Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
isbn:
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Von dem Vorwurf der Marktmanipulation kann sich die Person, die einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, die die vorgenannten Kriterien erfüllte, befreien, wenn sie nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der in Art. 13 MAR geregelten zulässigen Marktpraxis steht.
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Wie die vorgenannten Beispiele zeigen, ist eine Verwirklichung des Tatbestands durch informationsbezogene Handlungen denkbar, z.B. durch die Verbreitung unrichtiger Behauptungen über wesentliche Tatsachen oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen oder wesentlicher Interessen.[86]
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Dies bedeutet für Emittenten nicht nur, dass den in diesem Kapitel beschriebenen Meldepflichten insofern zu entsprechen ist, als dass die in den Mitteilungen erklärten Tatsachen stets wahrheitsgemäß sein müssen, sondern auch, dass Emittenten ihre Mitarbeiter entsprechend sensibilisieren und schulen müssen, damit es nicht zu einer unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen kommt oder zur Entstehung und Verbreitung von Gerüchten, die falsche Signale in den Markt senden (Art. 16 MAR). Allerdings kann der Tatbestand der Marktmanipulation nur vorsätzlich erfüllt werden.
2. Teil Emittenten-Compliance › 2. Kapitel Aufbau einer kapitalmarktbezogenen Compliance-Organisation bei Emittenten › X. Entsprechenserklärung
X. Entsprechenserklärung
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In den Rahmen der Emittenten-Compliance wird man auch die Abgabe und Kontrolle der Einhaltung der Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG einzubeziehen haben. Zwar ist diese Norm kraft Regelungszusammenhangs in erster Linie den gesellschaftsrechtlichen Publizitätspflichten zuzuordnen, doch hat sie entsprechend der Zielvorgabe des DCGK, das Vertrauen potentieller Anleger in die Ordnungsmäßigkeit und Transparenz der Unternehmensleitung und -überwachung deutscher Unternehmen zu stärken, auch eine starke kapitalmarktrechtliche Komponente.[87] Nach § 161 Abs. 1 AktG müssen Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften jedes Jahr erklären, ob sie den Empfehlungen des DCKG in der Vergangenheit entsprochen haben und ihnen auch zukünftig entsprechen werden. Diese Erklärung ist nach § 161 Abs. 1 AktG auf der Internetseite des Unternehmens dauerhaft zugänglich zu machen. Die Regelung wurde im Jahr 2002 durch das TransPuG[88] in das AktG eingeführt. Beim DCKG selbst handelt es sich hingegen nicht um formelles Recht. Er wurde von der in 2001 eingesetzten Regierungskommission gleichen Namens erarbeitet und wird seither ständig aktualisiert.
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Die Entsprechenserklärung umfasst eine Wissenserklärung für die Vergangenheit und eine Absichtserklärung für die Zukunft.[89] Die Wissenserklärung bezieht sich regelmäßig auf das abgelaufene Geschäftsjahr und hat sich an der jeweiligen Fassung des DCGK zu orientieren.[90] Gegebenenfalls ist eine Aktualisierungserklärung abzugeben. Da sich die Wissenserklärung auf die Vergangenheit bezieht, muss sie richtig sein, die auf die Zukunft gerichtete Absichtserklärungserklärung wahrheitsgemäß. Eine Nichtentsprechungserklärung muss nur bei Unterschreiten der Standards und auch dann nur bei gewichtigen bzw. bedeutenden Abweichungen erfolgen,[91] nicht jedoch bei Überschreiten. Für den Fall, dass sich die Wissenserklärung im Nachhinein als unrichtig herausstellt, ist diese unverzüglich zu berichtigen. Diese Pflicht kann neben die in einem solchen Fall eventuell auch nötige Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 MAR – unter Beachtung der dort geltenden Parameter der Unverzüglichkeit – treten.
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Während die Wissenserklärung die Sammlung und Auswertung von Daten aus der Vergangenheit erfordert, müssen sich Vorstand und Aufsichtsrat bei Abgabe der Willenserklärung auch darüber klar werden, wie sie die entsprechenden Empfehlungen umsetzen wollen. Eine einmal geschaffene Struktur ist daher stets auch dahingehend zu überprüfen, ob diese den aktuellen Anforderungen des DCKG noch gerecht wird. Andernfalls muss eine dahingehend abgegebene Erklärung gegebenenfalls revidiert oder eine anstehende Erklärung eingeschränkt werden. Dieses „Comply-or-Explain-Prinzip“ erhält durch die Erweiterung der Ziff. 4.1.3. DCGK dahingehend, dass der Vorstand für angemessene, an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtete Maßnahmen (Compliance Management System) sorgen und deren Grundzüge offenlegen soll und dass Beschäftigten und Dritten auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden soll, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben, eine neue Note. Denn wer erklärt schon gerne dauerhaft auf den Internetseiten des Unternehmens, dass er kein solches System zur Einhaltung von Recht und Gesetz einrichten will? Es empfiehlt sich daher, die Erklärung erst abzugeben, wenn auch gewährleistet ist, dass die Empfehlungen intern umgesetzt werden können. Die Absichtserklärung gilt für einen unbestimmten Zeitraum, muss aber alle 12 Monate erneuert werden. Wie diese Empfehlungen umzusetzen sind, unterliegt der Entscheidungsfreiheit der Gesellschaft. Dies kann durch Satzung oder Geschäftsordnung erfolgen, im Bereich der Compliance-Maßnahmen durch einen Code of Conduct oder Code of Ethics. Ferner sollten die Dienstverträge der Organmitglieder entsprechende Klauseln enthalten, soweit eine Regelung des DCKG Dienstpflichten zum Inhalt hat.[92] Auf der Seite der Regierungskommission findet sich ein Link zu den Entsprechenserklärungen, die die DAX- und MDAX-Unternehmen abgegeben haben.[93] Darunter finden sich oft auch weitere Dokumente zum Thema Corporate Governance und Compliance. Diese Offenlegung ermöglicht ein Benchmarking sowohl aus Sicht der davon betroffenen Unternehmen, aber auch aus der Sicht potentieller Anleger und Investoren. Auch wird dieser eine gewisse Disziplinierungswirkung nicht abzusprechen sein. Für Unternehmen, die an die Börse streben, dürften diese Links darüber hinaus eine wertvolle Hilfe darstellen.
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Da eine bekanntgewordene Abweichung bzw. Nichteinhaltung von der bzw. den Erklärungen zu Reputationschäden und zu Vertrauensverlust der Anleger in eine gute Unternehmensleitung mit entsprechenden, auch materiellen, negativen Auswirkungen für die Gesellschaft führen kann, und fehlerhafte Entsprechenserklärungen zudem in den letzten Jahren Grundlage der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen waren, endet die Pflicht nicht mit dem formalen Umsetzen der Empfehlungen, vielmehr muss deren Einhaltung auch stets kontrolliert werden. Dies ergibt sich zum einen schon aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht in § 93 S. 1 AktG. Sie wird jedoch auch im Hinblick auf die am Ende des Geschäftsjahres abzugebende Wissenserklärung zur Notwendigkeit.
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Neben der Einrichtung eines Meldesystems, das sich sachlich an den Empfehlungen des DCGK und persönlich an den Adressaten des DCKG orientiert, empfiehlt sich in größeren Gesellschaften die Benennung eines Corporate-Governance-Beauftragten oder eines entsprechenden Teams, bei dem diese Informationen zusammenlaufen, der bzw. das diese auswertet und die aktuelle Entsprechung überprüft, Anpassungsbedarf bei Änderungen des DCKG erfasst sowie die Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat organisiert und koordiniert.[94] Diese Funktion kann im Bereich der Investor Relations, in der Rechtsabteilung oder beim Corporate Compliance Officer angesetzt werden. Auch hier müssen die internen Berichtswege sicherstellen, dass die notwendigen Informationen zeitgerecht und zutreffend über die jeweiligen internen Tätigkeitsbereiche berichten. Diese Informationen werden regelmäßig unter der Schwelle einer Insiderinformation СКАЧАТЬ