? Das ist die Frage …«
Linday СКАЧАТЬ