Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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Weitere denkbare Sicherungsmaßnahmen sind Verhaltensvorgaben wie Sperrfristen („Black-out Periods“ oder „Closed Periods“), Handelszeiträume („Trading Windows“) und/oder Haltefristen („Lock-up Periods“). All diesen Regelungen ist gemeinsam, dass Mitarbeitern auferlegt wird, während bestimmter Zeiträume keinen oder nur dann Handel mit Aktien des Emittenten oder darauf bezogenen Finanzinstrumenten zu tätigen.[46] Der Vorteil ist, dass man hiermit gegebenenfalls mögliche Sekundärinsider im Unternehmen erfassen kann. Dennoch sollten auch diese Regelungen mit dem klarstellenden Hinweis versehen sein, dass diese Handelsbeschränkungen den jeweiligen Mitarbeiter nicht von der darüber hinaus gehenden Pflicht entbinden, die Insiderhandelsverbote einzuhalten.[47] Da hier jedoch ein Eingriff in die private Lebensführung vorliegt, unterliegen Beschränkungen erhöhten arbeitsrechtlichen Anforderungen und sind nur insoweit zulässig, als ausreichende Handelsmöglichkeiten gegeben sind und eine Realisierung des Wertes der erworbenen Wertpapiere nicht unangemessen beschränkt wird.[48] Im Fall von Eigengeschäften von Führungskräften sind solche Closed Periods nunmehr gesetzlich vorgeschrieben (Art. 19 Abs. 11 MAR).
2. Teil Emittenten-Compliance › 2. Kapitel Aufbau einer kapitalmarktbezogenen Compliance-Organisation bei Emittenten › VI. Ad-hoc-Publizität gem. Art. 17 MAR
VI. Ad-hoc-Publizität gem. Art. 17 MAR
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Der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen oder sog. Ad-hoc-Publizität kommt im Rahmen der Emittenten-Compliance eine zentrale Rolle zu. Hierunter versteht man die Pflicht der Emittenten von Finanzinstrumenten, Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen (Art. 17 Abs. 1 MAR). Was unter einer Insiderinformation zu verstehen ist, wird in Art. 7 MAR definiert. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht trifft dabei alle Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt oder einem multilateralen Handelssystem (MTF) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union beantragt oder erhalten haben. Damit unterliegen auch reine MTF-Emittenten den Vorschriften der Ad-hoc-Publizität, wenn die Einbeziehung in den Handel mit Zustimmung des Emittenten erfolgt ist, entweder, weil er dies selbst oder durch einen Dritten beantragt oder der Einbeziehung zugestimmt hat. Ab dem 3.1.2018 trifft die Veröffentlichungspflicht auch Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung auf einem organisierten Handelssystem (OTF) erhalten haben, sowie Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate. Daneben wurden noch einige inhaltliche Bestimmungen ergänzt, etwa zur Selbstbefreiung, oder verschärft, etwa zum Umgang mit Gerüchten (Art. 17 Abs. 7 MAR). Dabei ist unerheblich, wie das Gerücht in den Markt gelangt ist. Wenn es ausreichend präzise ist und zu vermuten ist, dass die Vertraulichkeit der Information nicht mehr gesichert ist, ist es Aufgabe des Emittenten im Sinne des Anlegerschutzes Transparenz herzustellen, ohne sich darauf berufen zu können, dass er seinen Geheimhaltungspflichten aus Art. 17 Abs. 4 lit. c MAR nachgekommen ist.[49] Ferner ist die Mitteilung nunmehr fünf Jahre auf der Website des Emittenten zu veröffentlichen.
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Das Merkmal unverzüglich gesteht dem Emittenten allerdings durchaus einen angemessenen Prüfungszeitraum einschließlich der Einholung von Rechtsrat zu.[50] Die Veröffentlichung kann ferner unter bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben werden, wenn diese berechtigte Interessen des Emittenten beeinträchtigen würde, die Öffentlichkeit nicht irregeführt wird und der Emittent die Vertraulichkeit sicherstellen kann (Art. 17 Abs. 4 MAR). Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und gelten entsprechend auch für Zwischenschritte, die die Definition der Insiderinformation erfüllen. Die gerade veröffentlichten ESMA-Leitlinien[51] enthalten eine nicht abschließende Liste von Fällen, wann ein berechtigtes Interesse vorliegt und wann der Aufschub der Offenlegung die Öffentlichkeit irreführen würde. Nach der ESMA wäre letzteres beispielsweise dann der Fall, wenn die Insiderinformation Markterwartungen widerspricht, die auf Signalen basieren, die der Emittent zu einem früheren Zeitpunkt selbst gesetzt hat. Auch die Regelbeispiele des § 6 WpAIV, die auf laufende Verhandlungen über Geschäftsinhalte und die ausstehende Zustimmung eines Organs des Emittenten abstellen, werden voraussichtlich weiterhin Bestand haben.[52] Im Fall einer Aufschiebung der Offenlegung muss der Emittent die zuständige Behörde unmittelbar nach der Veröffentlichung schriftlich über den Aufschub informieren und die Gründe darlegen.
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Die Regelungen des Art. 17 MAR werden auf europäischer Ebene durch verschiedene sog. Level 2- und Level 3-Maßnahmen national aber auch weiterhin durch das WpHG ergänzt, das im Hinblick auf die Verordnung sowie die entsprechenden Durchführungsbestimmungen durch das Erste und Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (1./2. FiMaNoG) angepasst wurde. Daneben bleibt die WpAIV in ihrer bisherigen Fassung zunächst bestehen, „tritt allerdings hinter der MAR sowie den ausführenden europäischen Rechtsvorschriften zur MAR zurück, soweit sich in diesen entsprechende oder abweichende Regelungen finden“. Darüber hinaus plant die BaFin gem. der Auskunft ihrer Homepage eine Überarbeitung des Emittentenleitfadens, sobald sich zu den neuen Vorschriften eine Verwaltungspraxis herausgebildet habe.[53]
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Näher bestimmt wird Art. 17 MAR ferner durch eine delegierte Verordnung gem. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 und Abs. 3 MAR[54] sowie durch begleitende ITS (Implementing Technical Standards = Durchführungsstandards)[55] gem. Art. 17 Abs. 10 MAR und die bereits genannten ESMA-Leitlinien (Guidelines) gem. Art. 17 Abs. 11 MAR.[56]
Die Einzelheiten hierzu werden im nachfolgenden Kapitel behandelt.[57]
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Im Unternehmen muss durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass diese gesetzlichen Vorgaben auch erfüllt werden.
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In der Regel ist das Erstellen und die Durchführung von Ad-hoc-Mitteilungen keine Aufgabe, die unmittelbar in den Tätigkeitsbereich einer Compliance-Organisation im Unternehmen fallen dürfte, wohingegen die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und die Ahndung etwaiger Verstöße eindeutig in den Kompetenzbereich von Compliance fällt.
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Jedenfalls muss dafür Sorge getragen werden, dass eine zentrale Stelle im Unternehmen, die mit der Erstellung und der Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen befasst ist, umfassend über relevante Vorgänge informiert wird. Für Unternehmen, die an der NYSE (New York Stock Exchange) gelistet sind, ergibt sich kraft Unterworfenheit unter amerikanisches Kapitalmarktrecht bereits die Pflicht der Einrichtung eines Offenlegungskommitees (Disclosure Committee),[58] das die Aufgabe hat, bestimmte finanzielle und nicht finanzielle Informationen zu überprüfen und den Vorstand bei seiner Entscheidung über deren Veröffentlichung zu beraten und damit Compliance im Rahmen der Finanzberichterstattung sichern soll. Mitglieder eines solchen Offenlegungskommitees sollten die Leiter der Abteilungen sein, in denen Insiderinformationen gewöhnlicherweise entstehen oder verwaltet werden und deren Mitglieder kraft dessen Funktionsinsider darstellen. Zu denken ist dabei an die Leiter der Finanzsteuer- und Rechtsabteilungen, Investor Relations, M&A-Compliance und Communications, da hier erfahrungsgemäß die entsprechenden Informationen entstehen bzw. gehandhabt werden. Aufgrund der komplexen Materie СКАЧАТЬ