Vom Stromkartell zur Energiewende. Peter Becker
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Название: Vom Stromkartell zur Energiewende

Автор: Peter Becker

Издательство: Bookwire

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Серия: ZNER-Schriftenreihe

isbn: 9783800593729

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СКАЧАТЬ des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ ermächtigte er den RWM, die Führer der Wirtschaftsverbände zu berufen, die in Zukunft die alleinige Vertretung der Wirtschaftszweige zu übernehmen hätten. Zum Leiter der Reichsgruppe Energiewirtschaft, in der die Elektrizitäts- und Gasversorger zusammengefasst wurden, ernannte Schacht den Direktor Krecke aus dem Vorstand der Berliner Elektrizitätswerke (BEWAG). Bei seiner Einsetzung versicherte er: „Ich brauche wohl nicht besonders zu unterstreichen, dass der feste, unveränderliche Grundsatz für meine Arbeit sein wird, sie in vollster Übereinstimmung mit dem Gedankengut und den Grundsätzen der NSDAP durchzuführen.“

      Es dauerte ein weiteres Jahr, bis der Meinungsstreit zwischen Partei, Wirtschaft und Gemeinden über die künftige Organisation der Strombranche beendet wurde. In welchem Sinn ließ Schacht im September 1935 in einer Ansprache vor der Wirtschaftsgruppe Elektrizitätsversorgung erkennen: „Mit der Elektrizitätswirtschaft verbinden mich als früheren Bankmann langjährige Beziehungen. Nicht nur, dass ich jahrelang im Aufsichtsrat großer Fabrikations- und Lieferungswerke gesessen habe, und dass mich zahlreiche finanz- und kreditpolitische Beziehungen mit der Elektrizitätswirtschaft verknüpft haben, nein, darüber hinaus bin ich heute beinah etwas stolz darauf, dass ich bereits vor 27 Jahren in einem größeren Aufsatz in den Preußischen Jahrbüchern auf alle wesentlichen Probleme hinweisen konnte, die auch heute noch für die deutsche Elektrizitätswirtschaft maßgebend sind.“

      Schacht hatte sich in der Debatte über ein Reichselektrizitätsmonopol für „private Initiative, privates Kapital und privates Risiko“ in der Elektrizitätswirtschaft ausgesprochen. Seine Ausführungen in der Septemberansprache bedeuteten, dass die Stromkonzerne im Kampf mit der Partei Sieger geblieben waren. Während der Wirtschaftsminister die Grundgedanken des vor der Verabschiedung stehenden Energiewirtschaftsgesetzes vortrug, erkannten die anwesenden Experten in zentralen Fragen immer wieder die Handschrift der Konzerne.

      Die Präambel enthielt gleich mehrere Punkte des Konzerngutachtens. Es hieß dort, das Gesetz sei beschlossen worden, um „die Energiewirtschaft als wichtige Grundlage des wirtschaftlichen und sozialen Lebens im Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte der Wirtschaft und der öffentlichen Gebietskörperschaften einheitlich zu führen und im Interesse des Gemeinwohls die Energiearten wirtschaftlich einzusetzen, den notwendigen öffentlichen Einfluss in allen Angelegenheiten der Energieversorgung zu sichern, volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen des Wettbewerbs zu verhindern, einen zweckmäßigen Ausgleich durch Verbundwirtschaft zu fördern und durch all dies die Versorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten“.

      Eine zentrale Entscheidung des Gesetzes war, die Energiewirtschaft bei bestimmten Entscheidungen einer Aufsicht durch den Reichswirtschaftsminister zu unterstellen. Die in der Weimarer Verfassung verankerte Alleinzuständigkeit der Gemeinden für örtliche Angelegenheiten – und damit für den Bau kommunaler Kraftwerke – war durch die 1935 erlassene Deutsche Gemeindeordnung stark eingeschränkt worden. Die Kontrolle des Staates war in § 3 geregelt: „Der Reichswirtschaftsminister kann von den EVU jede Auskunft über ihre technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse verlangen, soweit der Zweck dieses Gesetzes es erfordert. Es kann auch bestimmte technische und wirtschaftliche Vorgänge und Tatbestände bei diesen Unternehmen mitteilungspflichtig machen.“ Nach § 4 mussten die EVU den Bau von Kraftwerken anzeigen. Der Minister konnte das hinnehmen oder auch untersagen, „wenn Gründe des Gemeinwohls es erfordern“. In § 5 war eine Genehmigungspflicht für die Aufnahme der Energieversorgung vorgesehen, die sich der Sache nach gegen die Gemeinden richtete. In § 6 gab es eine Anschluss- und Versorgungspflicht, allerdings eingeschränkt, wenn sie „dem Versorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann“. Schließlich behielt sich der Minister das Recht vor, „die allgemeinen Bedingungen und die allgemeinen Tarifpreise der EVU sowie die Energieeinkaufspreise der Energieverteiler (§ 7 Abs. 1) wirtschaftlich zu gestalten“.

      Das klang alles sehr weitgehend. Aber in der Gesetzesbegründung hieß es: „Das Gesetz geht davon aus, dass die energiewirtschaftlichen Unternehmen in erster Linie selbst dazu berufen sind, die Aufgaben aus eigener Kraft zu lösen. Der Reichswirtschaftsminister will sich grundsätzlich darauf beschränken, nur da einzugreifen, wo die Wirtschaft selbst gestellte Aufgaben nicht zu meistern vermag...“. Das war der Deal: Die Konzerne wurden vor den „schädlichen Auswirkungen des Wettbewerbs“ geschützt, mussten aber die „wirtschaftliche Gestaltung“ der Strompreise hinnehmen – im Interesse der Rüstungswirtschaft. Das war das Ergebnis eines langen Prozesses. Aber man konnte auch deutlich erkennen, wo die Reise hinging. Unterschrieben hatte das Gesetz nämlich neben dem „Führer und Reichskanzler“ und den Ministern für Wirtschaft und Inneres auch der „Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht“. Es ging schließlich um die „Wehrhaftmachung der deutschen Energieversorgung“. Dafür, dass die Konzerne auch in den nächsten Jahren das Sagen behielten, sorgte auch ein Chaos bei den Zuständigkeiten: Für die Elektrizitätswirtschaft fühlten sich verantwortlich der Reichswirtschaftsminister, der Reichsinnenminister, der Reichskommissar für Preisbildung (der im November 1936 eine Preisstoppverordnung auch für Strom erließ), die Technokraten der Partei, ein Generalbevollmächtigter für die Energiewirtschaft, der Reichslastverteiler und der Generalinspektor für Wasser und Energie. Und den Konzernen ging es gut: Dank Hochrüstung und Kriegsvorbereitung verkauften sie doppelt so viel Strom wie je zuvor.

      Allerdings blieben die Aufwendungen für die Rüstung nicht ohne Einfluss auf die Energiewirtschaft. In den sechs Jahren nach 1933 gab das Reich 80 Mrd. für Rüstung aus, die Staatsverschuldung stieg auf das Dreifache, der Geldmarkt für privatwirtschaftliche Investitionen trocknete aus, und der Banknotenumlauf wurde bis zum Zehnfachen hochgefahren. Im Januar 1939 – nach dem Anschluss Österreichs – meldete das Reichsbankdirektorium der Regierung: „Gold- oder Devisenreserven sind bei der Reichsbank nicht mehr vorhanden. Reserven, die aus der Angliederung Österreichs, aus dem Aufruf ausländischer Wertpapiere und inländischer Goldmünzen gemeldet waren, sind aufgezehrt.“ Aber Rohstoffe für die Rüstungswirtschaft konnten nur auf dem Weltmarkt beschafft werden, wofür wiederum Devisen gebraucht wurden. Diese sollten vor allem die Stars unter den Devisenverdienern, Siemens und AEG, herbeischaffen. Diese hatten allerdings an einer Ausweitung des Exportes kein Interesse. Sie waren dazu auch nicht in der Lage, weil den Arbeitern in den Betrieben schon das Äußerste zugemutet wurde. Gleichwohl mussten sie zu einer echten Exportoffensive mit den dazu gehörenden Preiskämpfen antreten. Das war ihnen allerdings peinlich, denn schließlich hatten sie sich als prominente Mitglieder des Weltkartells verpflichtet, solche Preiskämpfe zu verhindern.

      Bei der nächsten Sitzung des Gründerkreises der International Electric Association (IEA) im Londoner Zentralsekretariat erläuterten die deutschen Manager ihren Kartellkollegen СКАЧАТЬ