Kleine Frau im Mond. Stefan Boucher
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Название: Kleine Frau im Mond

Автор: Stefan Boucher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754174128

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СКАЧАТЬ weiß ich nicht. Ich hätte mit allem gerechnet, aber … Na, und ganz bestimmt nicht mit Oberth. Gail schon eher.«

      »Weil Gail für das Volk schreibt?«

      »Ja«, rief Manfred aus. »Natürlich. Das ist wichtig. Gerade die Weltraumbücher. Der Breslauer Raketenverein hat soviel getan dafür, dass man die Raketenluftfahrt ernst nimmt. Nicht nur die Visionäre.«

      »Finde ich auch.«

      »Aber du bist noch so jung. Wie …«

      »Mein Vater. Er liest auch so etwas!«

      »Dein Vater? Erstaunlich. Ist er in der Rüstung?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein, bei der Bahn. So wie ich vorher. Er führt ein kleines Stellwerk in Lichterfelde, oder eher außerhalb. Auf dem platten Land. Ganz hübsch, umgeben von Birken. Und …«, sie hob wichtig ihren Zeigefinger, wie ihr Vater das gerne tat, »… seit ´42 mit einem Schutzraum unterkellert!«

      »Oho«, sagte Manfred und warf seine Stirn in Falten. Mara konnte sich gut vorstellen, was dahinter vor sich ging. Wie kam ein kleiner Bahnbeamter dazu, über Weltraumphysik zu lesen? »Und deine Mutter?«

      Maras Miene trübte sich ein. »Sie ist tot. Schon lange. Seit sieben Jahren.«

      Er schwieg betroffen. Eigentlich wollte er mehr fragen, aber sie waren an der Dienststelle angelangt und er mochte ein solches Thema nicht anreißen und dann unvollendet lassen. Daher holte er Luft.

      »Ich mag Jan Mayen. Die Geschichten des deutschen Abenteurers, der auf der ganzen Welt das Böse bekämpft.«

      »Die Serie kenne ich auch. Aber die gibt es doch gar nicht mehr?!«, war sie verwundert.

      »Stimmt, aber ich kenne einen Trödler am Schlesischen Bahnhof, der hat manchmal welche. Wenn man weiß, wie.« Er lachte.

      Mara lachte zurück. »Ach, und du weißt wohl wie

      Er grinste. »Er haust in einem der Kellerläden. Weißt du, einer von denen, zu denen man über enge Treppen hinabsteigen muss wie in ein Verlies.«

      »Kenne ich. Also, nicht diesen Laden. Aber Läden wie diesen.«

      »Ja, man muss immer warten, bis wenig los ist und dann bekommt man was man will. Oder man gibt eine Bestellung auf. Das mache ich seit ich ein Kind bin.«

      »Das ist aber teuer, auf Bestellung. Oder?«

      »Früher, als ich jung war, habe ich mit einem Hufeisenmagneten Münzen aus Lüftungsschächten gesammelt. Und wenn kein Magnet zur Hand war dann mit einer Stange, an die ich einen Löffel gebunden hatte.« Beide lachten.

      Mara stellte sich das vor und hielt sich den Bauch. Die Leibschmerzen waren verschwunden, die Spannung hatte sich gelöst.

      »Besonders gut sind auch die alten Hefte der Kolonial- oder der Erlebnisbücherei. Die sind seltener. Aber er tauscht sie im Verhältnis von 1:3 gegen Hefte aus der Kriegsbücherei der deutschen Jugend.«

      »Ja, die sind doof«, pflichtete sie ihm bei, obwohl sie nur zwei Ausgaben davon gelesen hatte. Aber die waren weder spannend und erst recht nicht phantasievoll. Da boten die Kolonialgeschichten schon mehr Exotik.

      Mittlerweile stiegen sie die enge Turmtreppe hinauf und kamen an ihren Büros an.

      »Halt dich tapfer«, raunte er ihr zu und seine Augen zwinkerten freundlich hinter den Brillengläsern. »Und wenn du nicht weiter weißt, denke dir einen Vorwand aus, um rüberzukommen. Dann kannst du mich fragen. Die drei Grazien bei dir … ich werde nicht warm mit denen.«

      »Ach wirklich. Man glaubt es kaum«, sagte Mara nur und spürte einen leichten Anflug von schlechter Laune bei dem Gedanken an ihre Bürogemeinschaft. Bis eben war es ihr gut gegangen.

      Sie verabschiedeten sich und betraten ihre Büros.

      Mara hängte ihren Mantel auf und setzte sich an ihre Remington. Auf ihrem Tisch lagen Dutzende von Listen, darauf ein handschriftlicher Vermerk: ›Heute!‹ Innerlich seufzte sie, aber der Blick auf die Remington heiterte sie fast wieder auf. Sie ging zu dem Formularschrank und zog die notwendigen Vorlagen heraus. Dann begann sie zu tippen. Mit der ersten Berührung der runden Tasten und dem mittlerweile vertrauten Druck des Randes gegen ihre Fingerkuppen wuchs das Gefühl, die Dinge bewältigen zu können und eigenverantwortlich zu sein.

      Mara hatte den ganzen Vormittag über mit ihren Listen zu tun und keine Gelegenheit gehabt, überhaupt an eine Unterbrechung zu denken. Die drei Kolleginnen waren wortkarg wie immer und als sie wie auf ein geheimes Kommando hin aufstanden und den Raum verließen, wusste sie, dass die Pause angefangen hatte. Von Manfred hatte sie nichts gesehen. War er sehr beschäftigt? Oder hatte sie etwas gesagt, das er vielleicht missbilligte?

      Sie zog den Formularbogen aus der Walze und passte auf, dass ihr die Durchschläge nicht verrutschten. Wegen dieses Malheurs hatte sie heute schon zweimal eine Liste neu abtippen müssen.

      »Heil Hitler«, flog die Tür auf und die Schnatterer kam rein. Ein schneller Blick ging nach links und rechts, bemerkend, dass Mara arbeitete, während die anderen sich verdünnisiert hatten.

      »Noch keine Pause, Fräulein Prager? Wenn Sie so gut wären, heute …«. Der Rest des Satzes blieb ungesagt und ging unter in dem anschwellenden Heulen der Luftschutzsirenen. Es war 12.45 Uhr. Sie rollte mit den Augen und winkte Mara nur aus dem Zimmer. Das Mädchen lief den Gang entlang und sah, dass Frau Schneiderer hinterherkam und jede Zimmertür öffnete, als könnten nicht alle die Sirene hören.

      Wie schon gestern fand sich die Belegschaft im Keller zusammen und nahm schweigend Platz. Das Dröhnen der Bombermotoren wurde zunehmend lauter. Menschen tuschelten. Sie konnte mithören, dass man sich fragte, welche Stadtteile es diesmal treffen würde. Ein immer neues Ratespiel begann. Sie reckte den Hals, aber nirgends entdeckte sie Manfred. Die dumpfen Schläge aus Richtung der Flaktürme verdeutlichten, dass die Bomberpulks jetzt schon gefährlich nahe waren. Langsam erstarben die Gespräche. Frau Schneiderer saß schräg rechts von ihr, sie war als eine der Letzten reingekommen. Stabsfeldwebel Sauerland weiter links. Vielleicht war Manfred im Haus unterwegs und woanders untergekommen?

      »Wissen Sie, wo Manfred ist?«

      Ihre Nachbarin sah sie bloß an und zuckte die Schultern. »Obergefreiter Halber«, präzisierte Mara. »Verwaltung.«

      »Natürlich kenne ich Manfred, aber ich habe keine Ahnung«, flüsterte die andere. Dann legte sie den Zeigefinger auf die Lippen und wies auf den Schriftzug an der gegenüberliegenden Wand: ›Nicht sprechen‹.

      Sie nickte tonlos und folgte ihren Gedanken.

      Ähnlich wie gestern grummelten die Motoren anhaltend über ihnen, aber diesmal hob ein dumpfes Grollen an, weit entfernt. Die Einschläge!

      »Sie zielen nicht auf Mitte«, flüsterte ihre Nachbarin. Erneut nickte Mara. Da es sonst nichts zu tun gab, blickte sie die Reihen entlang. Kein Manfred. Nach einer langen Zeit verebbte das Dröhnen und fünfundzwanzig Minuten später, um 14.34 Uhr, gab es Entwarnung. Wieder ereignete sich das gleiche Spiel wie am Vortag. Überall im Haus schellten die Telefonapparate und Frau Schneiderer gab für ihren Gang abermals die Parole aus: »Nur dienstliche Telefonate!« Doch nicht jeder hielt sich daran. Verwandte riefen an und erfragten, ob die Hohenstaufenstraße СКАЧАТЬ