Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
isbn:
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Ergänzt wird die Offenlegungspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat gem. Ziff. 5.5.2 DCGK durch die Verpflichtung des Aufsichtsrates nach Ziff. 5.5.3 S. 1 DCGK, die Hauptversammlung über jeden aufgetretenen Interessenkonflikt zu informieren. Die Information muss nach herrschender Meinung schriftlich erfolgen.[91] Üblicherweise geschieht dies im Rahmen des schriftlichen Berichts des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 AktG. Dabei muss nicht über jeden einzelnen Interessenkonflikt jedes Aufsichtsratsmitglieds im Detail berichtet werden, vielmehr ist eine zusammenfassende Darstellung, ob Interessenkonflikte vorlagen und wie der Aufsichtsrat damit umgegangen ist, ausreichend.[92] Weitergehende Informationen können die Aktionäre dann durch ihr Fragerecht in der Hauptversammlung erfragen.
3. Mandatsbeendigung bei wesentlichen Interessenkonflikten
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Ziff. 5.5.3 DCGK knüpft seine Empfehlung zur Mandatsbeendigung an das Vorliegen von wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikten in der Person des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds und stellt somit gewisse Anforderungen an die Dauer und Schwere des Interessenkonflikts, der zur Mandatsbeendigung führen soll. Eine Empfehlung für die Art und Weise oder für den geeigneten Zeitpunkt der Mandatsbeendigung enthält die Regelung jedoch nicht, wobei bei einschlägigen Interessenkonflikten ein zeitnahes Ausscheiden des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds regelmäßig in seinem eigenen sowie im Interesse der Gesellschaft liegen wird.[93] Die gesetzliche Lösung von Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitgliedern ist differenziert und wird aus deren Treuepflicht abgeleitet. Aus der Treuepflicht von Aufsichtsratsmitgliedern ergibt sich deren Verpflichtung, die Tätigkeit im Aufsichtsrat in Hinblick auf den konkreten Interessenkonflikt zu beschränken, beispielsweise durch ein Ruhen des Mandats für den Konfliktzeitraum oder Stimmenthaltung bei Beschlussfassungen.[94] Bei schweren Interessenkonflikten kann das betroffene Aufsichtsratsmitglied zur Amtsniederlegung verpflichtet sein, wobei im Falle der Nichtbeachtung einer solchen Verpflichtung ein wichtiger Grund zur gerichtlichen Abberufung vorliegen wird.[95] Entsprechende Entscheidungen sind jeweils Einzelfallentscheidungen und von den konkreten Umständen abhängig.
4. Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder
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Interessenkonflikte in börsennotierten Gesellschaften stehen häufig in einem engen Zusammenhang mit der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. Vorgaben zur Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder enthält das Aktiengesetz indes wenig. Lediglich § 100 Abs. 5 AktG bestimmt, dass kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften im Sinne des § 264d HGB ein unabhängiges Mitglied im Aufsichtsrat vorweisen müssen. Auch der Kodex enthält keine Definition des Wortes unabhängig, jedoch wird die Unabhängigkeit in mehreren Regelungen angesprochen. So enthält beispielsweise Ziff. 5.4.2 DCGK die Empfehlung, dass dem Aufsichtsrat stets eine nach seiner Einschätzung ausreichende Anzahl an unabhängigen Mitgliedern angehören sollen. Die am 7.2.2017 beschlossene Kodexänderung sieht vor, dass dabei die Eigentümerstruktur berücksichtigt werde. Weiterhin bestimmt Ziff. 5.4.2 DCGK Fälle, in denen ein Aufsichtsratsmitglied nicht mehr als unabhängig angesehen werden kann.
a) Persönliche Beziehung
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Die Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes ist gem. Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK zu verneinen, wenn das jeweilige Aufsichtsratsmitglied in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann.
b) Ehemalige Vorstandsmitglieder
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Weiterhin empfiehlt der Kodex in Ziff. 5.4.2 S. 3, dass dem Aufsichtsrat nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören sollen. Diese Empfehlung wird zusätzlich durch Ziff. 5.5.4 DCGK ergänzt. Hiernach dürfen Vorstandsmitglieder vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende ihrer Bestellung nicht Mitglied des Aufsichtsrates werden. Eine Ausnahme von dieser Regelung soll nur dann gemacht werden, wenn Aktionäre die mehr als 25 % der Stimmrechte der Gesellschaft halten, das neue Aufsichtsratsmitglied vorschlagen. Die Ausnahme basiert auf § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG und gibt insoweit nur die geltende Rechtslage wieder.
c) Keine Organfunktion bei wesentlichen Wettbewerbern
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Kernstück der Regelung zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern ist S. 2 der Ziff. 5.4.2 DCGK. Hiernach sollen Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben. Das Aktiengesetz enthält bezüglich der Organfunktion bei Wettbewerbern kaum Beschränkungen. So bestimmt lediglich § 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG, dass die Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat auf zehn Mandate in verschiedenen Handelsgesellschaften beschränkt ist, wobei Mandate als Aufsichtsratsvorsitzender doppelt zählen. Dennoch ist es allgemein anerkannt, dass die Mitgliedschaft in einem Konkurrenzunternehmen offene Diskussionen im Aufsichtsrat verhindert.[96] Der Kodex greift diese Problematik auf und versucht, durch die Einschränkung auf wesentliche Wettbewerber eine praktikable Lösung für dieses praxisrelevante Problem aufzuzeigen.
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Der Begriff Organfunktion umfasst sowohl Vorstands- als auch Aufsichtsratsmandate bei Wettbewerbern. Problematischer ist jedoch die Bestimmung des Kreises der wesentlichen Wettbewerber. Zudem sollte vermieden werden, durch eine zu enge Betrachtungsweise den Gesellschaften die Suche nach qualifizierten Aufsichtsratsmitgliedern zu erschweren.[97] Auch durch die Rechtsprechung wurde der Begriff „wesentlicher Wettbewerber“ eher eng ausgelegt. So sollen wesentliche Wettbewerber nur solche sein, die dem Unternehmen auf seinen Märkten tatsächlich Wettbewerb machen und in den Kernbereichen identische Tätigkeitsfelder haben.[98] Durch das Abstellen auf Wettbewerber des Unternehmens wird deutlich gemacht, dass der Kodex von einer Konzernbetrachtung ausgeht.[99]
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Die Brisanz und Aktualität von Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitgliedern lässt sich anhand des Beispiels der Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler Gruppe und die dabei aufgetretene Problematik der Mehrfachmandate von Aufsichtsratsmitgliedern veranschaulichen:
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Anfang 2009 kam es zur Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler AG. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schaeffler-Gruppe ca. 90 % der Aktien der Continental AG erworben. In einer Investorenvereinbarung hatten sich die Schaeffler AG und ihre Gesellschafter gegenüber der Continental AG verpflichtet, bestimmte Struktur- und Geschäftsführungsmaßnahmen ausschließlich unter Zustimmung des Vorstands vorzunehmen. Zudem wurde die Vereinbarung getroffen, im gerichtlichen Verfahren bei der Benennung von Personen, die vom Vorstand für den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden sollten, potentielle Interessenkonflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden. Im Fortgang der Übernahme hatten vier von insgesamt zehn Aufsichtsratsmitgliedern ihre Ämter niedergelegt. Der Vorstand der Continental AG beantragte daraufhin beim zuständigen Amtsgericht, den anwaltlichen Berater der Schaeffler-Gruppe zum Mitglied des Aufsichtsrates der Continental AG zu bestellen. Das Amtsgericht gab dem Antrag statt. Daraufhin legte ein Aktionär der Continental AG die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein und begründete diese mit dem Vorliegen eines unlösbaren Interessenkonfliktes.[100]
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Das LG Hannover entschied daraufhin СКАЧАТЬ