Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
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Название: Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831439

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СКАЧАТЬ dieselbe Stunde hielt am Hause des Handelsmannes Ehrhardt ein großer Frachtwagen. Kiste um Kiste wurde aus dem Tore gebracht und auf den Wagen geladen. Dann steckte man die Reifen darüber und spannte die Leinwand. Vier starke Pferde zogen den Wagen die Gasse hinunter zum Bachtor hinaus – hinüber ins Preußische.

      So bereitete sich der Handelsmann zum Empfange der Franzosen. –

      Da und dort in den Häusern und Höfen und Gärten blinkte ein Licht, wo sonst um diese Stunde kein Licht zu sehen war.

      Soldaten werden kommen! Ei nun, wenn Soldaten kommen, dann muß man vergraben, was gleißt und was funkelt. Freunde sind's! Freunde? Ei was: Soldaten sind's, und vor Soldaten hat man noch immer vergraben, seit Menschengedenken, was gleißt und was funkelt. Warum jetzt auf einmal nicht? Nützt es nichts, dann schadet's nichts.

      Auch Frau Lotte war von ihrem Lager gestiegen, hatte eine Blendlaterne an sich genommen, ein Stemmeisen und eine kleine Blumenschaufel, und hatte sich in ihre schöne Küche begeben. Es war mäuschenstille in dem weitläufigen Hause. Rötlich strahlte das reiche Kupfergeschirr von den weißen Wänden, und die Solnhofer Platten des Fußbodens blinkten in untadeliger Reinheit. Der Kupferrand des Herdes funkelte.

      Frau Lotte stellte ihre Laterne auf den kalten Herd, zog die dunkelgrünen Vorhänge vor die Fenster, verschloß die Türe und blickte prüfend umher. Da sah sie die beiden kupfernen Wasserkannen mit den blinkenden Bäuchen, breiten Schnäbeln und starken Henkeln, die dort standen, wo sie billigerweise stehen mußten in jeder ordentlichen Küche, auf niederm Schemel, nahe am Herde. Und sie ging und hob die vollen Kannen herab, stellte sie seitwärts auf den Boden und rückte den Schemel in die Mitte der Küche. Dann kniete sie nieder und hob mit dem Stemmeisen eine von den großen Platten heraus.

      Sie hatte lange zu arbeiten; ganz leise und sehr behutsam. Und erst als es halb zwei Uhr schlug, war sie fertig. Wie vordem blinkten die Bäuche der kupfernen Kannen, glänzte der frischgewaschene Steinboden. Aber im Hofe drunten, in der Abfallgrube unter den morschen Brettern, lag ein Häufchen Sand und Schutt.

      Frau Lotte kam wieder in die Küche und warf noch prüfende Blicke umher. Dann löschte sie das Licht aus, zog die Vorhänge zurück und sah hinaus in den Hof. Drüben in der Giebelwand, weit drüben über den Kastanienbäumen, wo der Altkleiderhändler wohnte, war ein Fenster offen, und eine dunkle Gestalt beugte sich heraus.

      Frau Lotte erschrak. Aber dann sagte sie vor sich hin: »Was kann er gesehen haben? Mein Männle ist unpaß geworden, und ich habe Wasser gewärmt. So werde ich den Mägden morgen erzählen.«

      Der Trödler aber zog sich vom Fenster zurück. »Was hat sie getan, die gestrenge Frau, mitten in der Nacht, in ihrer Küche allein? Hat sie Wasser gekocht, zu wärmen das Bett im Sommer? Ich hab' aber doch nicht gesehen, daß der Rauch ist aufgestiegen aus dem Kamin, und ich hätt's doch sehen müssen, weil sie so hell scheinen, die Sterne, wie damals, wo sie hat zählen sollen der Erzvater Abraham. Und was hat sie gewollt im Hof, und was hat sie in die Grube geschüttet? Ist sie's gewesen, oder ist sie's nicht gewesen? Sie ist es gewesen, ich hab' mich gewiß nicht getäuscht.«

      *

      Auch Konrektor Knorzius hatte Licht in seiner Stube des Morgens um zwei Uhr. Er saß an seinem Schreibtisch und trug etliche Zeilen in ein dickes Quartheft ein. Seine Schrift war sauber, die Buchstaben standen gerade und spitzig, und spöttisch lächelte das kluge Gesicht auf die Sätze herunter.

      »Ihr Toren erwartet, daß euch der Strom der Ereignisse auf seinem schmutzigen Rücken die schöne Veränderung eurer Lebensverhältnisse heranträgt. Ich aber bin überzeugt, daß jeder Machthaber zuerst und zuletzt nur für sich sorgt, und ich weiß, daß sich im Antlitze meiner Umgebung überhaupt nicht viel zu verändern vermag. Der Kraftvolle wird Herr sein. Und in seinen Zwecken wird es liegen, daß er zuletzt doch wieder mich und jeden schützt, der sich hütet, ihm ein Hindernis zu werden. Er mag von mir die üblichen Abgaben verlangen, die vordem ein anderer empfangen hat; übertriebene Forderungen regelt von selber die Zeit – sintemal ein Korn immer nur eine gewisse Anzahl von Körnern hervorbringt. Und nach wie vor wird im Frühling der Wein blühen und im Herbste die Traube reifen, wird im Winter die Erde schlafen und im Lenz mit schamhaftem Lächeln den grünen Teppich breiten über ihre ewige Verwesung. Ich aber werde mich ruhig verhalten nach außen, und also wird es mir vergönnt sein, ruhig zu wohnen in meiner Studierstube wie auf einem Eilande, von Zeit zu Zeit über den Rand eines Buches meiner Wahl hinauszublicken auf den lächerlich kleinen Ausschnitt meiner nächsten Umgebung, Vaterland genannt, und mich zu freuen an der alten, immer neu zu entdeckenden Wahrheit – daß alles im Grunde so ist, wie es gewesen und wie es sein wird in alle Zeitlichkeit, Amen. – Weil ich aber den Geruch massenhaft versammelter Menschen verabscheue, gedenke ich den anmarschierenden Soldaten auszuweichen. Ausweichen ist ja doch des Lebens allerfeinster Weisheitsschluß. Weib und Kind habe ich nicht, Bücher sind kaum in Gefahr, wenn solche Feinde kommen. Also werde ich Geld in meinen Beutel tun und weit hinein in die Wälder marschieren.

      Ich werde tun, was einst Charon wollte, ich werde von Bergeshöhe herab mit Lachen rufen auf Freund und Feind: Ihr Toren, was bemüht ihr euch also? Laßt ab, ihr werdet nicht ewiglich leben. Nichts von dem, was euch erhaben dünkt, ist von ewiger Dauer.

      Meine Bedürfnisse sind gering, mühelos vermag ich sie zu stillen bei meinen Freunden, den Köhlern. Es gibt noch manche Flechte, die in meiner Sammlung fehlt. Ich fürchte zwar nicht, daß Flechten und Moose sich verändern werden in den heraufziehenden Zeiten der Republik. Aber augenblicklich habe ich Sehnsucht nach denen des Kaisertums deutscher Nation. Ergo eamus!«

      Und er legte sich in Kleidern auf sein Bett und schlief noch zwei Stunden. Dann stand er auf, hing seine Tasche und seine Blechtrommel um, nahm Hut und Knotenstock und schloß seine beiden Zimmer ab.

      Zufriedenen Herzens pilgerte er durch die stillen Gassen hinunter ans Bachtor. Der hochgräfliche Soldat kam verschlafen aus der Wachstube, kam und machte die Hand hohl, dienerte und öffnete das Pförtlein.

      »Botanisieren, Herr Konrektor?«

      »Botanisieren, mi care asine,« kam die Antwort von der Holzbrücke her.

      4. Les citoyens

       Inhaltsverzeichnis

      Tag war's, ein wundervoller, taufrischer Sommertag. Von fernher auf der Straße schien eine langgestreckte Staubwolke zu wandern. Sie wanderte, wie sie gestern gewandert war und ehegestern und manche Tage her, hügelauf, hügelab. Zwischen Stoppelfeldern und Wiesen, über Heideland und im Schatten der Bäume.

      In dieser Wolke dröhnten Schritte, klirrten Waffen, rasselten und ächzten Wagen, klapperten Hufe. Und Menschen und Tiere waren gebannt in die Wolke, die mit ihnen zu wandern schien und sich doch unter jeder Stiefelsohle und jedem Huftritt immer wieder von neuem erhob.

      Weit hinten, gegen Westen zu, hinter dem großen Walde, liegt das erste Dorf der Grafschaft im breiten, sonnigen Tale. Aber das Dorf ist öd und verlassen. Und hoch darüber am Saume des Waldes, unsichtbar von unten, sitzen und stehen Flüchtlinge und spähen hernieder auf die wandernde Wolke im Tale.

      Ihr dummen Bauern, wißt ihr denn nicht, daß die da drunten die Freiheit bringen? Du steinalter Mann dort an der Eiche, hörst du denn nicht? – die Freiheit, die Erlösung aus der Knechtschaft, die Rettung aus der bösen Dreiheit Zehent, Gült und Fron!

      Er hat's gar wohl gehört, seit Wochen schon, aber er preßt die schmalen Lippen aufeinander und schüttelt das kahle Haupt. Weit über Menschengedenken zieht die Straße durchs Tal, und СКАЧАТЬ