Название: Unternehmensnachfolge
Автор: Manzur Esskandari
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811440234
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i) Erhaltungskosten und Aufwendungen des Unternehmens
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Der Vorerbe trägt die gewöhnlichen Erhaltungskosten, § 2124 Abs. 1 BGB. Zu den gewöhnlichen Erhaltungskosten gehören bei einem Unternehmen die laufenden Betriebskosten (insbesondere Löhne, Werbungskosten, Steuern etc.).[220] Diese Regel wirkt sich für den Vorerben in zweifacher Hinsicht nachteilig aus: Zum einen muss der Vorerbe die gewöhnlichen Erhaltungskosten aus seinem neben der Vorerbschaft bestehenden Privatvermögen bestreiten; zum anderen reduzieren die Erhaltungskosten den (wie auch immer zu berechnenden, vgl. hierzu Rn. 191) bilanziellen Gewinn, der dem Vorerben als Nutzung verbleibt. Besonders nachteilig wirkt sich die Erhaltungspflicht bei Wirtschaftsgütern aus, die steuerlich abgeschrieben werden können. Die steuerliche Abschreibung führt wiederum zu einer Verminderung des bilanziellen Gewinns, auf der anderen Seite stehen die dadurch entstehenden stillen Reserven und das Wirtschaftsgut selbst dem Nacherben und nicht dem Vorerben zu. Richtigerweise sollte der Erblasser daher bestimmen, dass die laufenden Betriebskosten dem Nachlass entnommen werden dürfen.[221] Entsprechendes gilt für Erhaltungskosten, die bei einer normalen Expansion des Unternehmens anfallen.
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§ 2124 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt, dass der Vorerbe über die gewöhnlichen Erhaltungskosten hinausgehende Aufwendungen aus der Erbschaft bestreiten darf, sofern er sie nach den Umständen für erforderlich halten durfte (außergewöhnliche notwendige Aufwendungen). Im unternehmerischen Bereich lässt sich darunter z.B. eine erforderliche außergewöhnliche Umstellung oder Rationalisierung des Unternehmens subsumieren. Grds. zählen auch Kosten eines Rechtsstreits zu solchen Aufwendungen, sofern der Rechtsstreit den Bestand des Unternehmens berührt. Steht ein Rechtsstreit hingegen – wie wohl regelmäßig – lediglich im Zusammenhang mit dem erstrebten Gewinn, handelt es sich um Erhaltungskosten, die der Vorerbe aus seinem Vermögen zu bestreiten hat. Zahlt der Vorerbe Aufwendungen i. S. d. § 2124 Abs. 2 S. 1 BGB aus seinem Privatvermögen, hat er gegen den Nacherben einen Erstattungsanspruch, § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB. Nimmt der Vorerbe zur Finanzierung derartiger Aufwendungen einen Kredit auf, dann muss er die dafür anfallenden Zinsen aus seinem Privatvermögen bestreiten.[222] Der BGH vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass der Vorerbe auch einen Teil der Tilgung tragen muss.[223] Durfte der Vorerbe die Aufwendungen nicht für erforderlich halten (z.B. eine außergewöhnliche Betriebserweiterung), so hat der Vorerbe gegen den Nacherben Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, § 2125 Abs. 1 BGB. Entsprachen die Aufwendungen nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Nacherben und lagen sie auch nicht in Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Pflicht (§§ 683, 679 BGB), steht dem Vorerben allenfalls noch ein Bereicherungsanspruch bzw. ein Wegnahmerecht nach § 2125 Abs. 2 BGB zu.
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Praxishinweis:
Hat der Vorerbe-Unternehmensnachfolger auch nur den geringsten Zweifel daran, ob eine von ihm geplante unternehmerische Maßnahme eine außergewöhnliche notwendige Aufwendung i. S. d. § 2124 Abs. 2 S. 1 BGB darstellt, sollte er – sofern erreichbar – die Zustimmung des Nacherben einholen. Aufwendungen, die der Vorerbe mit Einverständnis des Nacherben tätigt, darf er immer als erforderlich ansehen. Darüber hinaus ist der Vorerbe stets berechtigt, die für den Erwerb vom Erblasser etwa anfallende Erbschaftsteuer dem Nachlass zu entnehmen, § 20 Abs. 4 ErbStG. Führt diese Entnahme allerdings zu einer Überentnahme i. S. d. § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 3 ErbStG, kann dies zu einer Nachversteuerung des vererbten Unternehmens führen.[224]
j) Alternativen zur Vor- und Nacherbschaft im Unternehmensbereich
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Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ist mit etlichen Unwägbarkeiten verbunden. Insbesondere die fehlende Teilnahme des Vorerben an den Wertsteigerungen des Unternehmens, das Verbot, unentgeltliche Verfügungen vorzunehmen sowie die rechtlich schwierig Abgrenzung zwischen (vom Vorerben zu tragenden) gewöhnlichen Erhaltungskosten und (aus der Erbmasse zu entnehmenden Aufwendungen) lassen dieses Rechtsinstitut für den Bereich der Unternehmensnachfolge als wenig praktikabel erscheinen. Lediglich in Einzelfällen hat im unternehmerischen Bereich die Vor- und Nacherbschaft weiterhin ihre Existenzberechtigung, namentlich beim sog. Behinderten- und beim Bedürftigentestament.[225] Im Übrigen lassen sich die mit der Vor- und Nacherbschaft verfolgten Ziele regelmäßig auch mit anderen kautelarjuristischen Möglichkeiten erreichen:[226]
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Das Ziel, unter mehreren potentiellen Personen einen Unternehmensnachfolger zu bestimmen (vgl. oben Rn. 178), lässt sich durch ein Bestimmungsvermächtnis mit angeordneter Testamentsvollstreckung erreichen (vgl. Rn. 134 ff.). Das Bestimmungsvermächtnis mit angeordneter Testamentsvollstreckung wird sich insbesondere dann anbieten, wenn für die Zeit bis zur endgültigen Bestimmung des Unternehmensnachfolgers nur dritte Personen (z.B. der Prokurist) zur Verfügung stehen. Die Vor- und Nacherbschaft kann im Einzelfall vorzugswürdig sein, wenn ein Familienangehöriger das Unternehmen zwischenzeitlich führen und darüber hinaus dinglich abgesichert werden soll.
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Möchte der Erblasser die Substanz des Unternehmens sichern (z.B. für Enkel – „Generationensprung“), und gleichzeitig einer Person die Nutzung überlassen (z.B. dem überlebenden Ehegatten), kann dieses Ziel durch ein bloßes Nießbrauchsvermächtnis erreicht werden (vgl. oben Rn. 126 ff.). Will der Erblasser die Versorgung des Nießbrauchsberechtigten sicherstellen, könnte er darüber hinaus ein Rentenvermächtnis anordnen, das den Zugriff auf die Substanz des Nachlasses ermöglicht (vgl. hierzu Rn. 142 ff.). Nießbrauch und Vor- und Nacherbschaft sind ihren rechtlichen Wirkungen, was etwa die Nutzungen am Unternehmen (§§ 2111 Abs. 1, 1030 BGB) oder die Tragung der gewöhnlichen Erhaltungskosten (§§ 2124 Abs. 1, 1041 BGB) betrifft, sehr ähnlich. Das Nießbrauchsvermächtnis weist im Übrigen auch erbschaftsteuerliche Vorteile auf, da nur ein Erbfall besteuert wird und der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs bei der Bemessung des Unternehmenswerts abgezogen wird. Der wesentliche Unterschied zur Vor- und Nacherbschaft besteht darin, dass der Nießbraucher nicht verfügungsberechtigt ist.[227]
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Traut der Erblasser seinen präsumptiven Nachfolgern lediglich vorübergehend nicht die Führung des Unternehmens zu, wird regelmäßig die Anordnung einer Testamentsvollstreckung genügen (vgl. hierzu Rn. 218 ff.).
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Möchte der Erblasser lediglich verhindern, dass pflichtteilsberechtigte Personen des Unternehmensnachfolgers Ansprüche am Unternehmen geltend machen können (z.B. nichtehelich Kinder), bietet sich ein auf den Tod befristetes Herausgabevermächtnis an (vgl. Rn. 91 ff.).[228] Der entscheidende Vorteil dieser Konstruktion ist, dass der Unternehmensnachfolger in der Verfügungsfreiheit über das Unternehmen nicht beschränkt ist. Darüber hinaus lässt sich das Herausgabevermächtnis СКАЧАТЬ