Название: Unternehmensnachfolge
Автор: Manzur Esskandari
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811440234
isbn:
c) Verwaltungsvollstreckung
219
Die Verwaltungsvollstreckung an einem nichtkaufmännischen Unternehmen ist zulässig. Die handelsrechtlichen Vorschriften sind mangels Kaufmannseigenschaft nicht anwendbar. Bei etwaigen Gläubigern kann nicht der Eindruck entstehen, dass die unbeschränkte handelsrechtliche Haftung greift. Vielmehr gelten lediglich die erbrechtlichen Vorschriften, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass die Erben die Haftung auf den Nachlass beschränken können.[254]
220
Die Problematik der Verwaltungsvollstreckung an einem kaufmännischen Einzelunternehmen ist im rechtswissenschaftlichen Schrifttum unverändert umstritten.[255] Die wohl noch h.M. hält die Verwaltungsvollstreckung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen für unzulässig.[256] Führt ein Testamentsvollstrecker ein einzelkaufmännisches Unternehmen fort, haftet er selbst nicht persönlich für die von ihm begründeten Verbindlichkeiten, §§ 2206, 2207 BGB. Die Erben als Unternehmensträger wiederum können ihre Haftung auf den Nachlass beschränken, §§ 1967, 1973 ff., 1980, 1990 BGB. Dem steht aber der Grundsatz der persönlichen Haftung des Kaufmanns mit seinem ganzen Vermögen entgegen, §§ 22, 25, 27 HGB, und würde im Ergebnis auf ein im Gesetz nicht verankertes „einzelkaufmännisches Unternehmen mit beschränkter Haftung“ hinauslaufen.[257] Darüber hinaus kann die angeordnete Testamentsvollstreckung nicht im Handelsregister des Kaufmanns eingetragen werden.[258] Anders ist dies allenfalls bei einem minderjährigen Erben. Hier ist der Grundsatz der unbeschränkbaren Haftung des Einzelkaufmanns wegen § 1629a BGB ohnehin durchbrochen, was für eine Zulässigkeit der Verwaltungsvollstreckung in diesem Bereich spricht.[259] Die genannten Argumente gegen die Zulässigkeit einer Testamentsvollstreckung am Einzelunternehmen werden allerdings zunehmend angegriffen.[260]
221
Zur Lösung dieses Konflikts werden Ersatzlösungen vorgeschlagen, wonach entweder der Erbe (Vollmachtslösung, vgl. Rn. 222) oder der Testamentsvollstrecker (Treuhandlösung, vgl. Rn. 228) die unbeschränkte Haftung übernehmen. Als weitere Gestaltungsinstrumente werden die Weisungsgeberlösung (vgl. Rn. 236), die beaufsichtigende Testamentsvollstreckung (vgl. Rn. 240) und die Umwandlungsanordnung (vgl. Rn. 242) diskutiert. Ordnet der Erblasser Verwaltungstestamentsvollstreckung über sein einzelkaufmännisches Unternehmen an, ohne nähere Bestimmungen über die Art und Weise der Testamentsvollstreckung zu treffen, gilt im Zweifel die Treuhandlösung als angeordnet.[261]
d) Vollmachtslösung
222
Vollmachtslösung bedeutet, dass der Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft im Namen der Erben als deren Bevollmächtigter weiter. Es haften damit allein die Erben persönlich und unbeschränkt. Mittels Testamentsvollstreckung und Vollmacht kann der Verwaltungsvollstrecker damit sowohl den Nachlass als auch die Erben verpflichten. Die erforderliche (widerrufliche) Vollmacht kann entweder der Erblasser selbst mit Wirkung über seinen Tod hinaus erteilen oder die Erben durch Auflage oder auflösende Bedingung der Erbeinsetzung zur Erteilung einer entsprechenden Vollmacht an den Testamentsvollstrecker verpflichten.[262] Ein Weisungsrecht der Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker im Innenverhältnis sollte im Interesse der unabhängigen Führung des Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker nicht angeordnet werden.
223
Formulierungsbeispiel postmortale Vollmacht in letztwilliger Verfügung:[263]
„Zur Verstärkung der Position des Testamentsvollstreckers werde ich diesem in separaten Urkunde Vollmacht erteilen, vom Zeitpunkt meines Ablebens an in meinem Namen mit Wirkung für und gegen meine Erben alle Handlungen im weitest gesetzlich möglichen Sinne betreffend mein Unternehmen … vorgetragen im Handelsregister des Amtsgerichts … unter HRA … vorzunehmen. Ich weise den Notar an, dem Testamentsvollstrecker eine Ausfertigung der Vollmacht gegen Nachweis seiner Stellung als Testamentsvollstrecker zu erteilen. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Notar ein Testamentsvollstreckerzeugnis oder eine beglaubigte Abschrift des Testaments und der Eröffnungsniederschrift vorgelegt ist. Ich mache meinen Erben zur Auflage, diese Vollmacht auf die Dauer der Testamentsvollstreckung zu dulden und nicht zu widerrufen.“
224
Die Erben bleiben bei der Vollmachtslösung Inhaber des Unternehmens und werden als solche im Handelsregister eingetragen. Nur die Erben, nicht auch der Testamentsvollstrecker müssen die Anmeldung zum Register vornehmen. Ein Testamentsvollstreckervermerk wird nach richtiger Ansicht nicht eingetragen.[264]
225
Haftungsrechtlich gibt es keine Besonderheiten: Die Erben haften persönlich und unbeschränkt für Neuschulden. Für Altschulden, die vom Erblasser herrühren, haften die Erben erbrechtlich beschränkbar und handelsrechtlich nur, sofern sie die Firma mit oder ohne Nachfolgezusatz übernehmen, jedoch mit der Möglichkeit nach §§ 25, 27 HGB eine Beschränkung der Haftung herbeizuführen (vgl. hierzu näher Rn. 14 ff.). Der Testamentsvollstrecker haftet weder für Alt- noch für Neuschulden.
226
Problematisch ist die Vollmachtslösung, wenn die Erben noch minderjährig sind. Zwar bedarf die Fortführung des ererbten Geschäfts auch in ungeteilter Erbengemeinschaft nicht der familiengerichtlichen Genehmigung nach §§ 1822 Nr. 3, 1823 (vgl. hierzu Rn. 38). Auch ist die Erteilung einer Vollmacht durch den Vermögenssorgeberechtigten eines Minderjährigen (§§ 1626, 1629 BGB) grds. nicht genehmigungspflichtig nach § 1822 BGB. Hier dient die Vollmacht allerdings dem selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so dass entsprechend dem Rechtsgedanken des § 112 S. 1 BGB eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich sein wird.[265] Darüber hinaus besteht das generelle Problem aus Sicht des Geschäftsverkehrs, dass der Minderjährige mit Eintritt der Volljährigkeit seine Haftung nach § 1629a BGB beschränken kann (vgl. hierzu Rn. СКАЧАТЬ