Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ Wagenburg war vor dem großen Hause aufgefahren. Alte Karrossen, elegante, hochgebaute Jagdwagen, moderne Landauer, bescheidene Einspänner standen da im trüben Lichte der Öllaternen. Das Haus war erleuchtet von unten bis oben, aus den weit geöffneten Fenstern zur ebenen Erde drang lautes Stimmengewirr; in den oberen Stockwerken waren die Fenster geschlossen.

      Der Landadel der Umgegend hatte sich heute in diesem Hause zusammengefunden, wie er es alle Wochen einmal zu thun pflegte.

      Wir traten unter den Thorbogen und fragten ein Schenkmädchen, das gerade eilig vorüberging, nach dem Herrenzimmer.

      »Alles voll, heut ist ja der Abend,« rief sie. »Schauen's ins Kutscherzimmer, da ist noch Platz.«

      Wir waren sehr hungrig und beschlossen, uns nicht lange zu besinnen und vorläufig anstatt zu den Herren zu ihren Kutschern zu gehen. Hernach konnten wir ja den Vetter in aller Gemütsruhe aufsuchen.

      »Ja, der Herr Baron ist schon droben,« antwortete die Kellnerin auf unsere Frage. »Der bleibt nach lang sitzen.«

      Bestäubt, wie wir waren, betraten wir das Kutscherzimmer. Wir legten unsere Tasche in eine Ecke und schritten durch den Qualm der Stube auf einen Tisch zu, an dem noch einige Plätze frei waren.

      Als wir uns setzten, hielten die glattrasierten Männer einen Augenblick in ihrer Unterhaltung inne und betrachteten uns.

      Unser »Guten Abend« wurde mit einem wohlwollenden Kopfnicken belohnt.

      Man hatte uns geprüft, und nun kam auch das unterbrochene Gespräch wieder in Fluß.

      Bescheiden und anspruchslos saß ich neben einem feisten Kutscher, der in gelb und blauer Livree stak, und machte meine Beobachtungen. Ich kannte keinen einzigen von all den Herren droben im Gesellschaftszimmer – aber mit welchen Manieren sich ein jeder durch sein Dasein zu bewegen gewohnt war, das glaubte ich in der Karikatur ganz genau an seinem Kutscher beobachten zu können. Ja, wenn ich zeitweise die Augen schloß oder mich in meinen Suppenteller vertiefte, dann war mir's fast, als säße ich mitten unter Herren. Denn da hieß es nicht »Christian«, »Johann«, »Xaver«, wenn einer den andern rief, sondern jeder trug den Geschlechtsnamen seines Gebieters, und es schwirrte hin und her von -heims, -burgs, -bergs, -ings, -ungs und -erns.

      Man schien mit der Zeit meine stumme Höflichkeit wohlgefällig wahrgenommen zu haben, und mein gelbblauer Nachbar »Kerdern« beschloß, mich ins Gespräch zu ziehen. Herablassend fragte er, ob wir Reisende wären.

      Ich bejahte ernsthaft.

      In was wir denn machten?

      »Der Herr neben mir in Geneanomie und Genealogie, ich in Heraldik und Sphragistik,« erwiderte ich sehr höflich. Es entstand eine Pause.

      Ob das gute Geschäfte wären? hieß es weiter.

      Ich that sehr verwundert, daß ihm die große Bedeutung dieser Branchen zumal in seiner Eigenschaft als Herrschaftsdiener nicht näher bekannt wäre, und mein Nachbar schwieg wieder.

      Ich biß mir auf die Lippen und fragte nach einer Weile, ob wir wohl seinen Herrn in unseren Angelegenheiten sprechen könnten.

      Da hatte der Bediente sofort wieder seine alte Würde gefunden und sagte erhaben, daß er bestimmt wisse, sein Herr sei in diesen Artikeln hinreichend versehen. Er beziehe sie immer direkt von Wien.

      Ich bezwang mich mit anerkennenswerter Energie und blieb ernsthaft.

      Inzwischen hatte auch der Vater seine Mahlzeit beendet und gab nun unserm Nachbarn die Karten, damit er uns bei seinem Herrn melde.

      Der nahm die kleinen Dinger in seine großen Hände, las die Schrift, besah uns, besah wieder die Schrift und machte sich dann langsam auf den Weg. Aber so lange ich ihn mit den Augen verfolgen konnte, schüttelte er sein dickes Denkerhaupt. Es war auch gar seltsam: er und sein Herr und wir bestäubte Landstreicher sollten einen und denselben Namen führen. Zu seltsam!

      Droben vor der Thüre des Herrenzimmers auf dem spärlich erleuchteten Korridore stand uns der Baron gegenüber und musterte uns von oben bis unten.

      »Wir suchen eine alte Urkunde, die uns vielleicht wichtige Aufschlüsse über die Geschichte unseres Geschlechts zu geben vermag,« sagte der Vater nach den einleitenden Worten.

      »Bedaure, kann nicht dienen,« schnarrte der Baron. »Würde auch derlei alte Dokumente nicht wohl aus den Händen geben.«

      »Es handelt sich lediglich um familiengeschichtliche Forschungen,« fuhr der Vater mit der Zähigkeit des Genealogen fort. »Unser Geschlecht ist vor Zeiten aus Böhmen in die Oberpfalz eingewandert. Ist Ihnen darüber Näheres bekannt?«

      »Ja, sollen aus Böhmen stammen,« meinte der Baron und betrachtete uns wieder mißtrauisch. »Hab's schon gehört. Und Sie wollen also auch Kerdern heißen, am Ende gar mit mir verwandt sein?«

      Dabei prüfte er wieder unsere Kleider, die von Sonnenschein und Regen allerdings etwas arg mitgenommen waren, und – griff mit der Hand in die Tasche.

      Der Vater, dem in seinem genealogischen Eifer diese Wendung völlig unerwartet kam, stand einen Augenblick sprachlos. Der Baron aber hielt uns nachlässig ein Geldstück hin.

      Da trat ich rasch einen Schritt vor, nahm ihm den halben Gulden aus den Fingern und lachte ihm hellauf und lustig ins Gesicht. Dann machte ich eine tiefe Verbeugung und sagte, noch immer lachend: »Schönen Dank, Herr Vetter, der kommt zum ewigen Gedächtnis an meine Uhrkette!«

      Ich weiß nicht, was so sehr wirkte: war es mein Lachen oder waren es meine Worte. Aber die Wirkung war vollkommen da; der Baron verbeugte sich höflich und sagte: »Verzeihung, meine Herren, es ist hier sehr dunkel. Ich glaube, etwas Arges gethan zu haben. Ich kann es wohl durch nichts mehr gut machen!«

      »O ja,« versetzte nun der Vater mit feinem Lächeln, »wenn Sie uns alles sagen, was Sie über unser Geschlecht wissen.« – –

      Wir haben nach diesem komischen Empfang einen sehr schönen Abend mit dem wohlthätigen Vetter verbracht, und er hat uns auch alles erzählt, was er von der Vergangenheit wußte. Aber es war nicht viel, und die alte Urkunde besaß er – nicht.

      Den halben Gulden trage ich heute noch an meiner Uhrkette und schaue ihn oft mit stillem Behagen an. Wenn einer auf Geneanomie, Genealogie, Heraldik und Sphragistik reist, dann verdient er wohl selten einen halben Gulden. Uns aber war das Glück hold gewesen.

      Der Eisenhammer.

       Inhaltsverzeichnis

      Sie ist hoch auf die Felsen gebaut, eine uralte Stadt. Sie hat nur eine einzige breite Straße, aber eine Menge von reinlichen Seitengäßchen, und um ihre Mauern schlingt sich gleich einem Kranze ein Laubgang von Lindenbäumen. Vor Zeiten war sie ein berühmter Fürstensitz, und dort, wo die Felsen so schroff ins grüne Thal abfallen, erhebt sich heute noch das große Schloß mit seinen vielen hundert Fenstern. Aber die alte Herrlichkeit ist versunken, längst haben sie den letzten Herzog unter die kühlen Steinplatten der Kirche zur Ruhe gelegt, die stolze Residenz ist zum Gefängnis geworden, vergrämte Gesichter schauen aus den erblindeten Scheiben hinaus in das wellige Land, und die Fürstenstadt hat sich in ein Landstädtchen verwandelt.

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