Der schwarze Atem Gottes. Michael Siefener
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Название: Der schwarze Atem Gottes

Автор: Michael Siefener

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783864020551

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СКАЧАТЬ stattdessen. Sie legten sich in das tauglänzende Gras und sahen hoch zu ihrer Beute. Martin hatte sich dort auf den Ast gesetzt, wo dieser aus dem Stamm hervorwuchs, und lehnte nun mit dem Rücken gegen das abgestorbene Holz. Es dämmerte ihm, dass er zwar für den Augenblick außer Gefahr, aber trotzdem verloren war. Schließlich musste er irgendwann wieder herabsteigen, und dann war es um ihn geschehen. Auf Hilfe konnte er in diesem gottverlassenen Wald nicht hoffen.

      Er spürte, wie er müde wurde. Die Ereignisse des Tages und der Nacht waren einfach zu viel für ihn. Nur nicht einschlafen!, herrschte er sich selbst an. Nur nicht einschlafen! Im Schlaf würde er rasch das Gleichgewicht verlieren und vom Baum fallen. Nur nicht einschlafen!

      Die Wölfe schauten ihn an – alle. Ja, sie lächelten eindeutig. Und dann sagte der Leitwolf in einer seltsamen, knurrenden Stimme zu ihm: »Du kannst uns nicht entkommen. Wir werden uns an deinem Körper laben und an deiner Seele, die jetzt schon uns gehört.«

      »Pater Hilarius wird euch vernichten, ihr Hexengezücht!«, schrie Martin außer sich vor Angst.

      »Pater Hilarius? Vor dem haben wir keine Angst. Er ist schlimmer als wir und hat keine Macht über uns. Nur weiß er das noch nicht.«

      Und dann hörte Martin wieder diesen klagenden Laut; es war derselbe, den er zuvor auf der Landstraße vernommen hatte. Der Baum, die Welt begannen sich zu drehen, und auf einen Schlag waren die acht Wölfe verschwunden. Dem Mönch wurde übel; Schwärze breitete sich vor seinen Augen aus und tauchte den Mond und die Sterne in Vergessen, und er spürte, wie er eine schreckliche Sekunde lang in der Luft schwebte. Dann hatte er sich wieder gefangen und hielt sich verzweifelt an dem kalten Stamm fest.

      Er war doch eingeschlafen, hatte bloß geträumt, dass der Leitwolf zu ihm gesprochen hatte, und beinahe hätte er das Gleichgewicht verloren. Er atmete auf, als er wieder sicheren Halt auf dem Baum hatte.

      Das klagende Geräusch indes war nicht verstummt.

      Verwundert sah Martin nach unten. Die Wölfe waren tatsächlich nicht mehr zu sehen; statt ihrer saß dort unten eine Gestalt gegen den Stamm gelehnt, die etwas Unförmiges in den Händen hielt und daran herumfingerte und -drückte. Die seltsamen Töne schwollen an und ab.

      Noch immer herrschte tiefste Nacht. Der Mond war weitergewandert und stand nun knapp über den Wipfeln des in Finsternis brütenden Waldes. Die Sterne hingegen waren jetzt, da sie ihren Meister verloren, heller geworden und funkelten bedrohlicher und aufdringlicher.

      Die Gestalt unter dem toten Baum sah plötzlich nach oben; gleichzeitig verstummte das Klagen, das irgendwie aus ihr zu strömen schien. Und Martin hörte, wie sie sprach: »Oh, du bist wach geworden. Ist das nicht ein wenig ungemütlich dort oben? Komm doch herunter!«

      »Und die Wölfe? Wo sind die Wölfe?«

      »Welche Wölfe?« Martin sah, wie ihm die Gestalt ihr spitzes Gesicht entgegenreckte. In ihren Augen blitzte der Spott. »Hab hier keine Wölfe gesehen. Bin ihnen in dieser Gegend noch nie begegnet. Und nun komm schon herunter. Ich werd dich nicht beißen.«

      Martin machte sich langsam an den Abstieg, doch als er den untersten Ast erreicht hatte, brach dieser entzwei, und der Mönch purzelte unbeholfen in das hohe Gras.

      »Wie eine faule Frucht«, sagte die Gestalt hämisch. »Wie ein fauler Apfel. Ein sehr fauler Apfel.«

      Martin rappelte sich auf und schaute auf die noch immer sitzende Gestalt herunter. Es war ein recht junger Mann in einem Flickenwams und mit landsknechtshaften Pluderhosen, die an vielen Stellen geflickt und gestopft waren. Bunte Stofffetzen waren an allen möglichen Stellen aufgesetzt, wohl um Löcher zu verdecken. Auf seinem Kopf hockte schief eine kecke Mütze. Neben ihm im hohen, feuchten Gras lag ein prall gefüllter Ranzen. Die Gestalt machte sich nicht die Mühe, aufzustehen. »Man nennt mich Federlin. Bin wie eine Feder; jeder Windstoß wirbelt mich weiter, mal hierhin, mal dorthin. Und wer bist du?«

      Martin stellte sich vor.

      »Soso, ein Mönchlein. Mag deinesgleichen aber gar nicht.« Federlin presste die Hände zusammen, und dem Ding zwischen seinen Armen entquoll ein letzter klagender Laut. Martin starrte es verblüfft an; dann verstand er allmählich. Das musste ein Dudelsack sein! Der junge Mönch hatte nie zuvor ein solches Instrument gesehen, aber schon viel darüber gehört. Es war in den letzten Jahren unter dem fahrenden Volk sehr beliebt geworden.

      Fahrendes Volk. Ja, das war es. Dieser Federlin musste ein Wandersmann sein, ein Bänkelsänger vielleicht oder ein Gaukler. Auf keinen Fall war er ein ehrenhafter Mann. Warum muss ich nur an einen solchen geraten, dachte Martin und schickte einen Stoßseufzer zum Himmel.

      »Was machst du denn so allein mitten in der Nacht auf einem Baum?«, fragte Federlin verschmitzt. »Habt ihr Weihrauchschwenker jetzt die Schlafart der Fledermäuse angenommen?«

      Martin musste seinen Ärger herunterschlucken. Er berichtete in allen Einzelheiten, wie er in diese missliche Lage gekommen war. Der Gaukler sah ihn von unten herauf ungläubig an. »Wölfe, sagst du? Das kann ich nicht glauben. Zumindest waren keine Wölfe hier, als ich herkam. Keine außer dir. Aber was du da von deinem Mitpfaffen sagst, erinnert mich an etwas. Habe vor etlichen Stunden viele Reiter durch den Wald preschen gesehen. Hab schon geglaubt, es wär die Wilde Jagd. Verwegene Burschen, das kann ich dir sagen. Und ein Mägdlein war auch dabei; zart wie der erste Mondstrahl und feurig wie die Sonne im gekelterten Wein. Und so ein fetter Mönch, dem der Bauch im Sattel wabbelte. Wo doch sein Gesicht ganz asketisch war, wie ihr es so liebt. Seltsame Gestalt. Ja, die hab ich gesehen.«

      »Und?«, fragte Martin atemlos.

      »Was: und?«, fragte der fahrende Geselle scheinheilig, beugte sich hinüber zu seinem prallen Ranzen und zog etwas daraus hervor. Martin blinzelte. Es war ein Kartenspiel. Federlin hielt es ihm entgegen. »Zieh eine Karte.«

      Martin wandte sich ab. »Kartenspiele sind des Teufels«, sagte er verächtlich.

      »Zieh eine Karte!« In der Stimme dieses seltsamen Gesellen lag nun etwas, das keine Widerrede duldete. Martin kam der Aufforderung nach. »Zeig sie mir nicht, Mönchlein. Ich will dir sagen, was es für eine Karte ist. Es ist der Tod, und er trägt die Kutte und das Antlitz eines deinesgleichen. Und nun schau nach.«

      Martin drehte die Karte herum. Er musste die Augen nahe an die kolorierte Kupferstichabbildung heranbringen, denn der Mond war inzwischen fast ganz hinter den Bäumen verschwunden. Doch endlich konnte Martin die Darstellung erkennen.

      Er sprang einen Schritt zurück und warf die Karte zu Boden. Federlin hüpfte mit einer Leichtigkeit hoch, die seinem Namen alle Ehre machte, hob die Karte auf, strich sie glatt und steckte sie zu den anderen.

      Martin hatte eine lebensgetreue Abbildung des Paters Hilarius gesehen! Den dicken Bauch, das dünne, ausgemergelte Gesicht, die schwarze Kutte der Benediktiner, die dunklen, wilden Augen … Oder hatte ihm das ungewisse Licht einen Streich gespielt? »Kann ich die Karte noch einmal sehen?«, krächzte er heiser.

      »Nein«, sagte Federlin, der jetzt dem Mönch gegenüberstand. »Du hast genug gesehen, und du hast richtig gesehen. Willst du wirklich diesem Pater helfen? Warum?«

      »Weil er mein geistiger Lehrer ist und weil er im Ruche der Heiligkeit steht. Wer weiß, was die Mordgesellen ihm angetan haben oder noch antun werden?«

      »Schlechte Gründe«, sagte Federlin. »Kennst du keine besseren?«

      Nun fiel Martin wieder die Aussage des Zauberers in Volkach ein. Das Ende der СКАЧАТЬ