Kleine Frau im Mond. Stefan Boucher
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kleine Frau im Mond - Stefan Boucher страница 20

Название: Kleine Frau im Mond

Автор: Stefan Boucher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754174128

isbn:

СКАЧАТЬ keinen Umständen entfernen Sie etwas von hier. Außer Sie haben eine schriftliche Genehmigung dafür. Merken Sie sich das. Ohne Ausnahme«, schnauzte sie.

      Wieder war Mara zum Weinen zumute, daher sagte sie nichts, sondern streckte ihr die Liste entgegen mit der korrekten Typografie der SS-Runen.

      »Die legen Sie mir morgen in den Korb. 15 Uhr ist vorbei.« Dann ging sie.

      Maras Unterlippe zitterte. Sie war wütend. Es hieß, alles sei immer so dringend. Und jetzt wurde die Post einfach am nächsten Tag abgeholt? Wo war da der Sinn? Sie erkannte keinen. Vorsichtig musterte sie die Frauen. Die schrieben weiter, als sei nichts geschehen – in der Tat waren sie ja nicht betroffen.

      Als die Arbeitszeit um war, machte niemand Anstalten zu gehen, daher blieb Mara ebenfalls. Eine nach der anderen verschwanden die Kolleginnen, nachdem sie ihr Pensum erledigt hatten. Da sie langsam tippte, war sie nicht annähernd fertig. Heute würde es wohl später werden.

      Es war bereits halb sechs und draußen wurde es dunkel, als Manfred durch die Tür schaute und sagte, dass er etwas Luft schnappen wolle. Sie ging mit. Beide gesellten sich zu einigen Soldaten aus anderen Abteilungen, die schon wieder Scherze machten. Jemand rauchte und bot ihr eine Zigarette an, sie lehnte dankend ab.

      »Ist auch besser so«, meinte der Gefreite. »Das kann man auch nicht rauchen: das Papier zu dick, grau und gefüllt mit einem Kraut einheimischer Herkunft. Echter Tabak wird heute in Gold und Devisen aufgewogen.«

      Warum qualmt er dann?, fragte sie sich und grübelte, wie es Vater wohl ginge. Sein Stellwerk lag zwar vor der Stadt, doch es hieß, der Terrorangriff habe auch den Süden getroffen. Sie hoffte inständig, dass ihm nichts geschehen sei. Private Telefonate waren verboten, aber er hatte ja nicht einmal ihre Nummer und könnte sie gar nicht erreichen, selbst wenn er das wollte.

      Nachdenklich und schweigsam stand sie zwischen den Männern, als eine kleine Gestalt neugierig heranschlich. Es war Heinz, der merkwürdige Sohn der Butzkes. Woher er kam, wusste sie nicht, aber er war hier ein ganzes Stück von zu Hause entfernt, hatte die Straße überquert und war stehengeblieben. Dabei sah er sie an und sein Mund hing offen wie ein Scheunentor, blödsinnig sah er aus.

      »Sieh mal den Kleinen«, sagte einer der Soldaten und tat einen tiefen Zug aus seiner Zigarette.

      »Ist was, Kleiner? Willst du eine Zigarette?«, fragte ein anderer recht freundlich, doch Heinz rannte bloß davon. Jetzt erst bemerkte sie, dass er einen Beutel in der Hand hielt, der beim Laufen schepperte. Ihr fiel ein, dass Vater einmal erzählte, dass der Hausmeister ihn zum Nägel sammeln schickte, wenn er sonst nichts für ihn zu tun hatte.

      »Mein Nachbarsjunge Heinz. Er wohnt in unserem Haus.« Sie lächelte schief. Stolz war sie auf die Bekanntschaft nicht. Immerhin war er schon 14 und keineswegs so jung, wie er aussah. Nur klein geblieben.

      Die Soldaten kicherten. Einer lästerte, der Junge müsse zur U-Boot-Waffe, dort könne er die Torpedorohre im Stehen säubern. Mara lachte kurz mit. Das sagte Vater Butzke auch manchmal, oft gefolgt von der Bemerkung aber dafür bist du zu dumm. Dann wuschelte er ihm für gewöhnlich liebevoll über den Kopf und trotz allem lächelte Heinz dankbar zurück. Sie mochte ihn nicht besonders, aber er konnte ja nichts dafür, dass er seltsam wirkte.

      Die anderen tauschten sich über die Abschüsse der Flak aus. Einer glaubte gehört zu haben, dass man siebzehn Feindbomber runtergeholt habe, ein anderer wollte von siebzig erfahren haben. Mara ging wieder hinein. Sie verstand davon nichts und es langweilte sie. Siebzehn, siebzig, siebenhundert … sie wollte mit ihrer Arbeit schnell fertig werden und dann nach Hause. So wie sie selber, machte ihr Vater sich sicher ordentlich Sorgen.

      * * *

      Sie war eine Stunde später nicht weit die Fasanenstraße hochgelaufen, als Blockwart Kämmerlin ihr entgegenkam. Sie grüßte höflich und er nickte bloß, anscheinend war er in Gedanken. Kaum hatte sie ihn passiert, sprach er sie doch an.

      »Fräulein Prager, ich suche den Heinz. Wissen Sie, wo ich ihn finde? Ich war schon gestern bei Butzkes aber er war nicht da.«

      Sie schüttelte den Kopf. Das genügte ihm, denn er ging weiter.

      Den restlichen Weg überlegte sie, ob sie ihm hätte sagen sollen, dass sie den Jungen heute gesehen hatte. Es würde schon nicht so wichtig sein. Gegen 19 Uhr war sie zuhause und fand die Wohnung leer. Sorge keimte hoch, Vater nicht da! Hektisch dachte sie nach, als endlich Tritte auf der Treppe erklangen, seine! Freudig eilte sie zur Tür und riss sie auf. Schwer atmend stieg Bruno Prager die letzten Stufen empor, aber etwas stimmte nicht.

      »Geh rein«, herrschte er sie an. Mara erschrak. Hatte er wieder getrunken? Sie roch nichts. Er wedelte wild mit seinen Händen und drängte sich vorbei, dann schloss sie hinter ihm die Tür.

      »Wo warst du? Wo hast du dich rumgetrieben?«, platzte es aus ihm heraus.

      »Ich, ich …« begann seine Tochter, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.

      »Ich bin bis zur Hohenstaufenstraße und zurückgelaufen. Dort warst Du nicht. Jetzt bist du hier. Wo treibst du dich rum? Ich habe auch mit Herbert telefoniert. Erzähl mir nicht, dass du am Bahnhof warst.« Ihr Vater war außer sich. Speicheltropfen spritzten vor Wut aus seinem Mund. Er hatte nicht einmal den Hut abgenommen oder den Mantel ausgezogen, sondern sofort losgeschrien.

      »Ich musste länger arbeiten. Es sind wichtige Dinge fertigzuschreiben. Berlin wurde angegriffen, falls du das nicht gemerkt hast«, nahm sie ihren Mut zusammen und keifte zurück. Der Tag war hart genug gewesen und jetzt das!

      »Täglich wird Berlin angegriffen und doch kommst du sonst nicht zu spät. Mit wem sprichst du und mit wem treibst du dich rum?«

      »Mit absolut niemandem!«, rief sie verletzt und ging in ihr Zimmer, doch ihr Vater war nicht fertig.

      »Die Stelle am Fahrkartenschalter ist ehrbar. Ohne mich hättest du sie nicht bekommen und so dankst du es mir. Bei der ersten Gelegenheit suchst du dir etwas anderes. Wenn Herbert und ich …«

      »Ich kenne die Geschichten von dir und Herrn Bommel. Nur ihr zwei gegen die Franzosen im Argonnerwald …«

      »Wage es ja nicht, Witze darüber zu machen. Was Vaterlandsliebe und Einsatz von Leib und Leben angeht, davon hast du ja noch gar nichts gelernt.«

      Drohend stand er in der Tür. Ihr Zimmer war klein, die Dachschrägen taten das Übrige. Sie fühlte sich nicht bedroht, aber bedrängt und konnte sich kaum bewegen. Beleidigt aufs Bett zu fallen war ihr zu nahe an kitschigen Heftromanen, die es überall gab und die sie bislang verabscheut hatte zu lesen.

      »Ich will etwas Sinnvolles tun, Vater. In der Fahrkartenstelle … Ich reiße Papier ab. Lass es mich in der Wehrmachtauskunftstelle versuchen. Herr Bommel sagt, ich könnte jederzeit wiederkommen. Dort tue ich etwas Sinnvolles.«

      Sie setzte sich auf ihr Bett und zog eines der Bücher heran, in denen sie las. Meistens schmökerte sie in mehreren gleichzeitig.

      »Sinnvoll? Sinnvoll wie das da?« Er zeigte auf den Einband. »Hör auf zu träumen, Mara. Komm mal im Leben an. Das ist ernster als deine Schundromane und Zukunftsgeschichten. Du und deine Phantastereien …« Ehe sie es näher an sich heranziehen konnte, sprang er darauf zu, griff es und hebelte mit einer Handbewegung ihr Fenster auf, um es im hohen Bogen auf die Straße hinunter zu werfen.

      »Raaagh. Was tust СКАЧАТЬ