Der schwarze Atem Gottes. Michael Siefener
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der schwarze Atem Gottes - Michael Siefener страница 15

Название: Der schwarze Atem Gottes

Автор: Michael Siefener

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864020551

isbn:

СКАЧАТЬ stehen.

      Die Stille traf ihn wie ein Hammerschlag.

      Nichts raschelte, nichts regte sich; es war, als halte der Wald den Atem an. Martin gefiel diese Stille nicht. Er machte vorsichtig einen weiteren Schritt, um wenigstens das Geräusch seiner Sandalen auf dem Waldboden zu hören.

      Da geschah es.

      Plötzlich war alles Aufruhr und Geschrei. Er hob die Hände abwehrend vors Gesicht. Etwas zischte ihn an. Blätter wirbelten auf. Gekreisch. Eine Hexe! Die teuflischen Mächte! Er war in ihr Gebiet eingedrungen! Das Gekreisch erhob sich über ihn, ein Ast schlug ihm gegen die Wange. Er sank auf die Knie. »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name …« Dann vergrub er das Gesicht in den Händen. Das Gekreisch entfernte sich; Stille floss zurück in das leere Becken der Nacht. Martin wagte es, den Kopf zu heben. Dort oben war es.

      Es flog immer höher, hinauf zu den sternumkleideten Wipfeln, und war schließlich aus seinem Blickfeld entschwunden. Dem Umriss nach mochte es eine große Eule gewesen sein, die er durch sein Umhertappen aufgescheucht hatte, doch wer vermochte zu sagen, dass es nicht ein grässlicher, geflügelter Teufel gewesen war, den Martins Gebet vertrieben hatte? Aber tief in seinem Innern wusste er, dass es nur eine ganz gewöhnliche Eule gewesen war, so wie man sie manchmal im Gebälk der Klosterscheune beobachten konnte.

      Nur langsam beruhigte sich Martins Herz wieder. Er stand mit zitternden Beinen auf und musste sich am glatten Stamm einer gewaltigen Buche festhalten, damit er nicht umkippte. Kalter Schweiß tropfte ihm aus den Haaren und kitzelte Nase und Wangen. Er atmete erleichtert auf.

      Das Mondlicht warf winzige Inseln aus Silber zwischen die dicht beieinanderstehenden Stämme und schmückte die Spitzen der Bäume mit glänzendem Geschmeide. Die Schwärze der Nacht reckte sich hoch zum kalten, falschen Licht der Sonne der Finsternis und ihren unzähligen Kindern, den Sternen.

      Und nun raschelte etwas irgendwo in der silbergespickten Dunkelheit vor ihm. Schon raste sein Herz wieder, doch er versuchte seine Angst zu bekämpfen. Es wird nur ein Waldtier sein, das ich aufgeweckt habe, sagte er sich. Ein Waldtier wie die Eule. Die Welt ist nicht voller Teufel, wie Pater Hilarius immer sagt.

      Oder doch?

      Im ungewissen Schein des Mondes erkannte er, dass sich etwas zwischen den Stämmen vor ihm bewegte. Es war noch viele Ellen entfernt, doch es schlich aufrecht wie ein Mensch. War es etwa eine der Gestalten, die er vorhin auf der Straße gesehen hatte? Hatte sie seine Spur aufgenommen? Wenn ja, dann konnte es kein Mensch sein. Kein Mensch hätte ihn hier zwischen den Bäumen und Gebüschen entdecken können, kein Mensch, der nur auf seine unvollkommenen, von der Nacht betäubten Sinne angewiesen war …

      Doch wo war der andere? Zuvor auf der Landstraße hatte er zwei Umrisse gesehen. Kesselten sie ihn nun ein? Martin warf den Kopf herum. Hinter sich konnte er nichts Verdächtiges sehen. Er schaute wieder gebannt nach vorn.

      Die Gestalt näherte sich ihm sehr langsam und keinesfalls auf geradem Wege. Es war, als schleiche sie auf einem gewundenen, unsichtbaren Pfad dahin. Vielleicht hatte sie den Mönch noch gar nicht bemerkt. Vielleicht war es ja auch gar kein Mensch. Aber welches Tier lief auf zwei Beinen?

      Martin spürte, wie ihm erneut der Schweiß ausbrach. Instinktiv wich er zurück, drückte sich an dem glatten Baumstamm vorbei, wollte so viel Raum wie möglich zwischen sich und diese suchende Gestalt bringen. Dabei trat er auf einen trockenen Ast, der mit einem scharfen Geräusch wie ein Peitschenknall zerbrach.

      Martin gefror in seinen Bewegungen. Die Gestalt hielt ebenfalls inne; es war, als spähe sie angestrengt durch die Dunkelheit.

      Und dann sah er die anderen Schemen.

      Sie schienen aus den Bäumen herauszuwachsen. Sie bewegten sich lautlos. Sie bildeten einen Kreis um ihn.

      Von allen Seiten kamen sie nun auf ihn zu. Und sie veränderten sich. Ihre Schatten schrumpften zusammen, zogen sich in die Länge, schmolzen zu den Umrissen von Tieren zusammen. Und als der leise, klagende, lang gezogene Laut ertönte, wusste Martin Bescheid.

      Das Jaulen eines Wolfes.

      Aber er hatte doch genau gesehen, dass die Wölfe vorhin auf zwei Beinen gegangen waren! Es konnte sich also nicht um richtige Wölfe handeln, sondern um – Werwölfe. Wie viele Geschichten hatte er aus dem Mund des Paters Hilarius über diese verderbten, dem Teufel verfallenen Geschöpfe gehört! Es waren Zauberer und Hexen, die sich in einem Pakt dem Teufel verschrieben und von ihm neben vielen anderen Dingen die Fähigkeit erhalten hatten, sich in Wölfe zu verwandeln und so nächtens unter den Christenmenschen auf Raub und Mord auszugehen. Nichts konnte sie aufhalten außer einer geweihten Silberkugel oder dem mächtigen Exorzismus eines noch mächtigeren Hexenbanners.

      Jetzt konnte er die blinkenden, silbernen Augen der Untiere sehen und ihre langen, halb offen stehenden Schnauzen, aus denen der Geifer tropfte. Sie waren unheimlich ruhig; nur der Leitwolf ließ bisweilen sein leises, heiseres, jaulendes Klagen hören. Sie waren sich ihrer Beute sicher.

      Pater Hilarius hatte dem erschauernden Bruder Martin daheim am Kaminfeuer im Parlatorium des Klosters Eberberg viele Geschichten von Hexen erzählt, die nachts als Werwölfe in die Häuser und Stallungen der Bauern einbrachen und Mensch und Vieh ohne Unterschied rissen. Manchmal gelang es einem Beherzten, einem dieser Geschöpfe des Satans eine Wunde zuzufügen, und es war oft geschehen, dass am nächsten Tag der oder die der Zauberei Beschriene an genau derselben Stelle verletzt war, an welcher der Wolf getroffen worden war. Das war ein untrügliches Zeichen für eine Hexe oder einen Zauberer und reichte zu einer Verurteilung und zum Verbrennen allemal aus.

      Sie kreisten Martin immer enger ein. Hier waren sie, die Heerscharen der Hölle. Sie trieben ihn auf eine monddurchflutete Lichtung, in deren Mitte sich eine einsame, abgestorbene Eiche erhob; ihre uralten Äste reckten sich knorrig und gezackt wie ein erstarrter Blitz der Nacht entgegen.

      Er konnte inzwischen alle Tiere deutlich erkennen. Es waren acht. Eines von ihnen war ihm bereits etwas näher gekommen als die anderen, die einen Kreis bildeten. Der Leitwolf. In seinen Augen glitzerte alle Bosheit der Hölle.

      »Weicht, ihr Hexen und Zauberer! Im Namen des Herrn, ich befehle es euch!«, schrie Martin heiser und wirbelte herum. Sie ließen sich nicht aufhalten. Schien es ihm nur so, oder hatten sie ihre grässlichen Mäuler nun tatsächlich zu einem spöttischen Lächeln verzogen?

      »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes …«

      Was hätte Pater Hilarius in dieser Situation getan? Er hätte einen Ausweg gefunden.

      Der Kreis zog sich immer enger um ihn, aber noch griffen die Werwölfe nicht an. Gehetzt sah der junge Mönch sich um. Nichts bot ihm Schutz. Nichts außer dem abgestorbenen, knorrigen Baum. Er rannte zu dem kahlen, rindenlosen Stamm, der glatt wie die Schuppen eines Fisches war. Der erste Ast befand sich erst in einer Höhe von vier oder fünf Ellen über dem Boden. Martin sprang hoch und konnte ihn mit der Hand berühren. Aber er fand keinen Halt.

      Die Wölfe begannen zu knurren. Es war ein Geräusch, das dem Mönch die Haare zu Berge stehen ließ. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Er nahm einen kurzen Anlauf, sprang wieder – und konnte sich nun an dem Ast hochziehen. Das tote Holz ächzte und knarrte bedenklich. Hoffentlich konnte es ihn tragen. Er zog sich hoch, bis er schließlich auf dem Ast saß. Dieser gab zwar noch einmal ein unwilliges Knirschen von sich, aber er hielt.

      Die Wölfe hatten den Baum umzingelt. Der erste sprang hoch. Beinahe hätte er mit seinen im Mondlicht funkelnden Krallen den Mönch erreicht. Martin stellte sich vorsichtig auf den Ast СКАЧАТЬ