Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ und sind bereit Tag und Nacht.«

      »Ganz ungerufen,« wiederholte der Graf leutselig. »Und warum denn?«

      »Schlechte Witterung, hochgräfliche Exzellenz,« sagte der Forstmeister. »Habe mir heute vormittag schon gedacht – wer weiß – –? Und habe Boten laufen lassen zu meinen Leuten.«

      Wohlgefällig nickte der alte Herr. »Unsre Soldaten, die müssen Gänse hüten, Federn schleißen, und Unsre Federfuchser und Tintenschlecker müssen in ihre Hosen –. Nur Unsre Grünröcke, auf die können Wir Uns halt verlassen. Aber wißt ihr denn nicht,« – er trat nahe an die Forstleute – »die Franzosen kommen, da solltet ihr bei euern Weibern und Kindern bleiben und nicht an euern alten Herrn und Landesvater denken – was?«

      Ein schneeweißer Förster sagte ehrerbietig: »Wer von uns verheiratet ist, der hat Weib und Kinder in Sicherheit gebracht, hochgräfliche Exzellenz.«

      »Wo ist Sicherheit in solcher Zeit?« fragte der Graf und sah freundlich auf den Sprecher.

      »Hochgräfliche Exzellenz, da weiß jeder von uns einen Unterschlupf, den ihm keiner so leicht ausspürt,« sagte der Förster.

      »Kann sein,« erwiderte der Graf nachdenklich. »Aber trotzdem, die Verheirateten unter euch – wie viele?«

      »Neune,« meldete der Forstmeister.

      »Also die neune können etliche Stunden ausruhen und dann – keine Widerrede – marschieren sie heute nacht noch ab zu Weib und Kind. Die andern bleiben zu Unserm Schutze hier oben.«

      Stille standen die Grünröcke. Die Koffer waren wieder abgeschnallt, und im Schritt fuhr die Reisekutsche in den Vorhof hinaus.

      Erregt stieß der Graf seinen Stock aufs Pflaster: »Seht, Leute, da wären Wir nun auf ein Haar bei Nacht und Nebel aus Unserm Schlosse fortgefahren. Aber da ist die Kanaille heraufgekommen und hat Uns wollen abschieben.« Er schüttelte den Stock gegen den Torbogen hin. »Uns, ihren Landesvater!«

      Der Forstmeister reckte sich. »Leute,« rief er mit schallender Stimme, »wer ein treuer Gräflicher ist, der rufe mit mir aus voller Kehle – Seine hochgräfliche Exzellenz, unser allergnädigster Landesherr, vivat hoch!«

      »Vivat hoch!« schallte es aus rauhen Kehlen zum nächtlichen Himmel empor.

      Der Graf hatte sein Haupt entblößt. Jetzt trat er zum Forstmeister und schüttelte ihm die Hand. Tränen rollten über seine Wangen. »Dank euch, ihr Leute, ihr habt Uns unsäglich wohlgetan. Aber nun laßt euch Essen und Trinken schmecken unter Unserm Dache. Und du bist Unser besonderer Gast, lieber Forstmeister.«

      Langsam ging er über den Hof. Am Portale des Schlosses standen die Räte mit dem Direktor in einem dunklen Häuflein. Einen Augenblick machte er halt vor seinen Beamten und musterte jeden von ihnen. Dann griff er an den Hut, nickte und verschwand.

      *

      Schneider Koram ging mit den andern die staubige Landstraße hinunter ins Städtlein. Sein Schädel tat ihm weh, und er fluchte leise vor sich hin. Verschwor sich, hauen hätte er den alten Mann wohl können, aber nicht mögen. Rächen wolle er sich, gewiß und wahrhaftig, noch einmal an Seiner Exzellenz.

      Später, ja später, nachdem es ihm so schlecht ergangen, ward er anders gesinnt. Und sie fragten ihn zuweilen: »Schneider Koram, ei, warum hast du denn dem Grafen nicht wieder eins übergezogen?« Da pflegte er nachdenklich zu antworten: »Ei, ich könnte nun sagen, weil er ein alter Herr war. Aber das wäre gelogen. Wißt,« – und er legte dann immer den Zeigefinger an die Stirn und sah tiefsinnig aus – »wißt, solch ein Herr hat etwas – es ist doch anders, wenn ich vor solch einem stehe als vor Gevatter Schuster und Schmied. Er hat's in seinen Augen; mit denen kann er einen fernhalten – – so fern als er will.«

      *

      Im Zimmer des regierenden Herrn brannte eine Öllampe, und ihre schwache Flamme warf einen Lichtkreis empor an die vertäfelte Decke.

      Der Graf war in den Lehnstuhl am Kachelofen gesunken – an dem Kachelofen, der das Wappen des Hauses und acht Ahnenwappen eines Vorfahren in gebranntem Ton trug und schon sechs Geschlechter gewärmt hatte.

      Die Gräfin saß auf einem schmalen Sofa, hochaufgerichtet, ohne sich anzulehnen. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet, und ihre guten, lieben Augen schwammen in Tränen. Am Fenster, neben einer Palme, stand der Erbgraf.

      Der Regierende sah bleich und verfallen aus. Drunten im Hof, ja, da war er der große Herr gewesen; aber jetzt, inmitten der Seinen, war er der alte Mann, der sich mit Entsetzen in einer Zeit fand, die er nicht mehr verstehen konnte.

      »Ich habe mir sehr wehe getan,« sagte er mit schwacher Stimme. »Es geht zum Ende. Die Kanaille springt uns an den Hals. Und nun kommen die Franzosen und bringen ihre Guillotine. –« Er stand mühsam auf. »Man ist sorglos gewesen, man hat gelebt, als hätten alle unsere Institutionen ewige Dauer, und man hat die Nattern wachsen lassen. Man hätte ihnen beizeiten die Köpfe zerdrücken sollen.«

      Der Erbgraf murrte leise.

      »Hast du etwas zu bemerken?« fragte der alte Herr und begann auf und ab zu wandern.

      »Ja wohl, Herr Papa. Man hat gelebt, als wäre das Volk allein für den Adel geschaffen. Man hat sich in den Gedanken einer Gottähnlichkeit hineinphantasiert und ist so ferne gewesen wie nur jemals von Gott. Nun aber graut einem, weil Titanen von unten emporklettern und grobe Steine in die mühsam geschaffene Herrlichkeit werfen.«

      »Titanen!« Der alte Herr richtete sich straff auf. »Solche Titanen wie der Schneider Koram einer ist – die zerdrücke ich heute noch mit zwei Fingern. Die Masse ist's! Die Masse zerbricht die Zäune, und die Masse wird uns den Garaus machen. – Aber ich weiß schon, du bist auch solch ein Jakobiner.«

      »Herr Papa, ich bitte Sie –!«

      »Still, still! Und wann haben denn wir vom Schweiße des Volkes gepraßt? Schlecht und recht haben wir gelebt als die Schutzherren des Volkes, haben Freude mit ihm geteilt und sind im Leid gewesen wie seinesgleichen – Weißt du noch, wie sie den Ahnherrn Joachim haben mit Tränen gebeten, daß er bei ihnen bleibe – damals – –?«

      »Im dreißigjährigen Kriege, Herr Papa. Es ist schon lange her und steht in der Chronik geschrieben.«

      »Und heute?« Der alte Herr stampfte. Dann aber ging er Schritt vor Schritt an den Lehnstuhl und sank hinein.

      Die Gräfin hatte sich erhoben und trat neben ihn: »Du kannst es zwar nicht leiden, wenn Frauen in solchen Sachen mitreden, Geliebter –«

      »O sprich nur, sprich nur!« Er ächzte. »Alle Ordnung geht ja aus den Fugen. Warum solltest du dann nicht auch dreinreden dürfen?«

      »Ich will nichts reden von diesen Zeitläuften,« sagte sie und fuhr liebkosend über seinen Scheitel. Sie atmete tief auf und faltete die Hände unter der Brust. »Aber das weiß ich und steht mir unverrückt, und wenn sie uns das Schloß heute nacht herunterbrennen: Wider die göttliche Ordnung können sie niemals.« Sie richtete die Augen empor, beugte das Haupt zurück und sagte feierlich: »Was toben die Menschen gegen die Gesetze Gottes? Und ist ihnen doch alles so fest bestimmt, wie dem Strome sein Bett und wie dem Meere sein Becken. Und wenn auch der Strom die gelben Fluten weithin rollen läßt über Äcker und Wiesen und Dörfer, er muß dennoch wieder zurück in sein Bett nach abgemessener Zeit; und wenn auch das Meer seine Wogen СКАЧАТЬ