Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
isbn:
47
Teilweise wird gefordert, über den Wortlaut hinaus einer Einwilligung des Unternehmens auch in der Wettbewerbsvariante eine tatbestandsausschließende Wirkung beizumessen.[145] Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Denn anders als in der Geschäftsherrenvariante kann zwar der Unternehmensinhaber nicht über das primäre Schutzgut – den Wettbewerb – verfügen, weshalb die herrschende Meinung einen Tatbestandsausschluss nach wie vor ablehnt.[146] Der Tatbestand wäre jedoch richtigerweise auch dann nicht erfüllt, wenn sich das Unternehmen als Geschäftsherr einen Vorteil selbst versprechen ließe und diesen sodann – auch in voller Höhe – an Angestellte oder Beauftragte auskehrte (siehe dazu auch Rn. 26 und Rn. 34). An dieser Straffreiheit kann sich schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nichts ändern, wenn das Unternehmen erstens Angestellte oder Beauftragte einsetzt und zweitens die Vorteile nicht vom Unternehmen zunächst selbst vereinnahmt und dann ausgekehrt werden, sondern ein Dritter diese direkt und mit Einwilligung des Unternehmens den Angestellten oder Beauftragten zugewendet („entschleierte Schmiergelder“). Hat das Unternehmen daher Kenntnis von einer Vorteilsgewährung an seine Angestellten und Beauftragten und willigt in diese wirksam ein, folgt daraus, dass das Verhalten des Angestellten oder Beauftragten dem Unternehmen zuzurechnen ist, was jedenfalls wertungsmäßig zu einer straflosen Bestechung des Geschäftsherrn führen muss.[147] Diese Strafbarkeitseinschränkung ist mit dem Wortlaut der Wettbewerbsvariante vereinbar und lässt sich in das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit hineinlesen: Soweit das Unternehmen nicht selbst rechtswidrig handelte, droht keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs, wenn dieses wirksam in Vorteilsgewährungen an Mitarbeiter oder Beauftragte eingewilligt. Eine Unlauterkeit ist dann schlicht nicht gegeben.[148]
48
Geht der Täter irrig davon aus, dass das Unternehmen eine Einwilligung erklärt hat, liegt kein Erlaubnistatumstandsirrtum, sondern ein einfacher Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz (§ 16 Abs. 1 StGB) und mangels Fahrlässigkeitstatbestands überhaupt eine Strafbarkeit entfallen lässt (vgl. Rn. 49). Eine Teilnahmestrafbarkeit (§§ 26, 27 StGB) ist ebenfalls ausgeschlossen. Zum subjektiven Tatbestand siehe auch Rn. 49 ff.
g) Subjektiver Tatbestand
49
§ 299 StGB setzt Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale voraus. Fehlt es daran, scheidet mangels Fahrlässigkeitstatbestands eine Strafbarkeit aus.
50
Da § 299 StGB keine erhöhten Vorsatzanforderungen formuliert, genügt grundsätzlich Eventualvorsatz.[149] Wird allerdings ein Vorteil nur gefordert, so muss der Täter den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung nach ganz h.M. gezielt anstreben.[150] Es muss ihm also darauf ankommen, dass der Vorteilsgeber den Vorteil als Gegenleistung für eine Bevorzugung versteht und hierauf eingeht. Dies lässt sich vorsatzdogmatisch sinnvoll nur als Absicht im technischen Sinne (dolus directus ersten Grades) begreifen.[151] Zur irrigen Annahme einer Einwilligung des Unternehmens vgl. auch Rn. 48 sowie Rn. 58.
51
Soweit sich der Vorsatz auf normative Tatbestandsmerkmale (Lauterkeit und Pflichtverletzung) bezieht, muss der Täter die das Werturteil tragenden tatsächlichen Umstände kennen und sich der sozialen Bedeutung laienhaft bewusst sein.[152] Die Anforderungen an einen Vorsatzausschluss liegen dabei je nach Tatbestandsmerkmal unterschiedlich hoch. Bei unternehmensinternen Regelungen (Pflichten und Einwilligung) muss darauf geachtet werden, ob der Angestellte oder Beauftragte von ihnen überhaupt Kenntnis hatte. Irrt der Täter lediglich über die rechtliche Bewertung der in ihrem Sinngehalt zutreffend erkannten Tatsachen oder die Auslegung ihm bekannter Unternehmensregularien, so liegt ein Verbotsirrtum vor (§ 17 StGB; vgl. dazu Rn. 55).
h) Rechtfertigung
52
Eine mögliche Rechtfertigung richtet sich nach den allgemeinen Regeln mit der Maßgabe, dass eine Einwilligung des Unternehmens richtigerweise sowohl in der Wettbewerbs- als auch der Geschäftsherrenvariante tatbestandsausschließend wirkt (siehe Rn. 42 ff.). Eine Rechtfertigung wegen Notstands (§ 34 StGB), etwa bei wirtschaftlicher Existenzgefährdung oder drohendem Arbeitsplatzverlust, kommt praktisch nicht in Betracht,[153] weil eine Bestechungshandlung kaum je einmal erforderlich ist und es obendrein an ihrer Angemessenheit fehlt. Gleiches gilt für eine Tatbestandsverwirklichung als Reaktion auf die Drohung mit einem (existenzgefährdenden) Abbruch von Geschäftsbeziehungen; allenfalls kommt insoweit eine Entschuldigung wegen Nötigungsnotstands in Betracht.[154]
53
Die Üblichkeit bestimmter Korruptionspraktiken vor allem in ausländischen Märkten verbunden mit der Tatsache, dass ohne Vorteilsgewährungen keine Geschäftsbeziehungen aufgebaut oder aufrechterhalten werden können, führt ebenfalls nicht zu einer Rechtfertigung nach § 34 StGB.[155] Auch hier fehlt es jedenfalls an der Angemessenheit einer Vorteilsgewährung als Notstandshandlung. Als prozessuales Ventil kommt insoweit im Einzelfall ein Absehen von der Strafverfolgung aus Opportunitätsgründen in Betracht (§ 153c StPO).
i) Schuld
54
Die Voraussetzungen eines Schuldausschlusses dürften nur in Ausnahmefällen erfüllt sein. Eine Entschuldigung nach § 35 StGB scheidet aus, weil keines der dort genannten Rechtsgüter betroffen ist.[156] Zum (entschuldigenden) Nötigungsnotstand siehe bereits Rn. 52.
55
Im Einzelfall ist eine Entschuldigung wegen unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 S. 1 StGB) denkbar. In der Geschäftsherrenvariante dürften Rechtsirrtümer bezüglich unternehmensinterner Regelungen (Pflichten und Einwilligung) selten sein. Erstens sind unternehmensinterne Vorgaben regelmäßig detailliert formuliert und auf die jeweilige Geschäftstätigkeit konkretisiert, sodass Subsumtionsirrtümer СКАЧАТЬ