Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ kurzsichtigen Augen, und Meer muß Meer sein, und sind beide voneinander geschieden für alle Zeit. Darum lasset sie toben und wartet auf die endliche Scheidung!«

      Der alte Herr saß stille in seinem Stuhle; der Erbgraf trat neben seine Mutter und griff nach ihrer Hand, beugte sich tief herab auf diese Hand und küßte sie voll Ehrfurcht.

      Noch einmal fuhr die Linke der Gräfin liebkosend über den Scheitel des alten Mannes, während die Rechte dem Sohne mit festem Druck seine Liebe vergalt.

      »Ich muß jetzt sehen, ob unsre braven Grünröcke versorgt sind. Und dann ziehe ich mich zurück. Schlaft wohl!«

      Sie ging aus der Türe.

      Der Erbgraf ließ sich auf ein Knie nieder, faltete die Hände auf der Armlehne des Stuhles, und seine Augen suchten die Augen des Vaters.

      »Die Frau Mama ist eine herrliche Frau; immer findet sie das Richtige – ihr Gottvertrauen ist unerschütterlich, und sie kommt mir zuweilen vor wie eine germanische Seherin, von denen die Römer erzählen.«

      Der alte Herr machte ein grimmiges Gesicht und kämpfte mit dem Weinen: »Weiß wohl, bin ihrer gar nicht wert – so ein – alter – häßlicher Hengst.«

      Unbekümmert aber fuhr der Sohn fort: »Mit Ihrer Permission, Herr Papa. Die gemeinsame Liebe zu diesem Engel in Menschengestalt sollte doch mächtig genug sein, auch die Steinchen des Anstoßes zwischen uns beiden aus dem Wege zu räumen.«

      »Dummes Zeug!« Der Alte schob den Sohn unwirsch zur Seite. »'n Engel ist sie niemals gewesen, und der Graf Johann hätte auch niemals 'n Engel geheiratet.« Er stand auf. »Aber so bist du, immer im Überschwang wie ein bleichsüchtiger Backfisch. Deine Mutter steht mit zwei Beinen auf Gottes Erdboden, und nur der Kopf ragt zum Himmel empor. Und so ist's recht. Sie hat einen guten, einfachen Glauben, und an dem hab' ich mich oft schon auferbaut. Und so ist sie eine ganze Frau, eine Reichsgräfin von der Haube bis zum Saum ihrer Schleppe – aber kein Engel, dummes Zeug – ich bitt' mir's aus.«

      Der alte Kammerdiener hatte seinen Herrn entkleidet und ihn zu Bett gebracht wie ein Kind. Jetzt lag der regierende Herr auf dem Rücken und hatte die Hände über der Brust gefaltet.

      »Die verheirateten Grünröcke sind fort?« fragte er.

      »Sind alle fort, hochgräfliche Exzellenz. Wie auch der Herr Erbgraf.«

      Der Alte nickte. »Mag er reiten, der Besserwisser. Und die Zugbrücke ist wahrhaftig aufgezogen?«

      »Sie arbeiten noch daran, Exzellenz. Es ist alles verrostet. Aber in kurzem wird sie droben sein.«

      »Beten!« befahl der Graf.

      Da kniete der Weißhaarige am Bette nieder und faltete die Hände. »Welches Lied befehlen Eure hochgräfliche Exzellenz?«

      »Das Wald- und Feldlied,« entschied der Graf.

      Da betete der Diener:

      »Nun ruhen alle Wälder,

       Vieh, Menschen, Städt und Felder,

       es schläft die ganze Welt.

       Ihr aber, meine Sinnen,

       auf, auf, ihr sollt beginnen,

       was eurem Schöpfer wohl gefällt.«

      Und er betete in tiefer Andacht, mit schöner Betonung alle Strophen des alten Liedes.

      Dann sagte der Graf: »Wir haben Uns heute sehr wehe getan.«

      »Die Menschen können's nimmer verantworten,« seufzte der Diener.

      »Du bist eine gute Haut. Du kannst nun gehen. Und du tätest niemals Revolution gegen Uns machen, gelt?«

      »Niemals,« beteuerte der alte, wackelige Mann.

      *

      Es ging auf Mitternacht.

      Draußen an der Freitreppe des Doktorhauses hielt ein gräflicher Reitknecht mit zwei gesattelten Pferden und einer Traglaterne, und in der großen Stube des Arztes, gleich unten zur Linken neben dem Hausflur, stand der Erbgraf. Auf dem Schreibtische brannte eine Talgkerze.

      Der Graf war reisefertig und hielt den Reitstock in der Hand. Der Doktor lehnte am Kachelofen.

      »Auch ich bin kein Prophet,« sagte der Doktor. »Aber kläglicher und erbärmlicher – verzeih' mir – als unter der Regierung eines Kanzleidirektors Blitz kann's doch nicht zugehen, wenn die Franzosen kommen.«

      »Den habt ihr ja glücklich losgekriegt heute abend,« meinte der Erbgraf. »Doch wer führt nun eigentlich das Regiment in meines Vaters Stadt, wenn ich fragen darf?«

      Der Doktor schwieg.

      »Vielleicht der Schneider Koram?« erkundigte sich der Erbgraf.

      »Und schlimmer als die Kaiserlichen können die Franzosen auch nicht sein,« sagte der Arzt.

      »Doktor, wir hatten nicht zu klagen über die Kaiserlichen. Auch nicht über die Freikorps.«

      »Und warum hatten wir nicht zu klagen?« Der Arzt ballte die Fäuste. »Weil ihr zufällig mit ihrem General vervettert seid.«

      »Vervettert. Also gut, Doktor, so hatte man die kaiserlichen Freikorps wenigstens – wie sag' ich doch gleich? – die hatte man in der Hand, gleichviel auf welche Weise. Aber zwischen uns und diesen Franzosen gibt's vorderhand nichts, rein gar nichts Gemeinsames.«

      Der Arzt reckte sich: »Was sag' ich denn? Wegen der Vetternschaft, nur wegen der Vetternschaft haben die Kaiserlichen draußen, hinter den hochgräflichen Dörfern, geplündert und geraubt, und um die hochgräfliche Residenz und die Dörfer sind sie herumgegangen. Nur wegen der Vetternschaft! Wenn doch –!« Seine Stimme hatte sich erhoben. »Wenn doch der Satan das ganze Wort stückweise verschlänge! Das ist ja die Seuche, an der wir alle krank sind im heiligen römischen Reich – die Vetternschaft. Bei Gott – ich weiß wohl, es muß sich immer wieder zueinander gesellen, was vom gleichen Blute stammt, und ist auch also recht und gut mit Maß und Ziel. Aber zur Seuche darf's nicht werden. Recht und Billigkeit müssen stärker sein als Fleisch und Blut, und da ist der Mensch am größten, wo er Gerechtigkeit übt wider sein Fleisch und sein Blut. Aus dem kleinsten Vereine von Mann und Weib und aus dem Häuflein der Kinder einer Hütte ist das Volk emporgewachsen. Aber das Glied ist geringer als der ganze Leib, und wenn sich das Glied ein Vorrecht herausnimmt vor dem Ganzen, dann geht das Ganze in Brüche.«

      Der Graf hatte sich einen Stuhl genommen, saß nun rittlings und stützte das Kinn auf die Lehne.

      »Bist du fertig?« fragte er. »Gut. Und wem predigst du eigentlich dies alles?«

      »Ich muß mich aussprechen,« murrte der Arzt.

      »Also was Neues hast du mir gottlob doch nicht sagen wollen, Doktor?« Er sprang auf und hieb ein paarmal durch die Luft. »Wer ist mit euch auf hohen Schulen gesessen und wer hat mit Strömen von Bier begossen, was in ihm glühte wie in jedem von euch? Und wer hat mit euch den heiligen Bruderschwur getauscht, wer hat seinen Adel gegen die Freiheit, seine Vorrechte gegen die Gleichheit zu Markte getragen und dem Zorn seines Vaters und« – er lachte laut auf СКАЧАТЬ