Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ Pfarrkirche, die braunen Dächer der Häuser und des Schlosses und die halbzerfallenen Türmchen an der Stadtmauer herabschien.

      Dann wandten wir uns und gingen weiter in den Morgen hinein und trugen ein Bild im Herzen.

      Das Bild war ein Herrenhaus mit starken Mauern, mit Wall und Graben, eine kleine Burg an einem Fluß, und rings um dieses Haus lagen die Werkstätten, geschäftige Menschen mit rußigen Gesichtern hantierten darinnen, Tag und Nacht trug der Fluß seine Wellen unter den Mauern vorüber, trieb die großen Räder des Werks, die schweren Hämmer fielen dröhnend auf das Eisen, die Hochöfen glühten, die Essen sprühten, auf der Straße durch das Thal fuhren ächzende Wägen, und in dem Herrenhaus saß ein glücklicher Mann mit einem lieblichen Weib und guten Kindern.

      Mit diesem Bilde gingen wir hügelauf, hügelab durch dunkle Wälder, über weite Thalgründe und stiegen zuletzt auch in das Thal hinunter, das uns so lebhaft vor Augen stand.

      Dort sind wir lange auf einer zerfallenen Mauer unter einer Weide gesessen. Die Weide ließ ihre Zweige im Wasser treiben – und – – –

      Wohl waren die Hügel noch von Wäldern bedeckt, wie ehedem, wohl trieb der Fluß noch wie damals sein Wasser thalabwärts, wohl hing noch ein Rad in den Wellen und drehte langsam die moosgrünen Schaufeln – aber das Herrenhaus mit seinen Hammerstätten war vom Erdboden verschwunden.

      Das alte Wasserrad trieb eine ärmliche Spiegelschleife, rostrot waren die Hütten, rostrot die Zäune und Planken, rostrot der Sand des Bodens und die zerlumpten Gestalten der schmutzigen Schleifer, das Wasserrad drehte sich ächzend und knarrend und erzählte uns eine düstere Geschichte, die wir doch selbst schon wußten, und die Wellen rauschten dazu: Hofgunst – Laub am Baum; heute grün – morgen dürr.

      Georg Kerdern, der zweite von den Söhnen des greisen Pfarrherrn, der die Dokumente seines Geschlechts verbrannt hatte, war von seinem Schicksal in dieses Thal geführt worden.

      Das war also zugegangen:

      Der junge Ingenieuroffizier hatte die Aufmerksamkeit seines Fürsten auf sich gelenkt und verkehrte viel bei Hofe. Seine ritterliche Art gewann ihm mit der Zeit sogar die Freundschaft seines Herrn, und man erzählt, daß in vertrauten Stunden auch die letzten Schranken zwischen dem Diener und dem Fürsten fielen und das trauliche Du in Anwendung kam.

      Georg Kerdern hatte einen feurigen Geist und eine eiserne Energie, der Herzog war ein weit angelegter Mensch und gerechter Fürst, der seiner Zeit um ein gutes Stück voranging. Er hätte sicher Großes geleistet, wenn ihn das Geschick an die Spitze eines Reiches gestellt und nicht auf den engen Fürstenstuhl eines Ländchens gesetzt hätte.

      Georg Kerdern sollte diese Fürstenfreundschaft teuer zu stehen kommen.

      Wie ist doch das vorige Jahrhundert in seiner ganzen Kleinlichkeit dem heutigen Geschlechte so schwer verständlich. Der entsetzliche Krieg lag dem Volk noch immer in den Gliedern. Wenn die Kindlein sich nicht ruhig verhalten wollten, dann sangen die Mägde wohl:

      Der Schwed' ist kommen,

       Hat alles mitg'nommen,

       Hat d'Fenster 'neing'schlagen,

       Hat's Blei davontragen,

       Hat Kugeln draus gossen,

       Hat d'Leut mit erschossen.

      Und die Kindlein schwiegen und fürchteten sich. Aber nicht nur die Kindlein, auch die Alten fürchteten sich. Sie fürchteten sich vor neuem Kriegslärm, sie fürchteten sich vor Serenissimus und seinen Steuern, sie fürchteten sich vor der Justiz, sie fürchteten sich vor Teuerung, sie fürchteten sich wohl auch vor Ihresgleichen. Die Bauern säeten und ernteten, aber der schwere Herrendruck lag auf ihnen, die Äcker, auf die der Wald geflogen war, ließen sie ruhig liegen, die versumpften Wiesen durften weiter und weiter versumpfen, und die Armut war Königin. In den Städten hantierten wie ehedem die Bürger, aber die mannhaften Geschlechter des Mittelalters waren ausgestorben, und ihre Nachkommen waren ganz andere Leute geworden; ruhig trugen sie die engen Ringe, die man um ihr Dasein geschmiedet hatte.

      Besonders trübe ist das Bild des vorigen Jahrhunderts in den unglücklichen Landstrichen, wo die beiden christlichen Bekenntnisse neben einander geübt wurden. Da waren die armen Menschen, die doch aus einem und demselben Stamm gekommen, durch eine breite Kluft voneinander getrennt und auseinander gerissen, zwei Geistliche standen sich im Dorfe feindselig gegenüber, die Kirche war geteilt, der Altar war geteilt, die Einkünfte waren geteilt, und die Religion, die alle Schranken zwischen den Menschen aufheben und sie als Kinder dem ewigen Gott zuführen soll – gerade die Religion wurde zu einer nie versiegenden Quelle der Zwietracht, und oft will es mir dünken, wenn ich in die vergilbten Akten jener Zeit schaue, als wäre damals mehr gestritten und gezürnt denn geliebt und gebetet worden.

      So will es mir dünken; aber eine Zeit darf gewiß nicht allein aus den Akten beurteilt werden, sonst steigt statt eines Kulturbildes ein unwahres Zerrbild aus den Nebeln der Vergangenheit empor. Und so sehe ich im Geiste auch durch diese öde Zeit der Erschöpfung, durch diese Zeit des bösen Herrendrucks und der engen Armut Bäche und Ströme des Lebens fließen, von denen nichts in den Aktenblättern verzeichnet ist: die Bäche und Ströme der Liebe.

      Ja, die Liebe ist ewig! Prometheus stahl das Feuer und schenkte es den Menschen, daß sie sich schützen möchten vor der Kälte und aus dem rohen Wesen emporarbeiten, so erzählt die Sage. Die ewige Erbarmung aber hat den mächtigen Strom der Liebe in die Menschenwelt geleitet, und der Strom fließt unaufhörlich, er ist auch in den dürrsten Zeiten niemals versiegt, unsere Ahnen haben aus seinen Fluten geschöpft, wir sitzen an seinen Ufern, und die fernsten Geschlechter werden sich noch aus seinen Wassern stärken. Zeit und Leid sind so vergänglich – aber die Liebe, die Liebe ist ewig! –

      Und nun will ich die düstere Geschichte erzählen aus jenem Jahrhundert.

      Georg Kerdern baute in dem öden Waldthal einen Eisenhammer. Der Herzog hatte es gewünscht. Auf einem Jagdausfluge soll er den Gedanken gefaßt haben, die bedeutenden Wasserkräfte zu nützen, und er gewann den genialen Offizier für diese Idee.

      Es währte nicht lange, dann wußte man es in der Residenz: der Fürst hat dem Kerdern das Waldthal geschenkt, und es soll etwas Großes da draußen entstehen. Und wieder nach einiger Zeit hielt Georg ein Pergament mit dem Siegel des Fürsten in der Hand und zeigte seinem Weibe alle die Rechte, die darauf verbrieft standen. Sein Weib zitterte heftig, so geht die Sage in unserm Geschlecht. Das war kein Wunder: wie die Schwalben unter dem Dache fühlen ja die Frauen vor allen Kreaturen das heranziehende Wetter. – Die Privilegien waren nicht gering: kein Köhler im Umkreis von zwei Wegstunden durfte seine Kohlen an andere Leute verkaufen, ehe der Kerdernhammer seinen Bedarf gedeckt hatte; auf allen Straßen konnten die Wägen mit dem Eisen zollfrei fahren; über die Hammerknechte ward dem Herrn die Gerichtsbarkeit für ewige Zeiten verliehen; die ganze Wasserkraft des Thales samt dreihundert Morgen Wald gingen in Kerderns freien Besitz über.

      Die Arbeit begann. Überall wirkte der Name des Herzogs, und das Geld floß reichlich zu dem Werke herbei. Georg und sein Glück war das Gespräch des Tages, und viel Neid wucherte im geheimen gegen den glücklichen Ketzer; sie sagten, er habe sich in die Gunst seines Fürsten geschlichen.

      Georg sah nichts von dem. Er hatte rastlose Gedanken im Kopfe, und was Neid ist, wußte er nicht.

      Bald hob sich draußen an dem einsamen Waldfluß der Giebel des Hauses. Tagtäglich ritt Georg hinaus, oft war auch der Herzog bei ihm. Und die Werkstätten wuchsen aus dem Boden, der Fluß wurde gedämmt und seine Kraft dem menschlichen Willen geknechtet, nach Jahresfrist dröhnte und glühte der Hammer und warf СКАЧАТЬ