Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ auch ganz in der Ordnung. Die Gäste brachten die Freiheit, da konnte man schon ein Übriges tun.

      Wo sie nur die Freiheit verborgen hatten? Irgendwo mußte sie sein. Vielleicht auf den erbärmlichen Karren, die hinterdrein rasselten? Auf den Karren, hinter deren Tüchern die Weiber mit den frechen Augen hervorguckten, die Weiber mit den plärrenden Kindern?

      Es war vieles gar sonderbar an diesen Franzosen. Aber eines mußte doch wahr sein – sie hatten die Freiheit bei sich. Wartet nur, sie werden schon ihre Tornister aufmachen zur rechten Zeit. In den Tornistern muß die Freiheit stecken. Kein Zweifel. Oder in den seltsamen dicken Wülsten, die manche von ihnen um die Hälse geschlungen haben. Was sollte sonst in diesen Wülsten sein?

      Und die guten Bürger trollten mit ihren Packen zu Tale, und es war ihnen doch heimlich zu Mute wie Kindern vor Weihnachten – irgend eine Überraschung mußte es geben.

      *

      Chasseurs waren auch noch dazu gekommen. Eine Stunde nach den Fußsoldaten. Und wenn die schmutzigen Fußsoldaten zum Fürchten ausgesehen hatten, so waren diese zerlumpten Reiter ein grausiger Anblick für den erschrockenen Bürger. Fast aber hätte es nun noch grimmigen Streit gegeben zwischen den Söhnen der Freiheit zu Fuß und denen zu Roß. Da schlug ein Teil der Fußsoldaten vor dem Bachtor drunten ein kleines Lager, die Chasseurs und der Rest der Infanterie aber blieben in den Bürgerquartieren.

      Auf dem Marktplatze standen in Reihen die Pferde, stampften und wehrten sich der Bremsen und fraßen gierig den gelben Hafer, den man aufgeschüttet hatte. Rund um den Grafenbrunnen qualmten die Feuer und sandten ihren Rauch zum blauen Himmel empor. Soldaten und Frauensleute sotten und brieten und schrieen wild durcheinander. Da lag einer in Hemd und Hose auf dem Rücken, und ein Heubündel war seines Hauptes Pfühl; selbstzufrieden streckte er alle Viere von sich und blinzelte hinauf in die rauchige Luft. Dort saßen etliche in schwarzgrauen, durchlöcherten Hemden und flickten ihre Hosen und schrieen. Ringsumher an den Häusern waren die Fenster offen, und ringsumher klang Lärmen und Schreien, Fluchen und Singen aus den Stuben. Vor den Haustüren, auf den Steinbänken saßen sie zu dritt und zu sechst, hatten Kübel vor sich und wuschen ihre zerschundenen Füße, lachten und schrieen. Reiter sprengten durch die Gassen, Bürger rannten mit verstörten Gesichtern dahin und dorthin. Halbwüchsige Buben trieben sich neugierig und sorglos zwischen den Rossen und Lagernden umher, wurden dahin und dorthin gerufen, schleppten Heubündel und Kübel mit Wasser.

      In einem schmalen, dreistöckigen Hause stand ein Chasseur am offenen Fenster des obersten Stockwerkes, beugte sich weit hinaus und schrie seinen Kameraden zu, er habe gut Quartier. Und johlend antworteten sie ihm von unten, und ihrer etliche stürmten gegen die verschlossene Haustüre und hieben mit Gewehrkolben und Säbelkörben auf die Füllung. Lachend ging der droben zurück in die Stube. Aus allen Fenstern der Nachbarschaft guckten gebräunte, wilde Gesichter. Der Chasseur kam wieder ans Fenster und warf einen Brotlaib hinunter. Geschickt fing ihn einer mit der Spitze seines Säbels auf, und die andern brüllten ihm Beifall. Nun ließ der droben an einer Schnur ein großes Stück Fleisch herunter. Es bewegte sich im Kreise über einem hüpfenden Haufen und kam langsam in greifbare Nähe. Zehn, zwanzig Hände streckten sich dem fetten Brocken entgegen, zwei Hände packten ihn, und ein Dutzend Kerle lagen balgend auf dem Pflaster. Da tauchte droben am Fenster unter der roten Mütze der Freiheit ein zorniges Gesicht auf, und der arme Hausvater begann mit dem mildtätigen Soldaten um eine volle Flasche zu ringen. Aber der Gast war stärker und stieß mit Hohnlachen den Wirt zurück, band die Schnur um den Hals der Flasche und ließ sie herunter. Abermals streckten sich die gierigen Hände aus, und wieder lagen die Söhne der Freiheit zu Dutzenden zappelnd im Knäuel auf dem Pflaster. Einer hielt die Flasche hoch und ein anderer wollte sie ihm keuchend entreißen. Da warf jener die Flasche im Bogen hinaus über den Knäuel, daß sie mit Klirren zerschellte.

      *

      Kurz vor Mittag war's. Da ging ein Trommler durch die Gassen, ging um den Marktplatz und endlich hinunter zum Tore, und ein Soldat mit einem großen Stück Papier in der Hand folgte ihm. Der Soldat aber war ein Deutscher, und gut deutsch hörte sich an, was er mit schreiender Stimme verlas. Beide waren noch nicht beim Bachtor angekommen, da öffneten sich schon hier und dort die Haustüren, Männer und Weiber traten heraus und strebten nach dem Platze vor dem Rathause. Demütig kamen die guten Bürger und brachten den französischen Offizieren, was man ihnen zu bringen befohlen hatte.

      Die Fremden wollten Ordnung haben – wer konnte ihnen das verdenken? Scharfe, spitzige Gegenstände oder gar solche, die gelegentlich losgehen konnten, gefährliche Werkzeuge der Art gehörten nicht in die Hände der Unmündigen.

      »Ordnung muß sein, ich verstehe das wohl,« sagte Meister Koram und nahm die verrostete Hellebarde, die von einem Urahn her im Winkel auf dem Speicher lehnte, schulterte sie, schritt würdevoll, der allerersten einer, quer über den Marktplatz und legte seine Waffe auf das Pflaster. Und er freute sich, als die guten Franzosen so herzlich lachten über ihn und seine rote Mütze und über das rostige Eisen aus Karls des Fünften längst versunkener Zeit.

      »Was bedarf die Freiheit des Eisens?« deklamierte Studienlehrer Pieperich und durchstöberte seine Wohnung, bis er in einer Schublade zu hinterst eine Reiterpistole fand. »Aber ich bitte dich, Pieperich, laß mich doch das rostige Ding putzen. Was müssen sonst die Franzosen von einer deutschen Hausfrau denken?« bat seine Eheliebste. »So putze sie,« äußerte sich Pieperich gelassen. »Madame, du vin!« schrie einer draußen und stieß etwas ganz Hartes mit Nachdruck auf die Dielen. »Nun sind sie schon wieder fertig mit dem vollen Krug,« jammerte Frau Pieperich. »Gib ihnen, sind brave Knaben,« sagte Pieperich mit Würde. Und während die Frau in den Keller eilte, ergriff er die Waffe so wie sie war, schritt hinaus auf den Markt und opferte sie am Altare der Freiheit. Verächtlich riß ihm der Kapitän die Pistole aus der Hand und begann mit kreischender Stimme zu schelten. Und wie ein Schulknabe stand der Bürger Pieperich vor dem kleinen Franzmann mit dem dunkelroten Gesicht, der immerfort seine flache Hand auf die Pistole schlug. Und jetzt erst bemerkte der gelehrte Herr, daß der unglückseligen Pistole der Hahn fehlte. Da nahm er sein Französisch zusammen und begann sich stotternd zu entschuldigen. Trotz aller Demut aber konnte er dem Wütenden nicht überzeugend zu Gemüte führen, daß es ihm gänzlich fern liege, die französische Republik zu beleidigen. Und betrübt trollte er um die Kirche zu seiner Behausung.

      Dort vor der Türe, über der die schönen Worte standen artibus et litteris, hielt jetzt eine große Reisekutsche, und auf dem Bock neben dem Kutscher saß ein grimmiger Soldat mit einem Gewehr im Arm. Aber es war kein Franzose, sondern ein Preuße. Da ging dem Studienlehrer Pieperich eine Ahnung auf, und mit gesenktem Kopfe schlich er die Treppe zum Vorplatz empor.

      »Aber Frau Mama, wie kommen Sie heute zu uns?«

      »Wie du siehst, zu Wagen, lieber Pieps.« Die gebietende Dame stand hochgeschürzt im schweren Reisemantel mit der pelzgefütterten Haube auf dem Kopfe, und ihre Füße staken trotz der Hitze in Pelzstiefeln.

      Pieperich bekam einen roten Kopf. Denn das mochte er von der Welt nicht leiden, wenn ihn seine Schwiegermama schlechthin Pieps nannte.

      »Also nur geschwinde, lieber Pieps, ihr Kinder kommt zu uns, solange die Unordnung bei euch währt. Das Notwendigste wird in einer Viertelstunde gepackt sein.«

      »Und wer bleibt dann in unserer Wohnung?«

      »Auch dafür ist gesorgt,« sagte die Königlich preußische Oberamtmännin, und auf der Schwelle der Küche erschien die kleine verhutzelte Gestalt der wohlbekannten Oberamtmannsköchin. Hinter ihr aber der sechs Schuh lange Bediente des Oberamtmannes.

      »Genügt diese Besatzung?« fragte die Gestrenge triumphierend.

      »Und woher wissen Sie denn, ob ich will?« versuchte sich Pieperich aufzulehnen.

      »Ei СКАЧАТЬ