Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ in meinem Traume sich wand und aufschnellte, das kam wahrscheinlich von einem andren Eindruck her. Sie wissen doch, daß ich Naturwissenschaften studierte? Ja, damals arbeitete ich im physiologischen Laboratorium und habe eine Unmenge Frösche und Kaninchen viviseziert. Ich mußte es nämlich tun, und ich habe die Tiere immer narkotisiert. Aber einmal hab ich einen lebendigen Frosch vorgenommen, ihn mit Nägeln auf ein Brett befestigt und nun die Brust und Bauchhöhle geöffnet. Der Frosch zuckte so stark, daß er an den Nägeln bis an die Nagelköpfe heraufrutschte. Nun schnitt ich ihm das Herz heraus –

      Das wollen Sie nicht hören? Nun gut, sprechen wir von etwas anderm.

      Ob ich grausam bin? Nein, durchaus nicht. Aber es wäre blödsinnig, menschliches Schmerzbewußtsein in eine tierische Psyche zu verlegen, oder mein Empfinden mit dem Empfindungsmaßstab der rohen Knechte zu messen, die mit herzlicher Freude der unmenschlichen Exekution an einem ihrer Brüder zusahen.

      Jetzt schwiegen sie beide.

      Sie kamen an einen kleinen Hain, der einen kleinen Abhang hinab bis an den See reichte.

      Es war heiß und drüben im Walde zitterte und flirrte der Mittag. Alles verschwamm in der saugenden Hitze. Der See lag schlaff und still; eine drückende Ruhe war über die ganze Gegend gebreitet.

      – Ob sie sich nicht etwas hinsetzen möchte? Er wolle sie ganz gewiß nicht belästigen. Er werde sich in respektabler Entfernung hinsetzen.

      Er legte sich im Moos lang hin; sie saß drei Schritte weiter auf einem Stein und spielte nervös mit ihrem Sonnenschirm.

      Plötzlich setzte er sich auf.

      – Warum sie denn eigentlich in die Kirche gehe? Habe sie denn nicht so viel Stolz, dort nicht hinzugehen, wo all der Pöbel hinlaufe, wo es übel rieche und die Brunst nach Glück sich so offen und so schamlos in Gebeten an den allmächtigen Herrn offenbare?

      Marit dachte nach, wie sie einmal von dem schlechten Geruch und dem Schweiß all der Menschen ohnmächtig geworden war, wie man sie dann in die Sakristei getragen und ein ekelhafter Kerl ihr dort die Taille aufgerissen hatte, damit sie zu sich komme – ach, war das abscheulich! Aber sie schwieg.

      – Verstehe Sie denn nicht, daß darin etwas stark Verrohendes liege?

      – Nein, das verstehe sie nicht, und wolle es auch nicht verstehen. Die Religion sei ihr einziges Glück, ihre einzige Zuflucht.

      – Ach so ... sagte Falk gedehnt ... Sehr gut, sehr gut.

      Falk schien furchtbar müde zu sein. Er legte sich wieder lang ins Moos und machte die Augen zu.

      Auf seinem Gesichte spielten die Schatten der Sträucher in einander; es war da ein Zug seltsamen Leidens.

      Marit dachte nach.

      Er war ein furchtbarer Mensch. Die Vorstellung der schweißriechenden Kirche wurde in ihr stärker und stärker. Ein Ekel überkam sie, der wuchs und wuchs. Sie verstand es nicht. Hatte er Recht? – Ja, und dann das ewige Herleiern von Gebeten! Sie wagte es nicht weiter zu denken. Gott, Gott, was er noch aus ihr machen werde!

      Auf Falks Gesicht wurde der Zug des Leidens deutlicher und deutlicher.

      Jetzt hätte sie sich ihm ans Herz werfen mögen und mit der Hand die gräßliche Falte des Leidens glätten.

      Wie sie ihn glücklich sehen möchte, so glücklich, so glücklich ...

      In Marits Augen zitterten Tränen.

      – Mein Gott, Falk! ... aber weiter kam sie nicht.

      Falk richtete sich erstaunt auf.

      Sie sah beschämt zu Boden und kämpfte mit den Tränen; eine rollte nach der andern herab.

      Falk rückte näher an sie heran.

      Sie schien plötzlich aufstehen zu wollen.

      – Nein, Herrgott, sie brauche keine Angst vor ihm zu haben; durchaus nicht. Wenn er etwas haben wolle, müsse man es ihm freiwillig und mit Freude geben. Nein, von selbst nehme er nichts. Nein, nein, er habe nicht die geringste Absicht, sie anzurühren. Sie könne ganz ruhig sein.

      Er starrte auf den See und die flirrende Mittagshitze drüben im Walde.

      Marit suchte wieder das Gespräch anzuknüpfen.

      – Warum er eigentlich gestern so schlecht zu ihr gewesen sei?

      Schlecht? – Nein, was sie sage ...

      Falk gähnte.

      – Schlecht? Durchaus nicht; nur betrübt sei er gewesen. Er liebe sie. Er wolle, daß sie sich in seinen Geist einlebe, ein Stück von ihm werde. Aber im Gegenteil: Alles, was er verachte, was er für niedrig und dumm halte, das verehre sie. Alles, was er ihr sagen wolle, das könne sie nicht anhören. Er, der Freie, der Herr, könne selbstverständlich nicht ruhig ansehen, wenn das Weib, das er so unaussprechlich liebe, in so elend niedriger Sklaverei hinlebe. Er, der für sich selbst Gott und das oberste Gesetz sei, werde ganz krank, wenn er sehe, wie jede ihrer Handlungen durch irgend eine Formel von vornherein bedingt sei ...

      Ja, das verdirbt, zerstört Sie mir, sprach er erregt. Sie lösen sich dadurch völlig von meinem Gehirne los. Geben Sie Almosen, so weiß ich ohne weiteres, Sie tun es, weil es in Ihrem Gesetzbuch steht: »Seid mitleidig, auf daß Ihr ins himmlische Königreich kommt.« Gehen Sie zu einem Kranken, weiß ich wieder, daß irgend eine Formel Ihnen was Schönes dafür verspricht. Für alles werden Sie entschädigt, für alles bezahlt. Fühlen Sie nicht das Niedrige, das Gemeine dieser Handlungsweise? Alles nur um des Lohnes willen; alles um der lächerlichen, eingebildeten Freuden willen, die Sie einst im Himmelreich erwarten. Ekelhaft!

      Marit wurde ganz blaß.

      Falk geriet in Wut.

      – Tun Sie doch etwas, weil Sie es müssen, nicht weil Sie es sollen! Schmeißen Sie weg, was Ihnen nicht genehm ist! Seien Sie doch Sie, nur Sie, Sie, die herrliche, wunderbare Marit ... Ja, ja, ja! in alle Ewigkeit ja! Sie sagen, daß Sie mich lieben, und eine dumme Formel genügt, um Ihre herrlichsten, gewaltigsten Instinkte zu brechen. Und nachher beten Sie dann noch zehn Rosenkränze zur Jungfrau Maria, daß sie Ihre Seele aus den Krallen des Bösen gerettet hat. Das soll Liebe sein? Das? Das Liebe, die durch eine dumme Formel gebrochen werden kann.

      Falk lachte mit wildem Hohn.

      Marit saß stumm, zitternd an allen Gliedern.

      – Ja, so antworten Sie mir doch! Das soll Liebe sein? Antworten Sie doch, was Sie unter Liebe verstehen!

      Marit schwieg.

      – Marit, antworte mir! Ich will dich nicht quälen, nein. Ich liebe dich bis zur Verrücktheit. Ich bin krank nach dir! Ja, ich weiß, daß du mich liebst, ja. Ich weiß es; nichts weiß ich sicherer ...

      Falk rückte ihr ganz nahe; er umschlang sie.

      – Nein, um Gotteswillen! Falk, Erik, nein. Quälen Sie mich doch nicht so furchtbar!

      – Ah pardon! Tausendmal pardon. – Ja, ja, ich habe mich wieder vergessen. Gott ja, es ist auch gleichgültig. Es soll niemals mehr vorkommen ... Wollen wir nicht gehen?

      Falk СКАЧАТЬ