Vom Stromkartell zur Energiewende. Peter Becker
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Название: Vom Stromkartell zur Energiewende

Автор: Peter Becker

Издательство: Bookwire

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Серия: ZNER-Schriftenreihe

isbn: 9783800593729

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СКАЧАТЬ der Brandenburgischen Elektrizitätsversorgung. Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen dem MEW und dem Berliner Versorger (Berliner Elektrizitätswerke bzw. später BEWAG) kam 1929 ein Austauschvertrag über Versorgungsgebiete zustande, wobei die Stadtgrenze Berlins die Demarkierungslinie zur Provinz Brandenburg bildete.

      Es war insbesondere das bayerische Beispiel, das Preußen neidisch machte. Aber Anlass zum Tätigwerden war der Expansionsdrang des RWE. Das zeigt schon ein Erlass vom Mai 1914 an die preußischen Regierungspräsidenten, in dem die Überlegungen angesprochen werden, von denen sich Preußen 10 Jahre später leiten ließ: „Der Staat hat sich bisher gegenüber der Entwicklung abwartend verhalten. Wenn sich nicht noch mehr Verhältnisse bilden sollen, die eine künftige Regelung nach einheitlichen Gesichtspunkten stören..., darf diese Zurückhaltung nicht länger beobachtet werden. Der Staat muss seinen Einfluss verstärken... Ein anderer wichtiger Gesichtspunkt ist, dass sich die schon bestehenden Ansätze zur Ausbildung von privaten Versorgungsmonopolen nicht weiter auswachsen.“ 1923 war es dann soweit. Es wurde beschlossen, eine preußische Elektrizitätsgesellschaft zu gründen. Als Basis standen zur Verfügung aber nur das Großkraftwerk Hannover und die Preußischen Kraftwerke Oberweser, zu denen außer der Wasserkraft der Edertalsperre und einiger Staustufen noch das neue Braunkohlekraftwerk Borken südlich von Kassel gehörte. Damit sollte ein Vorstoß des RWE nach Osten aufgehalten werden, nachdem Stinnes auch die Braunschweigischen Kohlenbergwerke in Helmstedt gekauft hatte, ein Braunkohleunternehmen. Außerdem plante das RWE eine Hochspannungsleitung in den Frankfurter Raum, für die Enteignungen nötig waren. Die preußische Regierung verweigerte dem RWE die Enteignung so lange, bis ein Stromliefervertrag zwischen dem Kraftwerk Borken und der Stadt Frankfurt unter Dach und Fach war. Dann erteilte Preußen das Enteignungsrecht und das RWE kam mit seiner Höchstspannungsleitung in den Frankfurter Raum.

      Diese Auseinandersetzung wurde in den Zeitungen schon der „Elektrokampf“ genannt. Für Preußen nicht mehr hinnehmbar war die Absicht des RWE, nach Schleswig-Holstein vorzustoßen, wo man bereits eine Beteiligung erworben hatte. Stromlieferant waren die „Siemens Elektrischen Betriebe“ (SEB, später Nordwestdeutsche Kraftwerke). Drei Viertel der SEB-Aktien lagen noch immer bei Siemens und der Basler Handelsbank. Ministerialrat Roemer ließ mit aller Diskretion die Verkaufswilligkeit der beiden Besitzer prüfen und stieß – angesichts des versprochenen Preises – auf lebhaftes Interesse. Der einzige Haken: Preußen musste binnen acht Tagen zusagen. Aber das ging dem zuständigen Handelsminister Walther Schreiber (später CDU-Gründer und Berliner Bürgermeister) zu schnell; er verabschiedete sich erst einmal nach Sylt in den Urlaub. Roemer reiste dem Minister nach und durfte dabei mit der Privatmaschine der Lufthansa, mit der Reichskanzler Luther nach Wyk auf Föhr flog, mitfliegen. Roemer fand Schreiber am Strand, wo nur ein Badegast die „Vossische Zeitung“ las, der Minister. Minister Roemer erklärte ihm: „Er habe es jetzt in der Hand, durch den Ankauf der SEB unsere Anlagen zu einem großen staatlichen Stromversorgungsunternehmen auszubauen, das vom Main bis zur Nordsee und von der holländischen Grenze bis zur Elbe reiche. Weiter bestehe durch einen Anschluss von Schleswig-Holstein die Möglichkeit, bis an die dänische Grenze zu gelangen. Damit würde die ganze Nordseeküste, ausschließlich der beiden Hansestaaten, in unser Versorgungsgebiet einbezogen werden. Auf keinen Fall dürfte er sich dem Vorwurf aussetzen, auf die einmalige Gelegenheit verzichtet zu haben....“ Damit fiel die Entscheidung. Befreit von allen Zweifeln und sichtlich erleichtert sagte er: „Telegraphieren sie, dass ich zustimme.“

      Das kam für das RWE völlig überraschend. Der Gegenschlag sah wie folgt aus: Das RWE kaufte den Stinnes-Erben die Braunschweigischen Kohlenbergwerke in Helmstedt ab, dem die preußische Ministerialbürokratie die Durchleitung von Strom kaum verweigern konnte: Denn das RWE hatte sich mit dem Deutschen Reich, vertreten durch die Elektrowerke, gegen Preußen verbündet. Preußens nächster Schachzug: Das Land kaufte der Disconto-Gesellschaft in Berlin die Aktienmehrheit der Braunkohlen-Industrie Zukunft in Weisweiler bei Aachen ab. Der Konzern besaß ausgedehnte Grubenfelder entlang der belgischen Grenze und Kraftwerke, die das Gebiet Aachen-Düren und die Eifel versorgten. Diese „Zukunft“ war Gold wert. Preußen musste für eine damals mit 100 Mark gehandelte Aktie 145 bezahlen. Aber dafür bekam es auch den starken Stützpunkt im Rücken des RWE.

      Im Jahr 1927 wurde die Preußische Elektrizitäts-AG, PreussenElektra, gegründet und man setzte sich zusammen (wie viele Jahre später immer wieder); es kam zum „Elektrofriede Preußen-RWE“ (Der Volkswirt). Beide Gesellschaften erkannten ihre de facto bereits bestehende Demarkationslinie von der Nordseeküste entlang der Weser bis zum Main bei Frankfurt an. Dafür wurde dem RWE die Braunkohle-Industrie Zukunft überlassen. Das RWE seinerseits zog sich aus Schleswig-Holstein zurück und händigte der PreussenElektra seine Beteiligung an den Braunschweigischen Kohlenbergwerken Helmstedt aus. Allerdings war die Minderheitsbeteiligung in Helmstedt für das RWE längst nicht so wertvoll wie die Drei-Viertel-Mehrheit der „Zukunft“ mit ihren großen Braunkohlereserven, den Kraftwerken und den Versorgungsgebieten in den Kreisen Aachen, Düren, Jülich, Schleiden, Monschau, Adenau, Prüm, Daun, Geilenkirchen und Heinsberg.

      Das Ergebnis dieser Epoche ist also einigermaßen überraschend: Statt auf dem Weg über das 1919 beschlossene Sozialisierungsgesetz kam es im Ergebnis ebenfalls zum Zugriff des Staates, aber durch Neugründung von Stromkonzernen wie etwa des Bayernwerks, der PreussenElektra, des Badenwerks, des Märkischen Elektricitätswerks, der PreVag, der Schleswig-Holsteinischen Stromversorgungs-AG (SCHLESWAG), der Energieversorgung Weser-Ems (EWE), der Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM), der Hannover-Braunschweigischen Stromversorgung (HASTRA) u.v.m. Dazu kamen die zahlreichen Stadt- und Gemeindewerke. Damit sicherten sich die Staaten, Landkreise und Kommunen unmittelbaren Einfluss auf die Stromversorgung. Das ist der Befund, der die Stromwirtschaft bis in unsere Tage prägte: Sie war unmittelbar oder mittelbar eine Veranstaltung des Staates, der sich – bei aller Orientierung am Gemeinwohl – über auskömmliche Strompreise freute und deswegen keinerlei Neigung hatte, sich bei seiner wirtschaftlichen Betätigung durch einengende Regeln selbst zu fesseln.

      In der EU ist diese deutsche Struktur einmalig – und bietet mit ihrer Komplexität und Kleinteiligkeit eine ideale Basis für die Energiewende, für die Zusammenarbeit mit privaten Investoren und kommunalen Netzbetreibern. Die Ausgangslage, die man in den anderen Mitgliedsstaaten vorfindet, ist technologisch oft einseitig (etwa Frankreich Atom-, Polen Kohleverstromung). Das macht den Export der Energiewende nicht so einfach.

      4 Kurzmann, Siegfried, 30 Jahre Bayernwerk AG: 1921 bis 1951, 1951.

      7. Kapitel

      Kein „Gasstaat“

      Einen Griff des Staates nach der Gaswirtschaft, die in den Zwanziger Jahren entstand, hat es nie gegeben. Das lässt sich an der Gründung der Ruhrgas AG gut nachvollziehen. Die Gründung der Ruhrgas war seinerzeit unternehmerisch geradezu geboten. Den Herren der Ruhrgebietszechen war nämlich klar, dass man das beim Verkokungsprozess anfallende Gas nicht nur in den eigenen Zechen verwenden, sondern die Überschüsse auch verkaufen konnte, und zwar an die Städte, die Stadtgas schon seit langem einsetzten. Daher gründeten die Zechen im Jahr 1926 die Ruhrgas als Gemeinschaftsunternehmen. Die Idee hatten wiederum ein Stinnes-Mann, nämlich Alfred Pott, der Generaldirektor des Bergbauzweiges des Stinnes-Konzerns, und Albert Vögler, Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke AG, die mit der Idee einer großräumigen Ferngasversorgung bei den Zechen um Unterstützung warben. Und sie hatten Erfolg. 1928 wurde das 300 km lange Leitungsnetz der RWE AG übernommen und die „Aktiengesellschaft für Kohleverwertung (AGKV)“ in Ruhrgas AG umbenannt. Bis zum Ende des Jahrzehnts waren Verträge für die Gasversorgung der Städte Köln, Düsseldorf, Hannover und Saarbrücken unter Dach und Fach. 1930 betrug der Gesamtabsatz 0,3 Mrd. cm3 (3,8 Mrd. kWh). Das Leitungsnetz umfasste 857 km. Die Ruhrgas beschäftigte 385 Mitarbeiter und hatte einen Umsatz von 13 Mio. RM.