Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
isbn:
7
Die Strafbarkeit der Nehmerseite (Bestechlichkeit nach Abs. 1) ist als Sonderdelikt ausgestaltet; nur Angestellte und Beauftragte eines Unternehmens sind taugliche Täter. Die Strafbarkeit der Geberseite ist in der Geschäftsherrenvariante (Bestechung nach Abs. 2 Nr. 2) ein Allgemeindelikt. In der Wettbewerbsvariante (Bestechung nach Abs. 2 Nr. 1) wird zwar vom Wortlaut keine bestimmte Täterqualität gefordert. Jedoch können Täter nur solche Personen sein, die mit relevantem Bezug auf den Wettbewerb handeln können,[23] was die Einordnung als ein beschränktes Allgemeindelikt rechtfertigt.
8
Trotz unterschiedlicher Schutzrichtungen (siehe Rn. 9 ff.) entsprechen sich die in Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 geregelte Wettbewerbsvariante und die in Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 geregelte Geschäftsherrenvariante in ihrer Ausgestaltung. Sie setzen weitestgehend die Verwirklichung derselben Tatbestandsmerkmale voraus. Die beiden Varianten unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des Gegenstands der zu treffenden Unrechtsvereinbarung,[24] der sich einmal auf eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb, einmal auf eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen beziehen muss (siehe Rn. 32 ff., Rn. 37 ff.). Daneben hat jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm eine Einwilligung des Unternehmens nur in der Geschäftsherrenvariante strafbefreiende Wirkung (vgl. Rn. 42 ff.).
4. Schutzzwecke der Vorschrift
9
Die Schutzzweckzusammenhänge des § 299 StGB sind seit jeher umstritten und seit der Regelung eines sog. Geschäftsherrenmodells (siehe Rn. 3) endgültig unübersichtlich geworden.[25] Nach wohl überwiegender und zutreffender Ansicht liegt § 299 StGB in seiner aktuellen Fassung kein einheitlicher Schutzzweck zugrunde („Hybridtatbestand“). Vielmehr ist zwischen der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1) und der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2) zu unterscheiden. Bedeutsam sind diese mehrdimensionalen Schutzzweckzusammenhänge nicht nur für die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale, sondern auch für die Bestimmung der Verletzteneigenschaft bezüglich der Anwendbarkeit auf Auslandssachverhalte (§ 7 Abs. 1 StGB)[26] und des Strafantragsrechts (§ 301 Abs. 2 StGB) sowie für das zivile Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB).[27]
10
Schutzzweck der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1) ist das Allgemeininteresse an einem fairen Wettbewerb. Ein „idealtypischer Normalfall“ ist der angestellte Einkaufschef eines Unternehmens, der gegen Zuwendung eines Vorteils durch einen Anbieter diesen bei der Auftragsvergabe bevorzugt. Derartige unlautere Einflussnahmen, die geeignet sind, von sachfremden Motiven getragene Marktentscheidungen zu begünstigen, sollen verhindert werden.[28] Die Chancengleichheit und die Vermögensinteressen von Mitbewerbern sollen nach überwiegender Ansicht auf gleicher Ebene geschützt sein.[29] Ob daneben auch die Vermögensinteressen des Unternehmens als Geschäftsherrn als weiterer Schutzzweck erfasst sind, ist streitig, wird aber von einer wohl überwiegenden Ansicht ebenfalls bejaht.[30]
11
Ein Wettbewerbsbezug lässt sich in der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2) nur mittelbar herstellen. Dieser ergibt sich daraus, dass Tathandlungen im geschäftlichen Verkehr und im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen vorausgesetzt werden.[31] Primär wird durch die Geschäftsherrenvariante jedoch das Unternehmen vor Vermögenseinbußen geschützt, die ihm durch unlautere Geschäftspraktiken[32] und eine allgemein illoyale Geschäftsbesorgung seiner Angestellten und Beauftragten drohen.[33] § 299 StGB ist nach h.M. etwa dann erfüllt, wenn ein Angestellter absprachewidrig und gegen die Gewährung eines Vorteils dem Vertragspartner seines Unternehmens höherwertige Güter als vereinbart zuwendet. Mit dem Schutz wirtschaftlicher Individualinteressen des Unternehmens entwickelt § 299 StGB unübersehbar eine Verwandtschaftsbeziehung zur Untreue (§ 266 StGB), was einige dogmatische Verspannungen auslöst.[34] Denn durch die Geschäftsherrenvariante wird erstens der durch den Untreuetatbestand gewährte Strafrechtsschutz in das – nach § 266 StGB generell straflose – Vorfeld der Vermögensverletzung ausgeweitet; faktisch wird sogar die versuchte Anstiftung zur Untreue unter Strafe gestellt, nämlich dann, wenn einem Angestellten vergeblich ein Vorteil angeboten wird, damit dieser Pflichten gegenüber seinem Unternehmen verletze. Zweitens ist die Strafbarkeit nach § 299 StGB, anders als die nach § 266 StGB, nicht von der Verletzung einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht abhängig.[35] Teilweise wird vor diesem Hintergrund und angesichts des Regelungsorts im sechsundzwanzigsten Abschnitt („Straftaten gegen den Wettbewerb“) betont, auch die Geschäftsherrenvariante müsse (primär) dem Wettbewerbsschutz dienen; eine an diesem Schutzzweck orientierte Auslegung gebiete es, die Pflichtverletzung i.S.d. § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB eng und rein wettbewerbsbezogen zu verstehen.[36] Diese Ansicht mag zwar systematische Verspannungen zur Untreue lösen, allerdings legen weder der Wortlaut noch die Entstehungshintergründe der Vorschrift ein derartiges Verständnis nahe.[37] Auch eine Gesamtschau aus der tatbestandsausschließenden Einwilligung des Unternehmens als Geschäftsherrn (siehe dazu aber auch Rn. 47) und dessen alleiniger Strafantragsbefugnis (§ 302 Abs. 2 StGB) sprechen für einen Individualrechtschutz in der Geschäftsherrenvariante.[38]
5. Anwendbarkeit der Vorschrift bei Auslandsbezug
12
Tatbestandlich wird von der Wettbewerbsvariante des § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB der in- und ausländische Wettbewerb gleichermaßen geschützt. Der Anwendungsbereich ist nicht auf den europäischen Binnenmarkt beschränkt. Dieser Erstreckung des Tatbestandes auf den ausländischen Wettbewerb ist nach ganz h.M. aber kein Verzicht auf die Vorgaben des deutschen Strafanwendungsrechts zu entnehmen.[39] Es bedarf für die Geltung deutschen Strafrechts demnach auch in der Wettbewerbsvariante eines Anknüpfungspunktes i.S.d. §§ 3–7 StGB.[40] Letzteres gilt unstreitig ebenso für die Geschäftsherrenvariante. Zur Bestimmung der Wettbewerbswidrigkeit bzw. der Pflichtwidrigkeit bei Auslandsbezug siehe Rn. 36 und Rn. 41.
13
Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Die Vorschrift erklärt für inländische Gehilfen- und Anstiftungshandlungen das deutsche Strafrecht selbst dann für anwendbar, wenn die Haupttat nach ausländischem Recht nicht mit Strafe bedroht ist. Wegen Anstiftung oder Beihilfe (§§ 26, 27 StGB) können sich demnach beispielsweise Mitarbeiter deutscher Unternehmen strafbar machen, wenn sie einem einheimischen Agenten zur Akquise vor Ort Schmiergeld zur Verfügung stellen – und dies auch dann, wenn die eigentliche Angestelltenbestechung als Haupttat nach ausländischem Recht straflos ist.[41]
a) Täterkreis: Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens
14
Täter СКАЧАТЬ