Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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Hauptzweck der Offenlegungspflicht ist die Präventivfunktion.[60] Die Offenlegung löst zwar grundsätzlich nicht das Problem des Interessenkonfliktes, entschärft dieses aber wesentlich. Darüber hinaus dient die Offenlegungspflicht dem Zweck, eine ordnungsgemäße Beschlussfassung innerhalb des Vorstands sicherzustellen. Typischerweise können nur bekannte Interessenkonflikte bei Beschlussfassungen berücksichtigt werden. Da in vielen Fällen der Interessenkonflikt aber nicht offensichtlich ist, sondern sich erst aus dem Zusammenspiel von verschiedenen Tatsachen ergibt, die teilweise auch nur das betroffene Vorstandsmitglied kennt, besteht ohne eine Offenlegungspflicht eine erhebliche Gefahr, dass Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Beschlussfassungen übersehen werden.
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4.3.3 S. 1 DCGK enthält nur eine Empfehlung zur Offenlegung, regelt jedoch nicht die Konsequenzen – im Gegensatz zu den recht strengen Folgen für ein Aufsichtsratsmitglied, vgl. Ziff. 5.5.3 DCGK (Bericht an die Hauptversammlung, Niederlegung des Mandats).[61]
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Die Vorstandsmitglieder sind zumindest inzident durch ihre Zustimmung zur Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG an die Offenlegungspflicht gebunden. Wenn der Vorstand in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat die Erklärung abgibt, den Verhaltensempfehlungen des Kodex sei entsprochen worden, so bedeutet dies für jedes Vorstandsmitglied auch, dass es die Erklärung abgibt, sich an die Offenlegungsverpflichtung des 4.3.3 DCGK gehalten zu haben bzw. auch zukünftig halten zu wollen. Eine Abweichung vom Kodex ist für das einzelne Mitglied nur möglich, wenn es bei der Beschlussfassung bezüglich der Entsprechenserklärung einen Vorbehalt geltend macht. Die Verpflichtung eines Vorstandsmitglieds zur Einhaltung des Kodex durch Mehrheitsbeschluss ist grundsätzlich nur möglich, wenn dies vorab im Arbeitsvertrag geregelt wurde.[62]
5. Angemessenheit persönlicher Transaktionen
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Geschäfte zwischen dem Unternehmen und seinen Vorstandsmitgliedern sowie zwischen dem Unternehmen und den Vorstandsmitgliedern nahe stehenden Personen oder den Mitgliedern nahe stehenden Unternehmungen, sind typischerweise anfällig für Interessenkonflikte. Aus diesem Grunde bestimmt Ziff. 4.3.3 S. 2 DCGK, dass solche Geschäfte stets den branchenüblichen Standards entsprechen müssen. Durch die Verwendung des Wortes „Unternehmen“ wird deutlich, dass von der Regelung nicht nur Geschäfte mit der Gesellschaft, sondern auch solche mit Konzernunternehmen umfasst sein sollen.[63]
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Mangels konkreterer Informationen im Kodextext müssen zur Auslegung des Begriffs „nahe stehend“ die allgemeinen Regeln herangezogen werden. Neben den Personen zu denen ein offensichtliches „Näheverhältnis“ besteht, sind auch solche Personen erfasst, bei denen im Einzelnen dargelegt werden kann, dass das Vorstandsmitglied durch den Kontakt wenigstens mittelbar einen beachtlichen Sondervorteil erhält.[64] Die unübliche Formulierung „Unternehmungen“ begründet keine inhaltliche Differenzierung zum Unternehmensbegriff. Der Begriff „Unternehmen“ ist durch die Verwendung in der Präambel des Kodex bereits besetzt und konnte deshalb in dem Zusammenhang des 4.3.3 DCGK nicht verwendet werden.[65]
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Eine Definition für den Begriff „branchenüblicher Standard“ existiert nicht. Gemeint ist, dass dabei die AG sich so verhalten soll, als ob auf der anderen Seite ein unabhängiger Dritter stünde. Das heißt, dass das Geschäft nur abgeschlossen werden soll, wenn die Gesellschaft daran ein Interesse hat und überdies nur zu Konditionen erfolgt, wie sie marktüblich sind oder mit anderen Worten: wie sie unter voneinander völlig unabhängigen Dritten gelten würden („at arms‘ lenght“).[66] Unstreitig ist, dass der Kodex durch den Terminus nicht die in vielen Unternehmen bestehenden Vorzugsregelungen für Mitarbeiter verbieten will. So soll es den Organen und Mitarbeitern weiterhin möglich sein, zu vergünstigten Preisen die eigenen Produkte des Unternehmens zu erwerben.[67]
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Kernstück der Ziff. 4.3.3 DCGK ist die Empfehlung in S. 4 der Regelung. Hiernach sollen wesentliche Geschäfte mit einem Vorstandsmitglied nahe stehenden Personen oder Unternehmungen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden. Bis zur Neufassung 2015 war diese Empfehlung noch recht allgemein gehalten und bezog sich allein auf „wesentliche Geschäfte“. Nunmehr sind sämtliche Geschäfte gemeint, die nicht solche des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sind.[68] Bei Eigengeschäften von Vorstandsmitgliedern wird die Gesellschaft gem. § 112 AktG ohnehin durch den Aufsichtsrat vertreten. Eine Definition von „wesentlichem Geschäft“ enthält der Kodex nicht. In der Praxis kann die Testfrage, ob ein aufmerksamer Dritter das betreffende Geschäft als suspekt einstufen würde, als Orientierung dienen. Bei der Beurteilung kommt es auch auf die Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaft (z.B. des Unternehmensgegenstands) an. Es kann praktikabel sein unternehmensinterne Leitlinien aufzustellen, die ggf. auch monetäre Grenzen beinhalten.[69]
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Ergänzt wird die Regelung in Ziff. 4.3.3 S. 4 DCGK durch Ziff. 3.9 DCGK, wonach die Gewährung von Krediten an Vorstände oder deren Angehörige der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen.
6. Nebentätigkeit der Vorstandsmitglieder
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Nebentätigkeiten, wie die im Kodex beispielhaft genannte Übernahme von Aufsichtsratsmandaten in anderen Unternehmen, sollen gem. Ziff. 4.3.4 DCGK nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates übernommen werden. Diese Regelung des Kodex geht über die gesetzliche Bestimmung des § 88 AktG sowie über die Regelung in Ziff. 4.3.1 DCGK hinaus. Hiernach dürfen Vorstandsmitglieder solche Nebentätigkeiten, die nicht unter den § 88 AktG fallen, auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates ausführen. Grund für die über die geltende Gesetzeslage hinausgehende Empfehlung des Kodex ist es, dem bloßen Eindruck eines Interessenkonfliktes in der Öffentlichkeit präventiv entgegenzuwirken. Zudem soll dem Unternehmen durch die Vorschrift die gesamte Arbeitskraft des Vorstandsmitglieds zugesichert werden.[70] Ein typischer Fall einer solchen zustimmungspflichtigen Nebentätigkeit ist die Übernahme eines Aufsichtsratsmandates bei einer anderen Gesellschaft. Nicht umfasst von der Regelung sind Aufsichtsratsmandate in Konzernunternehmen. Diese Mandate sind in der Regel von der allgemeinen Konzernleitungsaufgabe umfasst und ohne Zustimmung des Aufsichtsrates zulässig.[71] Problematisch sind demgegenüber Aufsichtsratsmandate bei Geschäftspartnern, insbesondere bei Kunden oder Lieferanten. In derartigen Konstellationen ist das Eintreten materieller Interessenkonflikte kaum vermeidbar, weshalb der Aufsichtsrat bei solchen Mandaten sorgfältig abwägen sollte, bevor er der Aufnahme zustimmt.
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Die Empfehlung in Ziff. 4.3.4 DCGK spiegelt die gängige Praxis in deutschen Aktiengesellschaften wider. Üblicherweise sind entsprechende Verpflichtungen ohnehin in den Vorstandsdienstverträgen und/oder den Geschäftsordnungen der Vorstände enthalten.[72] Dabei empfiehlt es sich klarzustellen, dass die Zustimmung des Aufsichtsrates für Nebentätigkeiten regelmäßig schon vor Aufnahme der Nebentätigkeit einzuholen ist und eine nachträgliche Genehmigung nicht oder nur in Ausnahmefällen zulässig ist.
Praxishinweis:
Das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrates zur Aufnahme von Nebentätigkeiten durch Vorstandsmitglieder sollte als Standard der guten Corporate Governance in jeder Aktiengesellschaft gelten, egal ob börsennotiert oder nicht. Eine entsprechende Vereinbarung sollte schon im Dienstvertrag der Vorstandsmitglieder enthalten sein.
7. Umgang mit Insiderinformationen
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