Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
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2. Teil Emittenten-Compliance › 6. Kapitel Der Deutsche Corporate Governance Kodex und dessen Bedeutung für die Kapitalmarkt Compliance › D. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung des Kodex
D. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung des Kodex
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Eine Zuwiderhandlung gegen die Regelungen des DCGK kann zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Entscheidend ist, ob gegen Informationsvorschriften, Empfehlungen oder Anregungen verstoßen wurde.
I. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Informationsvorschriften
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Die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen solche Pflichten des DCGK, die ausschließlich die bereits bestehende Gesetzeslage wiedergeben, müssen den einschlägigen Gesetzestexten entnommen werden. Der Kodex selbst hat an diesen Stellen nur eine Informationsfunktion, insbesondere für ausländische Anleger. In Bezug auf die Informationsvorschriften entfaltet der Kodex, welcher keine Gesetzesqualität besitzt, noch nicht mal einen „quasi-amtlichen“ Charakter.[102]
II. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Empfehlung
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Verstöße gegen Empfehlungen des DCGK führen selbst keine Rechtsfolgen herbei. Wie oben bereits erläutert, sind Empfehlungsabweichungen jedoch zu begründen und offenzulegen. § 161 AktG normiert die Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechenserklärung. Hinsichtlich der Empfehlungen findet somit eine Transformation der entsprechenden Kodexregelungen in geltendes Recht statt. Bezeichnend für die Normenhierarchie des Kodex ist jedoch, dass der Gesetzgeber es in § 161 AktG ausdrücklich zulässt, Empfehlungen unbeachtet zu lassen, solange dies in der Entsprechenserklärung ausdrücklich kenntlich gemacht und begründet wird.[103] Ein Befolgungsdruck wird aber tatsächlich über Marktkräfte ausgeübt, da Abweichungen zu Rechtfertigungspflicht führen und möglicherweise auf Ablehnung bei Investoren stößen und damit Kapitalkosten langfristig erhöht.[104]
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Auch wenn § 161 AktG die Verpflichtung zur Abgabe der Entsprechenserklärung enthält, normiert die Regelung selbst keine Sanktionen wegen Verstößen gegen Kodexempfehlungen. Dennoch stellen Verstöße gegen die Pflicht zur Abgabe der Entsprechenserklärung ebenso wie die Abgabe einer falschen oder unvollständigen Erklärung einen Sorgfaltsverstoß gem. §§ 93 Abs. 1, 116 AktG dar.[105] In Betracht kommen weiterhin Fälle der Außenhaftung einerseits gegen die Gesellschaft selbst und andererseits gegen ihre Organmitglieder.[106] Sofern der Verstoß einen nicht unwesentlichen Punkt betrifft, sind die Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung hinsichtlich Vorstand und Aufsichtsrat anfechtbar.[107] Die gerichtlichen Entscheidungen legen die Konsequenzen für die Abgabe von fehlerhaften Entsprechenserklärungen nach § 161 AktG fest.[108] Beispielhaft sollen hier drei richtungsweisende Entscheidungen näher erläutert werden:
1. Entscheidung des Oberlandesgerichts München
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In seinem Urteil vom 6.8.2008 hat der siebte Zivilsenat des OLG München entschieden, dass der Aufsichtsrat dazu verpflichtet ist, die Abweichung vom DCGK gleichzeitig mit der vom DCGK abweichenden Beschlussfassung bekannt zu machen, wenn sich der Aufsichtsrat in der vorhergehenden Entsprechenserklärung den Empfehlungen des DCGK uneingeschränkt unterworfen hat. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz verletze die Vorschrift des § 161 AktG und begründe die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses und darüber hinaus auch die Anfechtbarkeit des auf dieser Grundlage gefassten Beschlusses der Hauptversammlung.[109]
2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache Kirch gegen Deutsche Bank
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Der zweite Zivilsenat des BGH hat in seinem Urteil vom 16.2.2009 entschieden, dass die Unrichtigkeit einer gem. § 161 AktG abgegebenen Entsprechenserklärung, wegen der darin liegenden Verletzung von Organpflichten zur Anfechtbarkeit der gleichwohl gefassten Entlastungsbeschlüsse führt. Dies soll jedenfalls insoweit gelten, wie die Organmitglieder die Unrichtigkeit kannten oder kennen mussten. Unrichtig ist eine Entsprechenserklärung hiernach, wenn entgegen Ziff. 5.5.3 DCGK nicht über das Vorliegen und die praktische Behandlung eines Interessenkonflikts in der Person eines Organmitglieds berichtet wird.[110]
3. Konkretisierende Entscheidung des Bundesgerichtshofs
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Am 21.9.2009 hat der zweite Zivilsenat seine Entscheidung vom 16.2.2009 konkretisiert. Auch hier geht der Senat davon aus, dass wenn entgegen der Empfehlung des Ziff. 5.5.3 DCGK nicht über den Interessenkonflikt in der Person eines Organmitgliedes berichtet wird, ein zur Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1 AktG führender Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe einer richtigen oder zur Berichtigung einer unrichtig gewordenen Entsprechenserklärung in einem nicht unwesentlichen Punkt vorliegt. Ein nicht unwesentlicher Punkt soll jedoch weitergehend nur vorliegen, wenn die unterbliebene Information für einen objektiv urteilenden Aktionär für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte relevant ist.[111]
4. Konsequenzen
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Aus den drei Entscheidungen können im Ergebnis folgende allgemeingültige Rückschlüsse für den Verstoß gegen § 161 AktG gezogen werden:
Ein Aufsichtsratsbeschluss über einen Vorschlag an die Hauptversammlung, der einer vom Aufsichtsrat anerkannten Empfehlung des Kodex widerspricht, ist nichtig, wenn der Aufsichtsrat nicht zeitgleich mit dem Beschluss auch die Abweichung von der bisher abgegebenen Entsprechenserklärung und deren Bekanntmachung beschlossen hat. Wird auf dieser Grundlage ein Hauptversammlungsbeschluss gefasst, so ist dieser gem. § 243 AktG anfechtbar. Dies gilt jedoch nur insoweit, wie die Organmitglieder die Unrichtigkeit des Beschlusses kannten oder hätten kennen müssen und die Abweichung von der Entsprechenserklärung keinen unwesentlichen Punkt betrifft.
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In einem Beschluss aus dem Jahre 2013 hat der BGH das Thema Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern behandelt. Dabei hat der BGH bestätigt, dass der DCGK keine Offenlegung der Einzelheiten jedes Interessenkonfliktes gegenüber der Hauptversammlung verlangt, sondern es vielmehr ausreicht, dass in allgemeiner Form über das Auftreten von Interessenkonflikten und deren Behandlung berichtet wird. Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer nicht ausreichenden Information hat der BGH dabei klargestellt, dass dies nicht zur Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses führt; die unzureichende Information führt nicht zur Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung und es liegt kein für die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses erforderlicher eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß vor.[112]
III. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Anregungen
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