Sichelland. Christine Boy
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Название: Sichelland

Автор: Christine Boy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844242553

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СКАЧАТЬ wie auch dein Vater ein Krieger ist. In dir fließt das Blut der Batí. Warum willst du Priesterin werden?“

      „Das will ich nicht.“ war die Antwort, die alle Umstehenden verblüffte.

      „Ich will keine Priesterin werden. Aber ich werde diese Ausbildung durchlaufen, auch wenn es niemanden gibt, der das begreift. Ich bin niemandem eine Erklärung schuldig.“

      „Da hast du recht.“ Ry runzelte die Stirn. „Ich gebe zu, dass dieser Entschluss von dir in nahezu jedem längeren Gespräch mit den anderen Priestern ein Thema ist. Du stellst dich Gefahren, die du besser meiden solltest, aber ich bin froh, dass Mondor in einigen Angelegenheiten dein Wegbegleiter war, ist und hoffentlich auch weiterhin sein wird.“

      „Er begleitet mich mehr als nötig.“

      Wieder ertönte Gemurmel. Hier und da klang es etwas empört.

      „Du bist sehr von dir überzeugt, Lenyca Ac-Sarr. Vielleicht wäre dies ein guter Zeitpunkt, dass du auch mich überzeugst.“ Er wandte sich wieder an die anderen.

      „Ihr wisst, was euch heute erwartet und doch habt ihr keine wahre Vorstellung davon. Das Blutopfer für den Großen ist ein heiliges Ritual. So heilig, dass wir es nicht verunstalten dürfen. Nur wenige erreichen den Rang, der sie zu dieser Handlung bevollmächtigt. Doch jenen ist es erlaubt, diese Vollmacht weiterzureichen an jemanden, den sie für geeignet erachten, wenn besondere Gründe dies nötig machen. Ihr seid heute hier, um Zeuge eines solchen Blutopfers werden. Und entgegen der vielen Gerüchte, die sich um diesen Teil eurer Ausbildung ranken, muss ich euch sagen, dass es kein Spiel ist. Es ist ein echtes Opfer und es ist ebenso heilig wie jene, die in großen Schlachten dargebracht werden. In dieser Nacht soll ein Mensch durch meine Hände sterben, um damit dem Großen Ehre zu erweisen.“

      Im Gewölbe herrschte Totenstille. Einige waren kreidebleich geworden, andere zitterten am ganzen Leib. Es war also wahr. Ry würde nicht nur so tun, als ob. Er würde nicht nur erklären, welche Handlungen bei diesem Ritual vorzunehmen waren, er würde es zeigen. Es würde einen Toten geben.

      Nur Lenyca schien nicht überrascht.

      Ry sah sie aufmerksam an.

      „Mondor ist ein sehr gründlicher Lehrer. Er hat dir sicher jeden Schritt genauestens beschrieben. Diese Nacht bringt für dich wohl nichts Lehrreiches mehr, denn ich kenne meinen alten Freund. Es gibt nur eine Möglichkeit, wie auch du in dieser Lektion an Erfahrung gewinnen kannst.“

      Zum ersten Mal zeigte Lenyca so etwas wie Interesse. Ein merkwürdiger, bedrohlicher Glanz trat in ihre Augen.

      „Lenyca Ac-Sarr, du bist eine reine Batí und geschult in allem Wissen des elften Stammes. Dein Blut steht dem Großen näher als das meine. Ich erteile dir hiermit die Vollmacht und den Auftrag, an meiner statt das Blutopfer darzubringen.“

      Die Priesteranwärter pressten sich mit dem Rücken an die Wand des Gewölbes. Niemand hatte es ihnen befohlen, im Gegenteil, Ry hatte ihnen mehrfach deutlich gemacht, dass sie in diesem einen und einzigen Fall durchaus näher herankommen durften. Zwar handele sich es um ein echtes heiliges Ritual, aber sie sollten lernen und sehen und zu diesem Zwecke sei es durchaus gestattet, sich in unmittelbarer Nähe zum Geschehen aufzuhalten.

      Doch keiner kam diesem Angebot nach. Sie alle waren noch viel zu entsetzt über das, was da jetzt vor sich ging.

      Gerade eben erst hatten zwei Säbelwächter eine heruntergekommene Frau mittleren Alters in den Raum geschleift. Sie war einigen nicht unbekannt, hatten doch viele den langwierigen Prozess neugierig verfolgt, der ihr erst vor wenigen Tagen gemacht worden war. Diebstahl des heiligen Silbers aus einem Tempel und Schändung eines Heiligtums, so lauteten die Vorwürfe und das Urteil besagte, dass sie begründet waren. Ein entsetzliches Verbrechen, das ihr den Zorn aller eingebracht hatte, zumal sie sich nicht aus Armut und Hunger dazu hatte hinreißen lassen, sondern aus puren Rachegelüsten, um einem Tempelpriester, der sie verschmäht hatte, eins auszuwischen.

      Erst die Verkündung der Strafe hatte in ihr die Reue geweckt, doch da war es bereits zu spät gewesen. Nun wartete der Tod auf sie.

      Vielleicht konnte sie es selbst noch gar nicht glauben, selbst dann nicht, als die Säbelwächter sie auf dem Altar festketteten. Vielleicht dachte auch sie, ähnlich wie die Priesteranwärter kurz zuvor, dass es nicht zum Äußersten kommen würde, dass dies alles nur eine symbolische Handlung und keine wirkliche Hinrichtung war. Jedenfalls blieb sie stumm, schrie nicht und flehte auch nicht um Gnade. Auch nicht, als Rys Gehilfe, der einige Zeit vorher die Seidenlaken gebracht hatte, nun ein schwarzes Samtkissen hereintrug, auf dem eine vollkommen schlichte, silberne Sichel lag. Sie war um einiges kleiner als die Kriegssicheln der Gebieter der Nacht, aber ebenso scharf.

      Immer wieder wechselten die Blicke der Schüler zwischen der Verurteilten, dem hohen Lehrer Ry und Lenyca, die mit hungrigem Blick, aber ansonsten vollkommen reglos einige Schritte vom Altar entfernt stand.

      „Du weißt, was du zu tun hast?“ fragte Ry sie. Er schien plötzlich etwas unsicher, ob seine Entscheidung die richtige gewesen war, doch als Lenyca ohne zu zögern nickte, entspannte er sich etwas.

      Er nahm das Kissen mit der Sichel von seinem Gehilfen entgegen und trat auf die junge Batí zu. Ein Schauer lief ihm dabei über den Rücken. Gerade jetzt wurde ihm klar, dass, wenn Lenyca auch nur annähernd so mächtig werden würde wie ihr Vater, dies ein wahrhaft historischer Moment war.

      Jetzt nahm sie in einer einzigen geschmeidigen Bewegung die Sichel in die rechte Hand und glitt auf den Altar zu. Dann neigte sie den Kopf und sah der verurteilten Frau direkt in die Augen.

      Einen Moment lang erschien diese zu erstarren.

      Und dann schrie sie.

      So grauenerfüllt und in Todesangst, dass einige Priesterschüler sich entsetzt die Ohren zuhielten und viele sich abwandten.

      Lenyca Ac-Sarr ließ sich Zeit. So viel Zeit, dass Ry nicht umhin kam, den Genuss wahrzunehmen, den sie dabei empfand. Und auch so viel Zeit, dass diejenigen, die ihr Gesicht zuerst lieber in einem Zipfel ihres Umhangs verborgen hatte, nun nach und nach doch aufsahen.

      Die Frau auf dem Altar schrie immer noch, selbst als die unheilvolle Batí über ihr die Ritualformeln sprach.

      „Ven juva simaea eltach. Moren vacumir en moren yeredir. Mendio Ash-Zarr. Baracomen Ash-Zaharr! Ven Yomen Ash-Zaharr!“

      Ihre Schreie wurden lauter, doch ebenso auch die Stimme Lenycas und obwohl die Todgeweihte nun aus vollem Halse kreischte, waren die mystischen Worte immer noch klar und deutlich zu vernehmen.

      Ry war wider Willen beeindruckt. Selbst in seinem Alter und mit seiner Erfahrung fel es ihm immer noch schwer, beim Blutritual derart gemessen und sicher vorzugehen. Natürlich wusste er, dass Lenyca keine Hemmungen hatte, zu töten. Sie war eine Kriegerin. Und sie war schon öfter mit ihrem Vater an Cycalsas Grenzen unterwegs gewesen und hatte mehr als nur ein paar Kämpfe bestritten. Aber das hier war etwas völlig anderes. Es ging nicht um einen Feind, es ging nicht darum, ein Gebiet oder gar sein eigenes Leben zu verteidigen.

      Die Sichel glitzerte im Fackellicht, als sie den Hals der Frau berührte. Diese stieß jetzt nur noch unmenschliche Laute aus, sie weinte und flehte, aber Lenycas Blick blieb kalt und gnadenlos.

      Inzwischen war sich Ry sicher, dass Satons Tochter das ohnehin sehr langwierige Ritual noch weiter in die Länge ziehen würde als nötig. Sie genoss tatsächlich jeden Augenblick und führte jede Bewegung mit einer solchen Perfektion СКАЧАТЬ