Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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6. Kapitel Der Deutsche Corporate Governance Kodex und dessen Bedeutung für die Kapitalmarkt Compliance
Inhaltsverzeichnis
A. Allgemeines
B. Organisatorische Compliance-Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex
C. Persönliche Verhaltenspflichten von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern
D. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung des Kodex
2. Teil Emittenten-Compliance › 6. Kapitel Der Deutsche Corporate Governance Kodex und dessen Bedeutung für die Kapitalmarkt Compliance › A. Allgemeines
I. Entstehung und Entwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex
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Parallel zu der zunehmenden Relevanz des Themas Compliance hat in den letzten beiden Jahrzehnten das Thema der verantwortungsvollen Unternehmensführung stetig an Bedeutung gewonnen. Besonders betroffen hiervon waren kapitalmarktorientierte Unternehmen. Nicht zuletzt aufgrund von medienwirksamen Skandalen bei einigen börsennotierten Gesellschaften wuchs das Bedürfnis nach einem stärker regulierten Kapitalmarkt. Im Zuge dieser Entwicklungen wurde auch der Begriff „Corporate Governance“ geprägt. Der Begriff wurde – ähnlich wie der Begriff „Compliance“ – aus der angelsächsischen Rechtsterminologie in die deutsche Sprache übernommen. Der Begriff „Corporate Governance“ lässt sich dabei nicht wörtlich in die deutsche Sprache übersetzen. Inhaltlich lässt er sich am ehesten mit dem Begriff „Unternehmensverfassung“ beschreiben. Corporate Governance bezeichnet folglich den allgemeinen und rechtlichen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.
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Die verstärkte Regulierung des deutschen Kapitalmarktes begann in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts insbesondere durch die Umsetzung von europäischen Richtlinien in das deutsche Recht. Die Richtlinien waren stark vom englischen und amerikanischen Recht beeinflusst, sodass auch die deutsche Umsetzung der Regulierungsvorschriften einem anglo-amerikanischen Muster folgte. Letztlich hat beinahe jede Bestimmung in den deutschen Gesetzen zur Kapitalmarktregulierung eine anglo-amerikanische Wurzel.[1] Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Regulierungswelle im Jahre 1998 schließlich durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (abgekürzt: KonTraG), durch welches diverse Änderungen für die Unternehmensverfassung deutscher Aktiengesellschaften eingeführt wurden und das daher auch als erstes „Corporate-Governance-Gesetz“ in Deutschland bezeichnet wird.[2]
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Bis in das 21. Jahrhundert hinein beschränkte sich der von börsennotierten Gesellschaften in Deutschland zu beachtende Ordnungsrahmen jedoch auf die einschlägigen gesetzlichen Regelungen. Hinsichtlich der eigentlichen Unternehmensverfassung einer börsennotierten Gesellschaft waren dies im Wesentlichen die entsprechenden Regelungen des Aktiengesetzes. Da das Aktiengesetz damals wie heute nur ganz vereinzelt zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften unterscheidet, galten für börsennotierte Gesellschaften hinsichtlich der Corporate Governance grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie für nicht börsennotierte Gesellschaften. Demgegenüber gab es in einigen anderen Ländern schon seit langem besondere Regelungen für die Corporate Governance von börsennotierten Unternehmen; eine Vorreiterrolle kam insbesondere dem englischen „Combined Code“ (heute: UK Corporate Governance Code) zu.
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Im Mai 2000 wurde dann jedoch von der Bundesregierung die Kommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ unter der Leitung von Theodor Baums eingesetzt.[3] Aufgabe dieser Kommission war es, die deutschen Vorschriften zur Corporate Governance auf den Prüfstand zu stellen und Vorschläge für eine Verbesserung und Modernisierung der deutschen Corporate Governance zu unterbreiten. Die Kommission drängte in ihrem 321 Seiten umfassenden Abschlussbericht dazu, die bereits existierenden Entwürfe der Grundsatzkommission Corporate Governance und des Berliner Initiativkreises zu einem „Combined Code“ zusammenzuführen.[4] Auf dieser Grundlage berief das Bundesministerium der Justiz im Herbst 2001 die „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ unter der Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Thyssen Krupp AG, Gerhard Cromme ein, die innerhalb von fünfeinhalb Monaten den ersten Deutschen Corporate Governance Kodex (abgekürzt DCGK) erarbeitete.[5] Dieser wurde am 30.09.2002 erstmalig im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht.[6] Die Regierungskommission besteht entsprechend dem Auftrag des Bundesministeriums der Justiz weiterhin ohne zeitliche Begrenzung fort. Sie tritt jährlich zusammen und überprüft den Kodex vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im nationalen und internationalen Kapitalmarktrecht und nimmt die erforderlichen Änderungen vor.[7] Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 7.2.2017 Kodexänderungen beschlossen, die unter anderem zu mehr Transparenz für eine bessere Beurteilung der Unternehmensgovernance durch die Stakeholder beitragen und internationale Best Practice in den deutschen Kodex für börsennotierte Gesellschaften aufnehmen. Darüber hinaus hat die Regierungskommission die Präambel des Kodex erweitert. Die neuen Regelungen gelten seit ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 24.4.2017.[8]
II. Der Deutsche Corporate Governance Kodex in der Normenhierarchie
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Wie vorstehend dargelegt, ist der DCGK ein von einer Regierungskommission der Bundesrepublik Deutschland erarbeitetes Regelwerk. Der DCGK gibt zum einen wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften wieder und stellt zum anderen international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung dar. Er richtet sich zunächst unmittelbar nur an börsennotierte Gesellschaften, soll aber nach allgemeinem Verständnis auch nicht börsennotierten Gesellschaften als grundsätzliche Richtlinie für eine gute Unternehmensführung dienen. Darüber hinaus werden vermehrt Stimmen laut, die eine Anwendung des DCGK auf solche Gesellschaften fordern, deren Aktien auf eigenen Antrag hin im Freiverkehr einer Wertpapierbörse gehandelt werden.[9]
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Der Umstand, dass das Bundesministerium für Justiz den DCGK im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, macht deutlich, dass das Ministerium, als Teil der Bundesregierung, den Kodex vom Inhalt und der Art und Weise seines Zustandekommens billigt und bezüglich seiner materiellen und formellen Rechtmäßigkeit überprüft hat.[10] Dennoch darf aus diesem Umstand nicht der Rückschluss gezogen werden, die Kommission des DCGK handele mit Gesetzgebungsbefugnis oder im Auftrag der Bundesregierung.
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Bei dem DCGK handelt es sich nicht um ein formelles Gesetz. Vielmehr wurde durch die Schaffung des Kodex eine neue Gattung von Normen in das deutsche Recht eingeführt, die in der Vergangenheit teilweise СКАЧАТЬ