Der schwarze Atem Gottes. Michael Siefener
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Название: Der schwarze Atem Gottes

Автор: Michael Siefener

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864020551

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СКАЧАТЬ mir, Teufelshure?«, zischte der Pater.

      Warum lasse ich ihn nicht einfach hier in diesem Loch verrecken?, fragte sie sich. Weil ich dann mitverrecke; weil ich dann bei lebendigem Leib verfaule und genau das werde, was er mich eben genannt hat. »Euch befreien.«

      »Warum?« Der Pater blinzelte sie an; in seinem Blick lagen Unglauben, Angst und Wut.

      »Weil ich Eure Hilfe brauche.«

      »Wie sollte ich dir helfen können?« Seine Stimme war fester geworden; sie war nun schneidend kalt.

      »Ihr sollt mir helfen, von hier zu fliehen, und Ihr sollt mir helfen, mich vor dieser schrecklichen Bande in Sicherheit zu bringen.«

      Der Pater stand auf; sein Bauch schaukelte dabei. »Wo sind deine Kumpane?«

      »Oben; sie sind alle betrunken und schlafen. So kommt doch endlich! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«

      Pater Hilarius schlurfte wenige Schritte näher, doch er hielt sich noch immer mehrere Ellen von Maria entfernt, als traue er ihr nicht.

      »Wenn Ihr nicht wollt, gehe ich eben allein. Bleibt doch hier, wenn es Euch hier besser gefällt als in meiner Gesellschaft.«

      »Rede keinen Unsinn, Mädchen. Geh voran. Und versuch nicht, mich in die Irre zu führen. Gott würde dich fürchterlich dafür strafen.«

      Sie schlichen in den gewölbten Raum zurück, in dem die Mitglieder der Bande grunzten und schnarchten. Hier und da regte sich ein Arm, ein Bein, aber niemand wachte auf. Sie waren erschöpft und betrunken. Maria spürte noch immer das Gefühl der Wundheit zwischen den Beinen, und eine Welle von Hass, aber auch von Trauer und Scham überflutete sie. Sie weinte still.

      »Was hast du?«, fragte Pater Hilarius sie und schaute sie eingehend an, während sie vor dem Hauptportal standen.

      Maria gefiel sein Blick nicht. Er schien sich kaum von dem Josefs und der anderen brünstigen Räuber zu unterscheiden. Sie gab keine Antwort, sondern zog das Portal sehr vorsichtig auf. Die Angeln gaben keinen Laut von sich. Von draußen wehte eine frische Nachtbrise herein. »Schnell!«, sagte sie und schlüpfte durch das Portal. Der Pater folgte ihr sofort.

      »Wir sollten uns zwei Pferde ausborgen«, meine Maria und wollte schon um das verfallende Gebäude herumgehen; die Pferde waren in einem baufälligen Stall an der Rückseite des Schlosses untergebracht.

      Hilarius blieb stehen, schaute kurz in die Nacht und zischte dann: »Nein!«

      »Warum nicht?« Maria hielt ebenfalls inne und schaute ihn verwundert an.

      »Weil … weil ich nicht gern reite. Pferde mögen mich nicht besonders. Außerdem können wir uns besser verstecken, wenn wir zu Fuß sind. Dann werden sie uns nicht so leicht finden. Komm jetzt. Wir müssen rasch fort von hier.« Hilarius lief in den Wald hinein, und Maria folgte ihm widerstrebend.

      Es schien ihr, als irrten sie schon seit Stunden zwischen den hohen, schwarzen Stämmen her. Immer wieder hielten sie an und schauten sich um. Nichts und niemand verfolgte sie. Maria drängte sich mehrmals eng an den Leib des Paters, weil sie in diesem riesigen, undurchdringlichen Wald mit seinen vielen seltsamen Geräuschen entsetzliche Angst hatte und sich nach körperlicher Nähe sehnte, doch der Pater stieß sie jedes Mal barsch von sich. War er wirklich so ausgemergelt, oder was sonst hatte sie bei diesen kurzen Berührungen gespürt? Wie erklärte sich dann sein enormer Bauch?

      »Warum haben sie Euch eigentlich entführt?«, fragte Maria schließlich, als sie wieder einmal stehen blieben. Der Mond goss silbernes Licht zwischen die Stämme, das sich in einer Pfütze am weichen Waldboden gesammelt hatte.

      »Woher soll ich das wissen?«, gab der Pater unwillig zurück.

      »Sie haben etwas von einem Grafen gesagt, der Euch sprechen wollte – kennt Ihr diesen Grafen zufällig?«

      »Ich bin ein Gottesmann. Ich kenne keine Grafen!«

      Sie hatte nicht den Eindruck, dass er die Wahrheit sagte; deshalb versuchte sie nicht mehr, das Gespräch weiterzuführen.

      Vor ihnen flatterte plötzlich eine riesige Eule auf. Maria stieß einen Schreckensschrei aus und schlug die Hände vor den Mund. Auch der Pater war zusammengezuckt. »Nicht alles, was wie ein Geschöpf Gottes aussieht, ist auch eines«, sagte er, als die Eule im schwarzen Gewirr der Zweige über ihnen verschwunden war.

      »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Maria.

      »Das Hexengezücht kann jede beliebige Gestalt annehmen«, flüsterte er und warf ihr brennende Blicke zu. »Meistens lassen sie sich von ihren Buhlteufeln zum Sabbat fliegen, doch manchmal legen sie die Strecke auch in verwandelter Gestalt selbst zurück.«

      »Soll das heißen, dass das eine Hexe war?«, wisperte Maria ängstlich und schlang die Arme um sich. Plötzlich war es noch viel kälter zwischen den schweigenden Stämmen geworden. Ein leiser Wind raschelte in den Zweigen; es wirkte, als bewegten sie sich aus eigener Kraft – Arme, die sich nach den hilflosen Menschenkindern in dem so fremd gewordenen Wald ausstreckten; Arme, die sie aus der Nacht der Welt in eine Welt der Nacht ziehen wollten. Es war Maria, als würde der Tag nie wieder anbrechen.

      »Die Hexen sind überall. Ich kann sie erschnüffeln; mir ist noch keine entkommen. Ich hasse sie sogar noch mehr als die Juden, die unseren Herrn ans Kreuz genagelt haben!« Wieder dieser glühende Blick, in dem mehr als nur ein Quäntchen Gier und Lust lagen. »Ich wiege sie zuerst in Sicherheit, bis sie glauben, ich hätte sie nicht erkannt, doch dann falle ich über sie her und reiße ihnen die Maske vom Gesicht!« Die Augen des Paters flackerten wie Höllenfeuer.

      Was hatte sie nur getan? Maria hob die rechte Hand und biss sich in die Knöchel. Da hatte sie ihren Peinigern entkommen wollen und sich einem Besessenen anvertraut! Denn besessen war der Pater, dessen war sie sich sicher. Und jetzt war sie ganz allein mit ihm in diesem endlosen, finsteren Wald, in der von Bleichheit durchsetzten Schwärze, aus der alle Farben des Tages ausgeflossen zu sein schienen und nichts mehr so war, wie es sein sollte.

      »Hörst du die Dämonen, mein Kind?«, wisperte der Pater und riss die dunklen Augen auf; sie schienen ihm fast aus dem Kopf zu fallen, schienen aus den Höhlen hervorzuquellen. Er bleckte die langen Zähne in wölfischem Grinsen.

      Es war wirklich etwas zu hören.

      Nicht sehr weit vor ihnen raschelte es im Unterholz. Konnte es ein Reh sein? Maria sah, wie der Pater gefror. Kleine weiße Wölkchen quollen aus seinem noch immer offen stehenden Mund. Es schien beständig kälter zu werden. Die Geräusche kamen näher. Pater Hilarius schaute seine Befreierin an. Sein Gesicht war zu einer höllischen Fratze geronnen.

      »Was ist das?«, flüsterte sie so leise, dass sie die Worte kaum selbst hören konnte.

      »Das ist die Nacht«, gab der Pater genauso leise zurück. »Die lebende Nacht. Die Verkörperung der Nacht und der Dunkelheit.«

      Jetzt konnte sie schwache Schemen erkennen. Sie kamen nur sehr langsam näher – quälend langsam. Der Mond war inzwischen hinter die Wipfel der Bäume gesunken, und die Silberpfuhle am Boden trockneten aus. Die Bäume streiften das Kleid der Bleichheit ab und zeigten sich in ihrer nackten Schwärze. Sie verschmolzen mit dem Waldboden und der dunklen Ferne, und die wenigen Sterne hoch oben waren die tausend Augen der Nacht, die ihre Opfer allwissend anblinzelten.

      Waren es menschliche СКАЧАТЬ