Sichelland. Christine Boy
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Название: Sichelland

Автор: Christine Boy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844242553

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СКАЧАТЬ die Kraft gehabt hätte.

      Und dann war alles vorbei gewesen. Der steinige Weg formte sich aus dem Dunkel und um sie herum fiel der Nebel ab. Sie war zu der Platte hinübergegangen, auf der sie jetzt lag, aber es hatte sie sehr viel mehr Anstrengung gekostet, als sie glaubte, noch aufbieten zu können. Niemand hatte es gesehen. Sie hatte den Cas nur noch zugerufen, dass sie mit dem Abmarsch noch ein paar Stunden warten würden.

      Dann hatte sie sich hingelegt. Zum ersten Mal seit vielen Tagen hatte sie das Bedürfnis, einfach nur zu schlafen. Aber ihre Gedanken kreisten unaufhörlich, wurden immer wirrer und unfassbarer. Bis sie kein Gefühl mehr für Zeit und Raum hatte.

      Erst jetzt kehrte langsam eine schwache Klarheit zurück. Die Erinnerung an den Steinboden in Akoshs Haus war ein erster kläglicher Versuch, ihr Denken wieder selbst zu steuern.

      Ein kalter Tropfen berührte sie auf der Stirn. Noch ein weiterer auf ihrer Wange. Regen. Hier im Mittelland war es milder als in Cycalas, auch wenn der Winter sich dem Frühling noch längst nicht geschlagen geben wollte.

      Plötzlich sah sie, wie die Cas eilig ihre Habseligkeiten zusammensammelten und sich in den geschützten Höhleneingang zurückzogen.

      Sie sah es, obwohl sie immer noch dalag und in den Himmel starrte, der ihr weder Sterne noch den Mond offenbarte. Sie sah, wie Haz-Gor zu ihr hinüberdeutete, wie er aber dann auf eine kurze Bemerkung von Rahor die Schultern zuckte und abwandte. Und sie sah Rahor, der diesmal etwas länger als zuvor in ihre Richtung starrte.

      Immer mehr Tropfen prasselten auf sie hinab. Es störte sie nicht. Noch immer versuchte sie zu begreifen, warum sie all das sehen konnte, obwohl ihre Augen nur auf das schwarze Nichts hoch über ihr gerichtet waren.

      „Du wirst immer Mein sein.“ hörte sie es in sich flüstern. Die Stimme, die schon so oft zu ihr gesprochen hatte, war wieder da und sie fühlte, wie sie mit eisiger Kälte erfüllt wurde.

      „Du bist Mein. Ich kann dich sehen lassen, was ich will. Ich kann dich hören lassen, was ich will. Und du wirst das fühlen, was ich will.“

      Kaum waren diese Worte verklungen, verschwand der Himmel über ihr und sie glaubte, aus ihrem Körper gerissen zu werden, der noch immer reglos auf dem Fels lag. Aber gleichzeitig fühlte sie sich, sehr viel wirklicher als in einem Traum, in einem neuerlichen Bild gefangen.

      Ein Gewölbe, nur notdürftig von Fackeln erleuchtet. In der Mitte ein Blutaltar, dessen tiefe Kerben und Rinnen schon schwarz verfärbt waren. Unzweifelhaft hatten auf diesem Stein schon viele Opfer ihren Tod gefunden, aber sie hatten dabei nicht dieselbe Gewölbedecke über sich gesehen. Es war ein Altar, den man vor vielen Jahren von einer Zeremoniestätte hierher gebracht hatte. Sein ursprüngliches Zuhause war nun verwildert, man hatte es aufgegeben und stattdessen unweit davon einen neuen Tempel gebaut. Und diesem auch einen neuen Altar gestiftet. Doch an dem alten hingen zu viele Geschichten, zu viel Vergangenheit. Und nun wies er den Weg in die Zukunft.

      Vierzehn Sichelländer in einfacher Ritualkleidung standen um ihn herum. Einer von ihnen trug mehrere seidene Laken mit sich und hielt sich dicht an dem Ältesten in der Runde, dessen Gewand nicht silbergrau wie die anderen, sondern tiefschwarz war. Jetzt nickte er seinem Nebenmann zu, der darauf hin die Laken neben dem Steinblock auf den Boden ablegte und dann durch eine niedrige Tür verschwand. Der Älteste blickte in die Runde.

      Die Zwölf waren allesamt recht jung, manche von ihnen zählten gerade einmal sechzehn oder siebzehn Sommer. Die meisten starrten neugierig und zugleich auch erschrocken auf das eingetrocknete Blut. Sie wussten, was sie erwartete, oder vielmehr, sie glaubten, es zu wissen, doch kaum einer von ihnen war wirklich darauf vorbereitet. Der Älteste machte sich keine Illusionen, er erlebte es Jahr für Jahr aufs Neue. Nur wenige erhielten die richtige Vorbereitung auf dieses Erlebnis und noch weniger konnten diese dann auch so in sich aufnehmen, dass sie mit dem, was sie erwartete, auch würden umgehen können.

      „Bevor wir in dieses Mysterium eindringen, welches zweifellos eines der geheimnisvollsten und düstersten ist, denen ihr je begegnen werdet, möchte ich euch noch etwas sagen. Fürwahr, großartige Lehrer begleiten euch auf eurem Weg des Himmels, sie lehren und sie bilden aus, sie sind euch Freund und Hilfesteller und zugleich auch eure Kritiker und Aufseher. Keinem von diesen Lehrern möchte ich etwas vorwerfen und doch hat jeder seine Vorzüge und seine Schwächen. Den Erkenntnissen, denen wir heute begegnen, stehen sie mit Ehrfurcht gegenüber und ich muss zugeben, dass selbst die Cycala Angst vor sich selbst empfinden können. Mit anderen Worten – es gibt unter euren Mentoren nur sehr wenige, die euch bereits auf den Weg geschickt haben, den ihr heute zu Ende bringen sollt. Ich fürchte, die meisten von euch werden einmal mit Schrecken an diese Nacht zurückdenken.“

      „W... was meint ihr damit, hoher Ry? Dass unsere Lehrmeister nicht gut genug sind?“ fragte ein besonders junger Mann, der einen ganzen Kopf kleiner war als der Älteste.

      „Oh nein, mein Lieber. Sieh, jeder eurer Lehrer hat euch in dem besonders geschult, was ihm selbst am meisten liegt. Beschwörungen und Zeremonien, Anrufungen und Gebete, Schriften und Überlieferungen. Doch das, was heute auf euch wartet, wird nur von sehr wenigen Priestern in diesem Lande so ausgelebt, wie ihr es lernen solltet. Es gehört zu unserem Reich und zu unserer Religion, ganz gleich was manche sagen. Ihr habt euch für den Weg des Himmels entschieden und ihr wisst, dass er nicht geradlinig ist. Es gibt Abzweigungen und eine davon werdet und müsst ihr heute beschreiten. Stellt euch einen Kreuzung aus elf Wegen vor. Sie ist das Ziel, aber um es zu erreichen, müsst ihr jeden Weg einmal gegangen sein. Erst dann kennt ihr die Kreuzung aus allen Sichtweisen. Und wir gehen heute den elften Weg. Den dunkelsten und schwersten. Und nur jene, die auf ihm geboren sind und ihn gelebt haben, sind in der Lage, ihn euch so zu zeigen, dass er euch nicht in Angst und Schrecken versetzt.“

      „Also meint ihr... die Batí? Ihr meint, nur ein Batí-Priester könnte uns richtig auf diese Lektion vorbereiten?“ Auf die erneute Frage des Jünglings reagierten einige mit einem spöttischen Lächeln.

      Ry, der Älteste, blieb aber ernst.

      „So ist es. Unter den hohen Lehrmeistern gibt es nur einen, der sich darauf versteht. Ihr hattet die freie Wahl, euch für jeden Bereich eurer Ausbildung einem Lehrer anzuschließen, den ihr für geeignet hieltet. Und wie jedes Jahr war es auch diesmal wieder so, dass kaum jemand durch den hohen Mondor in die Mysterien der alten Rituale eingeführt werden wollte. Ist das nicht richtig?“

      Gemurmel folgte.

      „Er ist unheimlich.“ sagte eine kleine, zierliche Priesteranwärterin, die ganz hinten stand.

      „Er ist der einzige, der euch bewusst mit eurer Angst konfrontiert.“ erwiderte Ry.

      „Ich hatte keine Angst.“

      Alle drehten sich um. Etwas abseits von den anderen stand eine hochgewachsene junge Frau mit pechschwarzen Haaren und den unverkennbaren schwarzen Augen der Batí. Auch sie trug das silbrig-graue Ritualgewand der Priesteranwärter, aber etwas, was man nicht benennen konnte, unterschied sie von den anderen.

      Ry nickte unmerklich.

      „Nein, das hattest du nicht. Ich habe lange mit Mondor gesprochen. Du warst die einzige in diesem Jahr, die sich seinen Lehren unterzogen hat. Und die einzige seit vielen Jahren, die dabei auch nicht vor den eigentlichen Grenzen zurückschreckte, die für angehende Priester gelten sollten.“

      „Ich kenne keine Grenzen.“ sagte die junge Frau kalt.

      Nun schien dem alten Ry unbehaglich zumute zu sein. Er ging einen Schritt auf sie zu. Dann schien er kurz nachzudenken, fasste sich aber schließlich ein Herz und СКАЧАТЬ