Название: Sichelland
Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844242553
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Das Schlagen der Hufe der Mondpferde auf dem steinigen Pfad war das einzige Geräusch, das die Stille der Nacht störte. Der Regen hatte längst aufgehört und dann und wann riss sogar die Wolkendecke auf und gewährte dem fahlen Mondlicht, kurz den steilen Abstieg zu beleuchten, den die Cas gerade bezwangen.
Die Tiere waren unruhig. Immer wieder zögerten sie, warfen ihre wilde Mähne zurück und schnaubten nervös, wenn sie gegen ihren Willen angetrieben wurden. Die Cas kannten sie gut genug, um zu wissen, dass weder Dunkelheit noch die Beschaffenheit des schmalen Weges Anlass für dieses Verhalten waren.
„Sie sind nicht mehr weit.“ sagte Garuel, der ausnahmsweise vorneweg ritt, nach einer Weile leise. Rahor und Lennys waren ein Stück hinter den anderen geblieben, doch auch sie vernahmen seine Worte. Die Shaj nickte.
„Unten, in der Senke. Wir sollten das letzte Stück zu Fuß gehen.“
„Wie weit ist es noch bis dorthin?“ fragte Sham-Yu und fing sofort einen warnenden Blick von Rahor auf, doch es war Lennys, die viel ruhiger als gewöhnlich antwortete.
„Nicht weit. Wir haben schon mehr als die Hälfte geschafft. Dort unten bei der Tannengruppe steigen wir ab. Haltet die Augen offen.“
Die Baumgruppe, von der Lennys gesprochen hatte, war tatsächlich nicht weit entfernt. Sie benötigten nicht einmal eine halbe Wegstunde, um sie zu erreichen, obwohl gerade dieser Abschnitt besonders holprig und schwer zu durchreiten war. An den Tannen angekommen, verzichteten sie darauf, die Tiere anzubinden. Sie sollten im schlimmsten Fall in der Lage sein, zu entkommen, waren aber mutig genug, nicht grundlos fortzulaufen. Schon beim Absteigen lösten die ersten Cas die Sichel vom Gürtel, unter ihnen auch Sham-Yu. Er spürte, dass der Kampf nicht mehr fern war. Gut möglich, dass die Hantua ihr Nachtlager erst ein Stück weiter unten, am Fuß des Berges, aufgeschlagen hatten, aber weit entfernt waren sie nicht. Er konnte ihren fauligen Atem schon fast riechen. Man musste kein Krieger sein, um ihre Anwesenheit wahrzunehmen.
Der Angriff kam urplötzlich und viel früher als erwartet. Faragyl, Horem und Lennys hatten noch nicht einmal die Waffe gezogen, als die erste massige Gestalt aus dem Unterholz der Tannen herausschoss und mit hocherhobener Streitaxt geradewegs auf Rahor zustürmte. Der Oberste Cas bemerkte die Gefahr erst im allerletzten Augenblick, duckte sich unter dem Angreifer weg, wirbelte herum und schlug ihm seine Sichel mit tödlicher Kraft direkt in den Nacken. Das Brechen der Knochen ging in dem Heulen des Windes, der jetzt aufbrandete, beinahe unter. Der Kopf des Hantua klappte wie an einem Scharnier nach vorne, Blut spritzte aus dem durchtrennten Hals und so langsam, als hätte der Körper des Feindes seinen eigenen Tod noch gar nicht wahrgenommen, kippte der Koloss vornüber zu Boden.
„Verdammt!“ schrie Haz-Gor und schaute sich verwirrt um, die Sichel kampfbereit gezückt. „Wo sind sie? Sie sind hier, genau hier! Warum sehen wir sie nicht?“
„Ich rieche sie!“ brüllte Faragyl nun auch. „Ich fühle sie!“
„Elende Missgeburten, jetzt ist euer letzter Atemzug gekommen!“ Karuu schwang seine Klinge und suchte die Umgebung mit den Augen ab.
Sie mussten nicht lange warten. Äste knackten, ein grunzendes Keuchen drang aus dem Dunkel hinter den Tannen hervor und eine Woge üblen Gestanks rollte auf die zehn Krieger zu. Ohne zu zögern trat Rahor direkt vor Lennys, Sham-Yu und Balman taten es ihm gleich.
Dann brachen die Hantua hervor.
Zuerst schien es, als hätte Haz-Gor mit seiner Vermutung recht gehabt, dass etwa die Hälfte der Gruppe in den Bergen den Tod gefunden hatte, doch dann tauchten immer mehr klobige Gestalten zwischen den Bäumen auf. Sie grölten und keiften, schlugen ihre Äxte scheinbar blind mitten ins Kampfgetümmel, um gleich darauf gurgelnd und Blut spuckend zusammenzubrechen. Die Sicheln vollführten einen wilden Tanz, färbten sich blutig rot und verwandelten sich in silberne Blitze, deren Glänzen ineinander verschwamm, während die schwarzen Cas wie fliegende Schatten die Reihen der Feinde durchbrachen. In wenigen Augenblicken war der harte Erdboden mit Leichen bedeckt, mit abgeschlagenen Köpfen und zerfetztem Fleisch, war getränkt vom Blut und zerfurcht von Äxten, deren Besitzer sie nicht mehr halten konnten.
Kaum waren Rahor, Sham-Yu und Balman mit den ersten Angreifern beschäftigt, versuchten einige nachfolgende Hantua, zu Lennys durchzubrechen. Mit einem einzigen Schlag durchschlug sie den Hals des ersten und rammte die Sichelspitze direkt mitten ins Gesicht des nächsten Zrundir-Soldaten. Immer wieder schlug sie neue Hantua zurück, die es geschafft hatten, an den Cas vorbeizukommen. Ein Stück von ihr entfernt, direkt unter den tiefhängenden Ästen einer mächtigen Tanne, lieferten sich Zom und Garuel einen heftigen Kampf mit einem halben Dutzend neu hinzugestoßener Feinde, während nur einige Schritte von ihnen entfernt Faragyl seine Sichel einem Hantua hinterherschleuderte, der sich gerade auf Balman stürzen wollte.
Irgendwann kamen keine Gestalten mehr aus dem Unterholz. Der Strom war verebbt, doch die letzten noch lebenden Angreifer schienen zäher zu sein als ihre Kameraden. Einem von ihnen gelang es, mit seiner Axt Haz-Gor eine tiefe Wunde an der Schulter zuzufügen, ein anderer rang Sham-Yu zu Boden und versuchte den jungen Cas mit bloßen Händen zu erwürgen. Gerade noch rechtzeitig schaffte es Lennys, ihm die Sichel durch seinen löchrigen Lederpanzer hindurch in die Seite zu schlagen, so dass die Eingeweide herausquollen. Mit letzter Kraft schob Sham den Sterbenden von sich herunter.
Es war der Letzte gewesen.
Schweigend betrachteten die Cycala den Kampfschauplatz und sich selbst. Jeder von ihnen hatte mehr oder minder schwere Blessuren erlitten, doch selbst Haz-Gors blutige Schulter bot keinen Anlass zu ernsthafter Sorge.
„Von wegen zwanzig oder weniger.“ bemerkte Rahor als erster. „Mindestens doppelt so viele.“
„Wo kommen die plötzlich alle her?“ fragte Horem. „Ich verstehe das nicht. Wenn eine so große Gruppe in den letzten Tagen durch den Ostbogen gegangen wäre, hätten wir viel mehr Spuren finden müssen.“
„Vielleicht kamen sie gar nicht von dort. Sondern wollten dorthin.“ Das war Sham-Yu.
„Zurück nach Norden? Und dann ausgerechnet auf diesem Weg?“ Horem wirkte nicht überzeugt. „Ich denke eher, dass sie nicht zufällig gerade jetzt hier waren. Sie wussten, dass wir kommen. Sie haben ja regelrecht auf uns gewartet. Das würde auch erklären, warum die Gruppe so groß war. Das sieht ihnen eigentlich nicht ähnlich. Sie könnten...“
Er hielt inne. Die anderen Cas folgten seinem Blick.
Lennys hatte nicht zugehört. Sie ging geradewegs auf einen der Toten zu. Es war gerade der, der sich am längsten gewehrt hatte und der ihr mit einem heftigen Tritt fast das Knie zertrümmert hatte. Nun lag er auf dem Rücken, die ohnehin entstellten Gesichtszüge von klaffenden Wunden durchzogen. Lennys' letzter Sichelhieb entblößte seine Halswirbel.
Ohne auf die Cas zu achten, beugte sie sich hinunter und holte ihren Kelch hervor, um ihn mit dem letzten Blut zu füllen, das aus dem toten Körper rann. Völlig ohne Eile ging sie dann auf einen Felsblock am Rand der Baumgruppe zu. Sie hinkte immer noch, aber gleich würde der Schmerz vergessen sein. Während allmählich die Pferde, die während des Kampfes ein Stück den Weg hinaufgetrabt waren, zurückkamen, setzte sie sich auf den Stein, schloss die Augen und führte dann den Kelch an ihre Lippen.
Erst als sie ihn zur Gänze geleert hatte, folgten die Cas ihrem Beispiel.
Racyls Finger glitten ein СКАЧАТЬ