Название: Sichelland
Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844242553
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„Das reicht.“ sagte Wandan tonlos. Es klang fast, als würde er aufgeben.
„Es spielt überhaupt keine Rolle, ob du recht hast oder nicht.“ fuhr er dann fort. „Sprich nie mit jemandem darüber. Wenn es die Wahrheit ist, darf niemand sie erfahren. Und wenn es eine Lüge ist, darf niemand sie glauben. Verstehst du das?“
„Ich verstehe besser, als du denkst. Ich wollte nur eines wissen. Ob Akosh den richtigen oder den falschen Weg geht. Denn ich habe für mich einen anderen gefunden. Ich weiß nicht genau, was er vorhat. Und ich denke immer noch, dass er vielleicht wirklich ein Verbündeter Talmirs ist, auch wenn er mir das Gegenteil beteuert. Er sagte, er habe Lennys nie verraten. Er sagte, er wollte Talmir nur auskundschaften. Ihn aushorchen. Und sie habe die ganze Zeit davon gewusst. Ihn sogar beauftragt, obwohl sie unseren Verdacht kannte. Sie hat es in Kauf genommen, dass er für uns ein Verräter ist. Sie hat unsere Freundschaft dafür geopfert! Und er hat es akzeptiert, um ihr zu dienen. Aber jetzt will er in den Süden, zu eurer Shaj. Was hat er vor? Will er sie beschützen? Oder will er sie bändigen, weil er glaubt, sie wäre krank und hätte sich nicht unter Kontrolle? Es ist mir gleich, was er will. Aber ich weiß, was ich will. Ich musste nur erst sicher sein.“
„Was hast du vor?“
„Ich werde zu ihr gehen. Ich werde sie finden. Ich habe keine Angst vor eurem Gott. Und auch nicht vor dem, was in ihr ist. Es ist nur ein kleiner Teil von ihr. Langsam glaube ich, es ist der einzige, den irgendjemand überhaupt zu kennen glaubt.“
„Das ist nicht wahr. Ich kannte sie als junges Mädchen... lange bevor...“ Er schluckte. „...bevor sie so war wie jetzt.“
„Du kanntest sie als Satons Tochter. Satons Tochter! Er war auch einer. Wie blind ist euer Volk, das nicht zu erkennen? Ihr habt euch immer bemüht, Lügen in die Welt zu setzen. Der Blutsträger sei verschollen. Er wüsste vielleicht selbst nicht um seine Identität. Er sei vielleicht ein Greis oder ein Säugling. Und dabei sitzt er längst auf dem Thron, so offensichtlich, dass es doch jeder erkennen muss!“
„Sara, bitte hör auf. Ich will dich nicht anlügen. Zwing mich nicht dazu. Ich kann dir nur eines sagen: Es stimmt, dass sie weder krank noch wahnsinnig ist. Keiner soll das von ihr glauben, aber manchmal... ist eine Lüge besser als eine Wahrheit. Auch für Akosh. Es wäre besser gewesen, wenn Mondor mitgekommen wäre. Er hätte vielleicht die richtigen Worte für dich gefunden. Aber bitte versuch, mich zu verstehen. Ich habe viele Eide geschworen in meinem Leben. Einer war, Saton zu beschützen. Und seine Tochter. Mit meinem Leben. Ein anderer war es, ein bestimmtes Geheimnis zu wahren. Sie alle habe ich bei meinem eigenen Blut und Leben geleistet. Ich werde keinen davon brechen, Sara. So gern ich es täte. So gern ich mit dir darüber sprechen würde. Aber ich kann es nicht.“
Sie setzte sich wieder neben ihn und dachte eine Weile nach.
„Ich verstehe dich.“ sagte sie dann. „Es tut mir leid, dass ich so wütend war. Aber nur so konnte ich… mir meine Frage beantworten. Ich werde gehen, Wandan. Ich suche und ich finde sie. Und ich hoffe, dass ihr auch findet, was ihr irgendwo verborgen glaubt.“
„Du gehst allein, nicht wahr?“
„Ja. Akosh und Menrir… ich kann nicht bei ihnen sein und Tag für Tag hören, wie sie über sie sprechen. Weil sie es nicht besser wissen. Und ich muss es ihr sagen. Was sie alle glauben. Wandan... sie werden... sie doch nicht....? Können sie ihr gefährlich werden?“
„Ich weiß es nicht. Nein, ich glaube nicht. Und das wollen sie auch gar nicht. Ich glaube, sie wollen nur, dass jemand in ihrer Nähe ist, um sie... nun ja... zu beobachten. Mehr nicht. Sara, Lennys ist nicht allein. Rahor ist bei ihr. Und die anderen Cas. Sie werden immer hinter ihr stehen, egal was passiert. Warum glaubst du, dass du ihr helfen kannst?“
Plötzlich brannten ihre Augen und sie musste all ihre Kraft aufbieten, um die Tränen zurückzuhalten.
„Ich weiß nicht, ob ich es kann. Aber ich will es. Wandan, ich spüre einfach, dass ich zu ihr muss. So schnell wie möglich. Es ist das Richtige, das weiß ich jetzt.“
„Ich kann und will dich nicht davon abhalten.“ Er sah sie lange an. „Pass auf dich auf, Sara. Und pass auf Lennys auf. Und wenn ich dir noch irgendwie helfen kann – dann lass es mich wissen.“
Sara nickte traurig. Es tat ihr leid, sich nun von Wandan verabschieden zu müssen. Doch sein letzter Satz ließ sie auch Hoffnung schöpfen. Es gab ja wirklich etwas, was er für sie tun konnte.
Yos schimpfte wie ein Rohrspatz. Zuerst auf seinen Onkel, dann auf Sara, dazwischen immer wieder auf sich selbst.
„Der Alte muss vollkommen verrückt geworden sein. Aber bitte, er wird ja seh'n, was er davon hat. Warum hab' ich mich auch nur drauf eingelassen? Und du, du wirst dein blaues Wunder erleben, wenn du dein Versprechen nicht hältst!“
Sara war klug genug, ihn reden zu lassen und nichts dazu zu sagen. Kaum dass Wandan verschwunden war, war Yos fluchend zurückgekommen und es dauerte eine ganze Weile, bis Sara aus seinem Genörgle heraushören konnte, dass sein Onkel ihrem Vorschlag wohl nicht abgeneigt war.
„Denkt wirklich, 'ne fremdländische Dienerin könnt' ihm helfen, nur weil se die Heilerin der Shaj is. Will halt nich' seh'n, dass er einfach alt is. Alter Esel!“
So war es munter weitergegangen, während er Sara am Flussufer entlang zu einem Pfad führte, der nicht weit entfernt in einem Waldstück verschwand. Sie folgten ihm und standen schließlich vor einer kleinen Hütte, die recht robust gebaut schien.
„Ich warne dich!“ drohte Yos mit erhobenen Finger, bevor sie eintraten. „Wenn du mir Märchen erzählt hast, dann wird auch die Shaj davon erfahren. Das dürfte dir nicht gut bekommen.“
„Es wäre ihr ziemlich egal.“ entgegnete Sara gelassen.
Das Häuschen des Fährmanns bestand nur aus zwei Räumen. Der eine diente gleichzeitig als Wohnzimmer und Küche, im anderen standen zwei klapprige Betten und mehrere Kleidertruhen. Es roch nach Fisch und scharfen Gewürzen. Alles in allem fühlte Sara sich nicht sehr wohl hier, alles war muffig und schlampig, aber das Lächeln des Hausherrn besserte ihre Laune gleich wieder.
Der alte Mann saß gebeugt auf einer einfachen Liege. Hinter ihm lagen zerdrückte Kissen. Anscheinend hatte er sich noch kurz zuvor hingelegt. Es war ja inzwischen schon Mittag geworden.
„So so,....“ nuschelte der Alte. „Da hat mein Neffe ja wohl mal ausnahmsweise etwas richtig gemacht. Dachte wohl, ich habs nicht so mit Fremdländern.“
„Ich bin Sara aus dem Mittelland.“ Sara sprach leise, langsam und betont höflich. Das schien dem Fährmann zu gefallen.
„Ach, weißte, Kind, ich habs nicht so mit Fremden, das stimmt schon. Aber sind ja nicht alle gleich. Und immerhin behandelst du die Shaj, СКАЧАТЬ