Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays. Stanislaw Przybyszewski
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Название: Stanislaw Przybyszewski: Romane, Erzählungen & Essays

Автор: Stanislaw Przybyszewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027205639

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СКАЧАТЬ seiner Seite ging Marit, zerrissen von Schmerz. Sie bemühte sich vergeblich, ihn zu bemeistern.

      – Ja, ja; es ist alles ganz gleichgültig, wiederholte sie in ihren Gedanken.

      – Nun auf Wiedersehen! Falk reichte ihr die Hand. Sie waren an der Gartentür angelangt.

      Marit zuckte auf.

      Er darf nicht fahren, schrie es in ihr; um Himmelswillen nicht fahren!

      Sie griff nach seiner Hand.

      – Sie fahren nicht, Falk? Nein? Sie dürfen nicht fahren! Machen sie, was Sie wollen, aber fahren Sie nicht.

      Ihre Lippen bebten; sie konnte sich nicht mehr beherrschen.

      – Fahren Sie nicht! Sie machen mich sonst unglücklich!

      Ihre Stimme brach.

      Falk sah sie kalt und hart an.

      – Ja, das weiß ich nicht. Das hängt von den Umständen ab. Jedenfalls werden Sie noch von mir hören, bevor ich fahre.

      Er sagte kurz Adieu und ging.

      V.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war Nacht. Draußen raste ein starker Wind; von Zeit zu Zeit peitschte er gegen die Fenster dicke Regenschauer, die an den Scheiben winselnd niederflossen.

      Marit saß halbangekleidet auf ihrem Bette; sie hatte nicht Kraft genug, sich auszukleiden.

      Wozu auch? Sie kannte es von vielen Nächten her. Sie würde sich hinlegen, das Bett würde mit ihr im Zimmer herumtanzen, dann würde sie sich aufrichten und die Kissen zurechtrücken und in die finstere Stube hineinstarren, dann ganz aufstehen und die Stirne gegen die Fensterscheibe pressen; und so wieder von neuem, stier brütend, gedankenlos.

      Das ist alles gleichgültig, alles umsonst ...

      Sie wiederholte dies in ihren Gedanken mit immer neuem Schmerz.

      Vor dem Bilde der wundertätigen Maria brannte das rote Öllämpchen, das sie immer von neuem gefüllt hatte, und das gespenstische Licht erleuchtete zur Hälfte das Zimmer.

      Der Docht kippte um, und die Flamme fraß an dem Öl. Ein schlechter Geruch qualmte durch das Zimmer.

      Die schweißige Kirche mit dem üblen Geruch – unwillkürlich dachte sie an Falks Worte.

      Sie löschte die Flamme aus; nun war es ganz dunkel.

      Sie stierte gedankenlos in die öde Leere des Dunkels.

      Mein Gott, was wollte er nur mit ihr, was wollte er nur?

      Eine glühende Blutwelle schoß in ihr Gesicht.

      Sie ahnte es; sie verstand es nicht. Da mit einem Male fühlte sie seine suchenden Lippen. Es war ihr, wie wenn sich eine zackige Blitzschlange durch ihre Brust gebohrt hätte.

      Sie konnte nicht denken, sie fühlte nur den wilden, begehrlichen Schauer durch ihren Körper zucken. Sie stemmte beide Hände zwischen die Knie, beugte sich vornüber und zog die Beine an sich. So saß sie zusammengekauert auf dem Rand des Bettes und horchte mit ängstlichem Schmerz auf das Unbekannte, Furchtbare.

      Was war das? Das kam so oft; immer von neuem. Sie fürchtete es. Sie zitterte davor. Oh wie gerne, oh wie gerne, möchte sie ihm um den Hals fallen, heiß, wild, in stummer Leidenschaft, und ihn küssen, ja – küssen ...

      Aber dann kam es wieder und machte sie verrückt; die Sinne vergingen ihr, alles tanzte dann in Kreisen um sie herum.

      Das war die Sünde.

      Sünde! Sünde!

      Sie riß sich auf; sie flog an allen Gliedern, tastete zitternd nach den Streichhölzern, fand sie nicht; sie warf sich vor dem Bett auf die Knie.

      Sie suchte sich zu sammeln, zum Gebet.

      Aber Sie konnte kein Wort finden.

      – Lächerliche Formeln! hörte sie deutlich Einen hinter sich höhnen.

      Entsetzt drehte sie sich um. Nein, es war in ihr! Falk hatte in ihr gesprochen.

      – Alles tun Sie um der eingebildeten Himmelsfreuden willen. Seien Sie doch Sie selbst!

      – Gott, Gott! stöhnte sie laut.

      Plötzlich kam es ihr vor, als hätte jemand ihr verboten zu beten. Sie versuchte sich zu zwingen, sie rang nach Worten.

      Nein, es ging nicht. Kein Wort! Maria hatte sie verlassen.

      Wofür strafte sie nur Gott so grausam? Was hatte sie denn getan?

      Lächerliche Formeln – die Brunst nach Glück – übelriechende Kirche: seine Sätze sausten ihr im Kopfe, jagten, überstürzten sich.

      Eine trostlose Müdigkeit ließ sie ganz in sich zusammensinken.

      Und er sagte, daß sie ihn nicht liebe! Wie sagte er doch nur? Ja, die Formel sei stärker, als ihre Liebe – nein, nein! Er solle es sehen! Sie wolle ihn lieben! Sie wolle ihn umarmen! Ja, sie wolle ihn lieben. Möge Gott sie verdammen, in die tiefste Hölle stürzen, aber sie werde ihn lieben.

      Sie riß sich auf und ging ans Fenster.

      Sie versuchte zu denken.

      Draußen brauste der Frühlingswind und heulte in den Bäumen.

      Sie fühlte wieder seine Arme um ihren Nacken; sie widerstrebte nicht; sie gab sich ihm. Sie sog mit allen Poren das giftige Glück in ihren Körper, sie ließ sich nehmen, sie gab sich ihm – o, Ihm – so heiß – so warm.

      Nein! Nein!

      Endlich fand sie die Streichhölzer.

      Sie machte Licht; ein schwankender Streifen fiel auf das Gesicht der byzantinischen Madonna.

      Marit blieb gebannt stehen, willenlos ohne sich rühren zu können.

      Sie starrte mit wachsendem Entsetzen.

      In dem fiebernden Hirn des Kindes verschob sich das Antlitz der Gottesmutter zu einem höhnischen Grinsen, dann zu schmerzvollem Mitleid und nun zum furchtbaren, strafenden Ernst.

      Sie wollte sich niederwerfen, sie konnte nicht. Sie war wie eingewurzelt in den Boden. Angstschweiß trat ihr auf die Stirn; sie keuchte. Das Entsetzen schnürte ihr das Herz zusammen.

      Endlich zeigte ihr die Unbefleckte das alte, holdselige Lächeln.

      Unter dem Bett her kam ein rauschendes Knistern. Verstört sprang sie zur Seite; sie wagte nicht Atem zu holen.

      Nein, es war nur in der Tapete.

      Sie СКАЧАТЬ