Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
isbn:
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Teilweise wird dennoch einschränkend gefordert, das Merkmal der Pflichtverletzung sei wettbewerbsbezogen auszulegen.[132] Strafbar sei nach Systematik und Zweck der Vorschrift allein der Verstoß gegen unternehmensintern aufgestellte Compliance-Pflichten, die ausschließlich oder jedenfalls primär dem Ziel dienten, Wettbewerbsverstöße zu vermeiden.[133] Dieses Verständnis mag im Hinblick auf Verwerfungen zu § 266 StGB dogmatisch und rechtspolitisch wünschenswert sein, liegt aber angesichts der europäischen Vorgaben[134] sowie der Entstehungsgeschichte und der Systematik der Vorschrift nicht nahe (siehe dazu bereits Rn. 11) und dürfte sich bislang auch in der Rechts- und Compliance-Praxis eher nicht durchgesetzt haben. Folgte man dieser Auffassung, stellte sich zudem das schwierige Abgrenzungsproblem, welche Legalitäts- und Legalitätskontrollpflichten in einem Unternehmen ausschließlich oder primär wettbewerbsbezogen sind. In Zeiten holistischer Compliance-Management-Systeme dürfte sich dies kaum noch klar beantworten lassen.
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Soweit teilweise einschränkend vertreten wird, dass die angestrebte Pflichtverletzung in einer wesentlichen Beziehung zum Unternehmenszweck stehen sowie für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und dessen Loyalitätserwartungen an seine Angestellten und Mitarbeiter nicht völlig belanglos sein dürfe,[135] ist dem im Ergebnis zuzustimmen. Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nicht bereits aus einer objektiv fehlenden oder schwach ausgeprägten Beziehung zum Unternehmenszweck oder daraus, dass objektiv bagatellhafte Pflichtverletzungen im Wirtschaftsverkehr per se nicht strafwürdig sind. Denn ob eine Pflicht in einer wesentlichen Beziehung zum Unternehmenszweck steht, ist richtigerweise aus der Sicht des jeweiligen Unternehmens, also subjektiv zu bestimmen. Dieses darf innerhalb gesetzlicher Grenzen festlegen, wie es sich eine loyale Aufgabenerfüllung durch seine Angestellten und Beauftragten im Detail vorstellt und worauf es dabei besonderen Wert legt. Dazu können beispielsweise auch scheinbar belanglose Kleidungsvorschriften zählen,[136] wenn diese für das Unternehmen und seine „Corporate Identity“ eine zentrale Rolle spielen. Dieser subjektiv festzustellende Bezug zum Unternehmenszweck lässt sich nicht durch eine vermeintlich objektivierte Alternativbewertung von außen ersetzen. Interessengerecht und stimmig lässt sich die Vermeidung einer unerwünschten Strafbarkeit rein bagatellhafter Pflichtverletzungen vielmehr über die Einwilligung des Unternehmens erreichen (siehe Rn. 45).
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Bei Auslandssachverhalten ist für die Bestimmung der unternehmensinternen Pflichtwidrigkeit Fremdrecht maßgeblich, also das Recht des betroffenen Staates anzuwenden.[137] Zu den weiteren Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei Auslandsbezug siehe auch Rn. 12.
f) Tatbestandsausschluss bei Einwilligung
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In der Geschäftsherrenvariante schließt die Einwilligung des Unternehmens eine Strafbarkeit aus. Verlangt wird, dass die zuständigen Vertreter des Unternehmens sowohl den angestrebten Vorteil als auch die Verknüpfung dieses Vorteils mit der an sich pflichtwidrigen Handlung des Angestellten oder Beauftragten billigen.[138]
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Die Einwilligung wirkt nicht wie sonst üblich erst auf Rechtfertigungsebene, sondern lässt nach allgemeiner Auffassung bereits den Tatbestand entfallen.[139] Gleichwohl handelt es sich nicht um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis,[140] das nur rein faktisch vorzuliegen braucht. Für einen Tatbestandsausschluss gelten vielmehr erhöhte Anforderungen, nämlich diejenigen, die auch an eine rechtfertigende Einwilligung zu stellen sind. Deswegen muss die Einwilligung des § 299 StGB frei von Willensmängeln sein.[141] Sie entfaltet keine Wirkung, wenn sie durch eine aktive Täuschung oder die Unterdrückung relevanter Informationen erschlichen ist. Die Einwilligung muss zudem von einer Person im Unternehmen erklärt worden sein, die dafür innerhalb der Unternehmenshierarchie zuständig und befugt ist. Unerheblich ist hingegen, ob die Einwilligung ausdrücklich oder konkludent oder ob sie dem Vorteilsnehmer oder dem Vorteilsgeber gegenüber erklärt wird; zur Strafbarkeit bei Unkenntnis einer objektiv vorliegenden Einwilligung siehe Rn. 58.
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Das Verhältnis der Einwilligung zu den Pflichten des Angestellten oder Beauftragten ist nicht eindeutig. Denn die Billigung eines bestimmten Verhaltens durch das Unternehmen muss nicht zwangsläufig eine Einwilligung i.S.d. § 299 StGB sein, sondern kann auch die Pflichtenlage im Innenverhältnis (dauerhaft) abändern. Ist letzteres der Fall, fehlt es schon an einer Pflichtwidrigkeit.[142] Richtigerweise ist an dieser Stelle wie folgt zu unterscheiden: Wird eine bestimmte Verhaltensweise in generell-abstrakter Weise für die Zukunft gebilligt – zum Beispiel durch unternehmensinterne Regelungen zum Umgang mit Provisionen bei Geschäftsabschlüssen –, modifiziert dies schon die Pflichtenlage. Eine Einwilligung i.S.d. § 299 StGB liegt hingegen vor, wenn Unternehmensverantwortliche in einzelnen Ausnahmefällen ein Abweichen von allgemein (weiter-)geltenden Vorgaben des Unternehmens zugestehen. Die Unterscheidung von Pflichtenlage und Einwilligung ist weitgehend folgenlos, kann aber im Hinblick auf bestehende Irrtumsrisiken Bedeutung erlangen. Geht ein Angestellter oder Beauftragter irrig davon aus, dass sein Verhalten im Einklang mit ihm bekannten, aber allgemein gehaltenen Vorgaben steht, spricht manches dafür, ihm ein Fehlverständnis infolge eines Subsumtionsfehlers nicht anzulasten. Anderes dürfte in aller Regel angezeigt sein, wenn die Grenzen einer Einwilligung, die für einen konkreten Einzelfall erteilt worden ist, gerissen werden.
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Auch ohne eine ausdrücklich oder konkludent erklärte Einwilligung ist es zumindest bei kleineren und aus Unternehmenssicht unbedeutenden Pflichtverletzungen denkbar, in Anlehnung an die Figur der mutmaßlichen Einwilligung eine Strafbarkeit auszuschließen. Dies kann jedoch nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn erstens nur unwesentliche Unternehmensinteressen von der Pflichtverletzung berührt sind und zweitens die Einholung einer Einwilligung nicht gefordert werden kann, weil dies angesichts des Bagatellcharakters der Pflichtverletzung im üblichen Geschäftsbetrieb unverhältnismäßig wäre. Ob eine Pflichtverletzung durch eine mutmaßliche Einwilligung des Unternehmens gedeckt und damit eine Erklärung der Einwilligung entbehrlich ist, ist dabei aus der Sicht des Unternehmens zu bestimmen. Dessen Interessen und Vorgaben sind insoweit maßgeblich (vgl. Rn. 40). Compliance-Richtlinien in größeren Unternehmen werden einen „Freifahrtschein“ auch für kleinere Abweichungen häufig ausschließen („Zero Tolerance Policy“).
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Anders als in der Amtsträgerkorruption lässt eine unverzügliche nachträgliche СКАЧАТЬ