Название: Sichelland
Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844242553
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„Mich nennt man Rumpamar. Rumpamar, der Fährer. Aber damit isses nicht mehr weit her. Kann mich kaum noch rühren. Und da kommt mein Neffe daher und faselt 'was, dass die Heilerin der Shaj meine Schmerzen lindern könne. Dummes Geschwätz, dachte ich. Kenn' ihn ja. Aber als ich ihn fragte, wo sie denn sei, die Heilerin, da wollte er mich plötzlich davon abbringen. Dachte wohl, ich will das gar nicht. Dummkopf. Wenn er meine Knochen hätte, würde er anders denken.“
Sara legte den Kopf auf die Seite.
„Hat euch denn schon einmal jemand behandelt? Oder habt ihr selbst Arzneien ausprobiert?“
„Euch? Ihr? Nee nee, junge Dame, mich kannste duzen. Eigentlich bist du ja die hohe Persönlichkeit, nicht ich. Nee, hab nie was ausprobiert. Will mich ja nicht vergiften. Doch, da war mal so 'n komisches Fett von irgendwelchen Hirschen oder so. Hat nix geholfen. Hat mir mal 'n Freund mitgebracht. Das Zeug war gut zum Kochen, aber nicht gegen die Schmerzen. Aaaah, ich sag dir, mein Rücken machts nimmer lang und die Knie auch nicht.
Nachdenklich musterte Sara die Hütte. „Es ist zugig hier. Da hilft auch das Herdfeuer nichts.“
„Tut mir leid, junge Dame, dass es hier nicht so schön is wie in der Burg oben. Bin froh, wenn ich mir das täglich Brot leisten kann.“
„Das meine ich nicht. Aber wenn du Sommer wie Winter hier lebst, ist es kein Wunder, dass deine Gelenke steif werden und schmerzen. Du bist den ganzen Tag draußen am Fluss, da ist es nass und kalt. Da wäre es besonders wichtig, dass du dich abends aufwärmst.“
„Wem sagste das? Aber hat halt nicht jeder so ein schönes Haus wie die Shaj oder so. Ne, mehr geht halt nicht. Hätte besser doch Jäger werden sollen wie mein Vadder. Oder wenigstens Schuster wie mein Bruder. Beide früh gestorben, aber nicht so arm wie ich. Aber ich wollt' immer an den Fluss. Weiß auch nicht, warum. So isses halt. Und der da....“ Er nickte zu Yos. „Der hat auch nix Gescheites gelernt. Würd ja sagen, der endet wie ich, aber das is ja jetzt schon so. Teilt sich mit mir die Hütte und hilft mir, wenn ich bei der Arbeit nicht mehr kann. Ja, so isses. Wie soll ich mir da 'ne warme Stube oder 'n Heiler leisten, hä?“
Irgendwie tat Sara der alte Rumpamar leid. Er hatte ehrliche Augen und ein offenes Lächeln.
„Wenn ich dir Silber gebe, wirst du mir dann versprechen, davon warme Kleidung zu kaufen? Und Baumaterial, um die Löcher in den Wänden abzudichten? Und nicht etwa Sijak?“
„He he, junges Fräulein, mit dem Teufelszeug hab ich nix am Hut. Trinke nur mal 'n Becher Wein zu besonderen Gelegenheiten. Zu meinem Geburtstag gönn ich mir das mal oder wenn was Wichtiges in der Stadt passiert. So wie die Shaj-Wahl. Aber sonst nicht. Mein Magen verträgt sowas nicht so gut. Nee, aber wieso willst'n mir Silber geben? Hast doch nix davon. Und ich kann dir auch nix dafür geben.“
„Das lass meine Sorge sein.“ Sie nahm einen kleinen Beutel aus ihrer Tasche, holte einige Münzen hervor und legte sie auf den wackeligen Tisch, der neben der Liege stand. Rumpamar und Yos machten große Augen. Sicher hatten sie noch nie so viel Geld besessen.
„Warme Kleidung, Holzbretter, Decken und was du sonst noch brauchst. Meinetwegen auch eine Flasche Wein. Und jetzt würde ich mir gern mal deine Gelenke ansehen, wenn ich darf. Ich glaube, ich habe etwas, was dir sehr schnell Linderung verschaffen wird.“
Der alte Fährer war viel zu beeindruckt, als dass er Sara diesen Wunsch verwehrt hätte. Es gefiel ihm, wie das Mädchen vorsichtig seine brennenden Knie, den steifen Rücken und die dürren Arme betastete und er gab bereitwillig auf all ihre Fragen Antwort.
Nach einer Weile war Sara fertig und kramte in ihrer Tasche, bis schließlich ein Töpfchen mit einer braunen Paste zum Vorschein kam.
„Das ist eine Salbe aus verschiedenen Kräutern, dem Hirschfett, dass du schon kennst und mehreren Ölen. Das Fett hat tatsächlich keine Wirkung, die Kräuter und Öle umso mehr. Reib dir jeden Morgen und Abend die schmerzenden Stellen damit ein. Schon morgen wirst du eine erste Linderung verspüren. Die volle Wirkung entfaltet die Salbe erst nach ein paar Tagen. Benutze sie, bis du keine Schmerzen mehr hast. Aber nicht länger. Und von da an nur, wenn du merkst, dass es wieder schlimmer wird. Wenn sie leer ist, schicke eine Nachricht an mich. Und sollte ich nicht in Vas-Zarac sein, dann schicke sie an Afnan, den Hauptkämmerer der Burg. Ich werde ihn darüber informieren.“
Rumpamar war vollkommen sprachlos. Ungläubig kratzte er mit einem Finger ein wenig von der Paste aus dem Töpfchen und bestrich sein rechtes Knie damit. Sofort fühlte er, wie die Stelle von einer angenehmen Wärme durchdrungen wurde.
„Gibt's nicht. Gibt's nicht.“ murmelte er immer wieder. Noch waren die Schmerzen da, Sara hatte ja gesagt, dass es anfangs dauerte, bis sich die Wirkung zeigte. Und doch spürte er, dass diese Salbe ihm helfen würde. Er war sich ganz sicher und wagte es doch nicht, daran zu glauben.
„Die kostet bestimmt 'n Vermögen.“ sagte er dann bekümmert. Das kann ich dir nie bezahl'n. Und das da....“ Er deutete auf die Silbermünzen. „Das kann ich auch nicht zurückbezahl'n. Nimms besser wieder mit. Soviel verdien' ich nie, nicht mal, wenn ich gesund bin.“
„Du musst es mir nicht zurückgeben. Und die Salbe musst du auch nicht bezahlen. Auch nicht, wenn du noch mehr davon benötigst.“ Sie räusperte sich und warf Yos einen auffordernden Blick zu.
Allmählich begann der Alte zu begreifen.
„Was hast'n ihr dafür versprochen?“ fragte er seinen Neffen barsch. „Jetzt sag schon oder willste mich zum Narren halten? Sie macht das doch nicht, weil sie dich so gern hat. Also?“
Yos wurde blass.
„Mensch, Onkel, ich dachte doch, sie wär 'ne Stümperin. Und noch biste ja nich' geheilt. Die kann doch viel erzählen! Und ich hab ihr gar nix versprochen! Hab nur gesagt, dass ich mit dir rede, sonst nix.“
Bevor Rumpamar noch etwas darauf erwidern oder auf seinen Neffen losgehen konnte, mischte sich Sara ein.
„Ich muss zur Grenze ans Mittelland. Und ich brauche dazu jemanden, der mich in einer Barke oder einem guten Boot an der Westküste entlang bis zu den Ruinen von Chaz-Nar bringt. Und das möglichst schnell. Es stimmt, Yos hat mir nichts versprochen. Aber ich habe das. Ich habe ihm mein Wort gegeben, dass ich dich heile, wenn er sich dazu bereiterklärt. Aber in meinem Tempel habe ich auch einen Schwur geleistet, nämlich den, dass ich Menschen helfe, die diese Hilfe auch brauchen. Und das habe ich getan. Auch, wenn Yos mir jetzt seinerseits seine Unterstützung verweigert.“
Rumpamar stand auf. Es kostete ihn viel Mühe und Kraft und er musste ein Stöhnen unterdrücken. Aber dann sah er seinem Neffen gerade in die Augen. Und plötzlich klang er überhaupt nicht mehr wie ein einfacher, alter Fährer, sondern wie jemand, der sehr wohl mit Worten umzugehen wusste.
„Dieses Mädel hat mehr für mich getan, als du in deinem ganzen Leben! Ich habe dich ernährt als deine Eltern starben. Meine Hütte ist klein und arm, aber ich teile sie mit dir. Du bekommst deinen Lohn, wenn du für mich auf den Fluss fährst. Aber das, Yos, das ist jetzt eine Schuld, die du begleichen musst! Du wirst sie zu den Ruinen bringen, hast du mich verstanden? Wenn es sein muss, schon heute! Dieses eine Mal wirst du mir keine Schande bereiten!“
Sara verkniff sich ein Grinsen. Mehr noch, ihr Herz schien vor Freude zu explodieren. Daran konnte auch Yos' niedergeschlagenes Gesicht nichts ändern.
„Aber Onkel...“
„Nein, СКАЧАТЬ