Kleine Frau im Mond. Stefan Boucher
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Название: Kleine Frau im Mond

Автор: Stefan Boucher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754174128

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      »Vor der Schnatterer musst Du dich etwas vorsehen. Verzeihung, Schneiderer. Wir nennen sie Schnatterer. Sie ist schneller als alle und weiß alles besser. Meist sogar schneller und besser als der Chef.«

      Mara nickte, das hatte sie sich vermutet.

      »Und ja, du musst schneller schreiben. Ich weiß nicht, wie schnell du schreibst, aber für sie geht es niemals schnell genug. Räder müssen rollen für den Sieg

      »Das sagen wir bei der Bahn auch.«

      »Und die Schnatterer meint es so«, brummte er trocken. Die Türmchen der Hausnummer 47/48 kamen in Sicht. »Liest du? Kann ich du sagen?«, fragte er unvermittelt persönlich.

      Für Mara kam das überraschend. Sie wollte lieber nicht ganz so private Dinge besprechen. Also nickte sie stumm und etwas unsicher.

      »Ich habe gesehen, dass deine Uniform grünlich ist. Die von Stabsfeldwebel Sauerland ebenfalls. Aber die von den beiden Soldaten gestern feldgrau«, sagte sie stattdessen.

      »Dunkelgrüne Uniformtuchunterlagen bedeuten Militärverwaltung.« Er zupfte ein wenig an seiner Uniform. »Feldgrau ist Truppe. Das lernst du schon. Bis Anfang des Jahres hatten wir noch die Kennzeichnung ›HV‹ auf den Schulterstücken. Jetzt einen Merkurstab.« Er spürte die Frage, die sie nicht stellen mochte. »HV steht für ›Heeresverwaltung‹«. Sie nickte leicht. Dann zerrte er etwas an seinem Uniformmantel und versuchte, ihr eines der Schulterstücke zu zeigen, doch das misslang. »Der steht für …«. Sie schien nicht besonders interessiert, also gab er den Versuch auf. »… Handel. Als Symbol … .«

      Sie staunte zwar ein wenig, sagte aber nichts weiter. Ein Lastwagen mit aufgesessenen Polizisten auf der Pritsche brauste vorbei.

      »Es gibt noch viel mehr Besonderheiten. Wenn du jemanden mit einer goldenen Litze über den Schulterstücken siehst, kann das ein Sonderführer sein. Ein Arzt oder Architekt in Diensten des Militärs, aber ohne militärische Ausbildung. Auch die Kragenspiegel sind andere.«

      Gemeinsam tauchten sie ein in den Nebeneingang, aus dem Manfred gestern die Akten getragen hatte, und stiegen in den ersten Stock empor.

      * * *

      Die Stunden des Vormittags folgten einander in rascher Folge. Die Schnatterer war nur einmal Heil Hitler rufend reingestürmt und hatte dabei die Tür an die Wand geknallt, um die Abgabe einiger Listen bis heute 15 Uhr anzumahnen.

      »Türen müssen knallen für den Sieg«, hatte später eine der anderen Frauen gemurmelt. Die drei pflegten mit dem Mädchen keinen Kontakt. Sie kamen, schrieben, machten Pause und tippten weiter. Dann gingen sie – wohin und zu wem, niemand sprach jemals darüber. Mara hatte ihrerseits genug mit der Remington zu tun. Als sie gestern die ersten Schreibversuche unternehmen wollte, waren die Tasten zunächst nicht zu drücken, bis sie auf den Hebel an der Seite aufmerksam wurde. Wenn sie den zog, klappte es. Dies ließ sie über den Begriff »portable« nachdenken. Natürlich – transportabel. Das musste eine Reisesicherung sein, damit die Hämmerchen mit den Buchstaben sich unterwegs nicht verhakten. Mittlerweile ging es besser und auch das Band hatte sie bereits gewechselt, das Alte war eingetrocknet gewesen. Dabei hatte sie sich die Finger verschmiert und trotz Kernseife waren die dunkel geblieben.

      Der Zeiger der Uhr rückte auf die Mittagszeit zu, als laute Schritte auf dem Gang zu hören waren. Die Tür wurde aufgerissen und donnerte vernehmlich an die Wand: die Schnatterer! Ihr Blick flog durch den Raum. Alle tippten weiter, als sei nichts geschehen. Bis auf Mara. Die Büroleiterin hob ein eng beschriebenes Formular hoch.

      »Fräulein Prager, ganz wichtig. Eine Gefallenenliste der SS. Muss sofort übertragen werden und unbedingt noch heute raus. Eine Durchfertigung für den Reichsführer SS, eine ans OKW und eine geht nach Saalfeld in Thüringen.« Mit diesen Worten reichte sie ihr den Zettel, eine getippte Liste mit handschriftlichen Ergänzungen und Vermerken, die sie kaum lesen konnte, aber sie traute sich nicht zu fragen. Im Nu war die andere wieder verschwunden.

      Mara ging zu einem der Aktenschränke und zog sich das entsprechende Formblatt heraus sowie Durchschlagpapier.

      Dann setzte sie sich und war nach nur zehn Minuten fertig.

      »Entschuldigen Sie, gebe ich die Liste gleich in den Postausgang oder will Frau Schneiderer die sehen?«, fragte sie in die Runde.

      Zunächst antwortete niemand, dann erbarmte sich eine der drei Frauen, die ältere Frau Völker mit Pferdegebiss, ungefähr Mitte dreißig. Mara hatte sie vom Ansehen her eigentlich ganz nett gefunden. »Hat sie was darüber gesagt?«

      Das Mädchen runzelte die Stirn. Frau Schneiderer hatte doch laut genug gesprochen, dass es jeder gehört haben musste. »Nein, hat sie nicht«, erwiderte sie langsam und vorsichtig.

      »Eben«, kam von einer anderen Kollegin zurück und Frau Völker sekundierte: »Also.«

      Mara blieb der Mund offen. Was war das für eine Antwort? Damit konnte sie überhaupt nichts anfangen. Sollte sie Frau Schneiderer fragen? Das traute sie sich nicht. Sie verglich penibel die ursprüngliche Liste und ihre Abschrift. Alles schien zu stimmen. Auch die Schreibweise von Namen hatte sie geprüft.

      Daher stand sie auf und legte das Dokument in ein Ausgangskörbchen. Es war kurz nach zwölf, als Manfred die Tür öffnete und in die Runde frage: »Sind die Listen fertig? Der Bote kommt gleich und Frau Schneiderer will die Unterlagen sehen.«

      »Jetzt! ... Ist alles da«, sagte Frau Völker, zog ein Papier aus ihrer Maschine und hielt es dem jungen Mann hin, wobei sie ihm ein vieldeutiges Lächeln schenkte. Er nahm es, legte es in das Körbchen und griff den Stapel heraus.

      »Um 12.30 Uhr ist Pause. Hast du schon was vor?«, fragte er in Maras Richtung, linste aber auf die Maschine. Sie schüttelte den Kopf, bemerkte jedoch genau, dass die anderen drei sich gegenseitig ansahen. »Gut«, freute er sich. »Ich komme dann in zehn Minuten rüber.«

      Mara lehnte sich zurück. Sie fühlte sich hier nicht wohl. Die anderen arbeiteten nur für sich und wenn sie selber etwas fragte, reagierte niemand. Höchstens einen Blick schenkte man ihr. Doch es würde schon werden, beruhigte sie sich. Es war ja erst ihr zweiter Tag. Sie legte einen Bogen Papier ein und tippte ihren Namen. Mara. Mara Prager. Prager. Praharczyk, als abermals die Tür aufflog und die Schneiderer hereinstürmte.

      »Was habe ich gesagt, Fräulein Prager? Ich will eine saubere Liste bis heute um 15 Uhr?!«

      Sie blieb vor dem Mädchen stehen und hielt die Vordruckbögen in der Hand. Mara wusste nicht, was sie wollte.

      »Ich habe … die Liste ist doch fertig. Hier …«, sie zog die Originalliste heran, die auf ihrem Tisch lag. »Alles übertragen und korrekt.«

      »Wissen Sie eigentlich was die SS ist?«, fragte die Büroleiterin zischend.

      Mara blinzelte. Es verschlug ihr den Atem. »Habe ich was falsch …«

      »Ob Sie was falsch gemacht haben? Menschenskind? Sehen Sie sich die Liste mal an!«

      Sie las. Namen, Ränge, SS-Truppenteile, Daten. Sie verglich ihre Abschrift mit dem Original. Was sollte denn nicht stimmen?

      »Sie merken es nicht, oder? Schreibt man so ›SS‹? Soooo?«, wütend tippte die Frau immer wieder auf den Doppelbuchstaben ›SS‹ auf СКАЧАТЬ