Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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      Nein, diese idiotische Komödie! Wenn man lügt, so sollte man sich wenigstens nicht auf Lügen ertappen lassen. Nun hatte er sich verraten: Marit mußte ihn für einen Lügner halten.

      Vielleicht nicht? Nein, unmöglich. Marit würde sich eher den Kopf abhauen lassen, eh sie ihn für einen Lügner hielt.

      Unmöglich. Sie glaubt, daß ich betrunken war; daran ist sie von ihrem Papa gewöhnt.

      Im Zimmer wurde es ganz hell.

      Nun müsse er sich legen. Er war sehr müde. Und wie sein Kopf brannte! Die Finger ganz heiß.

      Etwas Kühlendes! Ja, jetzt ihre Hände auf seiner Stirn!

      Wessen Hände?

      Er lachte höhnisch über sich selbst.

      Marits Hände, selbstverständlich Marits Hände hätte er jetzt auf seiner Stirn fühlen mögen.

      Marits ... Hände ...

      Draußen hörte er das laute Gezwitscher der Vögel; er riß das Fenster auf.

      Eine kühle Luftwelle schlug in das Zimmer; das tat ihm wohl.

      Er sah den dünnen Nebel von den Wiesen schwinden; die Wiese lag ganz grün – nein, violettgrün. Falk freute sich über den Ausdruck. Und oben, ganz oben weiche, lichte, sonnengetränkte Wolken von Nebel.

      Unten in den Gärten, die an die Wiese stießen, sah er Baum an Baum in weißer Blütenpracht, ein großes, wallendes Meer von Weiß, und auf der Wiese ganze Oasen von gelben Ranunkelblüten.

      IV.

       Inhaltsverzeichnis

      Falk sprang auf. Er war angekleidet auf dem Sofa eingeschlafen. Das durch die Baumschatten des Gartens gedämpfte Tageslicht fraß an dem übernächtigten Gesicht und verlieh ihm den Ausdruck einer großen ruhigen Traurigkeit.

      Seine Mutter stand vor ihm und wollte ihm ein Kissen unter den Kopf schieben.

      – Gott, was für einen furchtbaren Traum ich gehabt habe!

      – Aber, liebes Kind, du ruinierst dich ja vollständig, wenn du ganze Nächte über aufbleibst.

      – Nein, im Gegenteil, Mama, ich habe sehr gut geschlafen. Ich war nur so müde, daß ich gleich da, wo ich saß, einschlief. Das können nämlich gewisse Naturen ganz vorzüglich. Ich habe von einem Briefträger gehört, der im Gehen schlief und dabei 90 Jahre alt geworden ist. Übrigens, Mama; ich werde in diesen Tagen reisen; es ist für mich von großer Wichtigkeit, daß ich so schnell wie möglich nach Paris komme.

      Das konnte die Mutter nicht begreifen. Warum er denn überhaupt gekommen sei? Diese lange Reise, um ein paar Tage zu bleiben?! Seine Frau werde doch ein paar Wochen ohne ihn leben können. Könne er denn seiner alten Mutter nicht die Freude gönnen und noch wenigstens zwei Wochen bleiben?

      Ja, das möchte er sehr gern; Mama wisse doch genau, wie sehr er sie liebe, aber er könne unmöglich länger bleiben, er ...

      In diesem Augenblick klopfte es an die Tür.

      Marit trat verwirrt herein.

      Sie begrüßte die Mutter, indem sie ihr den Arm küßte. Falk reichte ihr mit zeremonieller Verbeugung die Hand.

      Marit wurde noch verwirrter.

      – Frau Falk dürfe es ihr nicht übel nehmen, daß sie so früh störe, aber sie sei zur Frühmesse mit Papa gekommen, und Papa habe noch etwas in der Stadt zu besorgen.

      Frau Falk entschuldigte sich zehnmal, daß noch nicht aufgeräumt sei, aber Erik, der Faulpelz, habe bis jetzt geschlafen.

      – Denken Sie sich, fuhr Frau Falk fort, er ist hier im Speisezimmer eingeschlafen, anstatt sich ordentlich ins Bett zu legen. Übrigens ist das sehr gut, daß Sie gekommen sind, Marit; Sie müssen mir helfen, Erik zurückzuhalten. Er will durchaus wegfahren.

      Marit sah erschrocken auf.

      – Wie? Sie wollen schon fahren?

      – Ja, das müsse er ganz entschieden. Er müsse anfangen, ein wenig zu arbeiten; er könne hier nichts tun.

      Marit saß wie erstarrt, und sah mit weiten, ängstlichen Augen auf Falk.

      – Übrigens habe es gar keinen Zweck, daß er so müßig dasitze; das Leben sei hier so eng, so unausstehlich eng ... Ja, Mama, teure Mama, du darfst mir das nicht übel nehmen, aber ich bin an das Weite, Große, Freie der Großstadt gewöhnt. Ich kann nicht ertragen, daß die Menschen hier sich nach mir umsehen und mich anglotzen. Und dann diese Enge, diese Enge.

      Marit saß nachdenklich da; es schien, als ob sie nichts hörte.

      – Ja, ja, sie müsse nun gehen; Herr Falk werde doch jedenfalls zur Abschiedsvisite kommen.

      Aber sie durfte nicht gehen: Frau Falk deckte den Tisch und brachte den Kaffee.

      Falk und Marit saßen sich gegenüber. Frau Falk ließ ihre klugen grauen Augen von dem Sohn zu dem Mädchen schweifen.

      Falk grübelte. Plötzlich richtete er seine Augen auf Marit und betrachtete sie aufmerksam.

      – Es ist doch sonderbar, was Sie für eine merkwürdige Ähnlichkeit mit einem Mädchen haben, das ich in Kristiania getroffen habe.

      Falk sprach ganz trocken, im berichtenden Reporterton.

      – Sie war furchtbar lieb, und um die Stirn hatte sie eine Flut von rotblonden Haaren, das sah wie die nordische Frühlingssonne aus.

      Übrigens sehen Sie ziemlich angegriffen aus, Fräulein Marit. Es ist sonderbar, daß ihr gar nicht froh werden könnt; das macht wohl eure Religion, die Fröhlichkeit für eine Sünde hält?

      Falk betonte höhnisch das »eure«.

      – Nein, nein: Mama brauche gar nicht so empört zu sein, er meine es nur so en passant.

      Wieder entstand ein Stillschweigen.

      Frau Falk sprach von ihrem verstorbenen Manne, wobei ihr die Tränen in die Augen traten.

      Marit erhob sich.

      – Sie müsse jetzt gehen. Sie könne auf Papa nicht warten; bei ihm dauerten fünf Minuten immer eine Ewigkeit, und sie habe jetzt, wo Mama im Bade sei, sehr viel zu tun.

      Falk erhob sich gleichfalls.

      – Ob er sie begleiten dürfe. Ein Spaziergang würde ihm sehr gut tun, und es sei gleichgültig, ob er die Richtung nach Johannisthal oder mit Marit nach Elbsfelde einschlage.

      – Ja, wenn es ihm Vergnügen mache ...

      Lange gingen sie stillschweigend nebeneinander.

      Falk hatte СКАЧАТЬ