Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
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1. Praktische Bedeutung und kriminologischer Hintergrund
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Die nach § 299 StGB strafbare Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr – auch als „Angestelltenbestechung“ oder „Wirtschaftskorruption“ bezeichnet[1] – weist Ähnlichkeiten mit den klassischen Delikten der Amtsträgerkorruption (§§ 331–334 StGB) auf. Wie bei der Amtsträgerkorruption geht es auch bei der Wirtschaftskorruption in ihrem Kern um einen „regelwidrigen Tausch von Vorteilen“.[2] Rechtstatsächlich ist die Wirtschaftskorruption im Vergleich zur Amtsträgerkorruption trotz einer öffentlich wahrgenommenen Zunahme von Fällen auch in größeren Unternehmen[3] von eher untergeordneter Bedeutung. Gemessen am Gesamtkorruptionsaufkommen beträgt der Anteil nach § 299 StGB strafbarer Delikte im Mittel der letzten Jahre deutlich unter 25 % (Bundeslagebild Korruption 2014-2018). Die Fallzahlen sind zudem rückläufig. Auch die Ausweitung der Strafbarkeit nach § 299 StGB durch das zweite KorrBekG 2015 (siehe Rn. 3) hat nicht zu einem erkennbaren Anstieg in den Fallzahlen geführt. Teilweise erhebliche Ausschläge (2015: 39% Anteil) sind Einmaleffekten (Umfangsverfahren) geschuldet.[4] In absoluten Zahlen wurden für 2018 im Bundeslagebild Korruption gerade einmal 535 und in der Polizeilichen Kriminalstatistik 182 Fälle verzeichnet.[5] Allerdings dürfte das Dunkelfeld, also diejenigen Verwirklichungen des Tatbestandes, die nicht zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangen, aufgrund der erschwerten Entdeckbarkeit der Wirtschaftskorruption stark ausgeprägt sein. Verlässliche Dunkelfeldstudien, die über das tatsächliche Kriminalitätsaufkommen im Bereich des § 299 StGB Aufschluss geben könnten, stehen für Deutschland nicht zur Verfügung.[6]
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Kommt ein Sachverhalt zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden, gelingt es diesen meist, einen Tatverdächtigen zu benennen; die Polizeiliche Kriminalstatistik weist eine Aufklärungsquote von über 90 %, häufig sogar von über 95 % aus.[7] Dies erklärt sich daraus, dass mit Bekanntwerden eines Korruptionssachverhalts die möglichen Tatbeteiligten in der Regel bereits feststehen. Trotz dieser günstigen Ausgangslage gibt es rechtstatsächliche Hinweise dafür, dass Staatsanwaltschaften Verfahren häufig mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO einstellen.[8] Dies wird unter anderem auf eine problematische Fassung des Tatbestands zurückgeführt (vgl. dazu Rn. 5 ff.).[9] Auch Verurteilungen sind selten. Die Strafverfolgungsstatistik verzeichnet für das Jahr 2018 nur 21 Verurteilungen nach §§ 299 f. StGB, davon sieben im besonders schweren Fall (§ 300 StGB).[10] Soweit angesichts der geringen Verurteilungszahlen Aussagen dazu überhaupt sinnvoll sind, lässt sich feststellen, dass Gerichte bei § 299 StGB vorwiegend Geldstrafen ausurteilen und zwar im Bereich von bis zu 90 Tagessätzen.[11] Bei Verurteilungen im besonders schweren Fall nach § 300 StGB überwiegen Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren. 2018 wurden die nach §§ 299, 300 StGB verhängten Freiheitsstrafen ausnahmslos zur Bewährung ausgesetzt.[12]
2. Entwicklung des Tatbestands; europäische und internationale Vorgaben
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§ 299 StGB wurde 1997 durch das (erste) KorrBekG[13] in das StGB aufgenommen. Zuvor war der Tatbestand weitgehend inhaltsgleich[14] in § 12 UWG a.F. geregelt. Die Herausnahme aus dem UWG sollte einerseits das Bewusstsein schärfen, dass auch Korruption im geschäftlichen Verkehr strafrechtlich relevantes Unrecht ist.[15] Gleichzeitig legte die Verschiebung ins Kernstrafrecht einen Grundstein für ein nicht länger ausschließlich wettbewerbsrechtliches Verständnis der Vorschrift. Die bestehende Wettbewerbsvariante der Vorschrift wurde schließlich 2015 durch das (zweite) KorrBekG um eine sog. Geschäftsherrenvariante in Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 ergänzt (siehe dazu Rn. 11).[16] Dies weitete die Strafbarkeit erheblich aus,[17] was bis heute auf heftige rechtspolitische Kritik stößt.[18] Auf die Fallzahlen hat sich die Tatbestandsergänzung bislang nicht erkennbar ausgewirkt (siehe Rn. 1).
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Durch § 299 StGB in seiner aktuellen Form werden europäische und internationale Vorgaben (größtenteils[19]) umgesetzt (vgl. dazu Einführung Rn. 12 ff.). Unionsrechtlich ist dies namentlich der EU-Rahmenbeschluss 2003/568/JI vom 22.7.2003 zur Bekämpfung der Korruption im privaten Sektor. Im internationalen Recht gibt es ähnliche Vorgaben: neben Art. 7 und Art. 8 des Strafrechtsübereinkommens des Europarats v. 27.1.1999 (ETS Nr. 173)[20] sollen die Vertragsstaaten auch nach Art. 21 UNCAC Maßnahmen in Erwägung ziehen, die Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor unter Strafe stellen.
3. Struktur der Vorschrift
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§ 299 StGB gleicht in seiner Tatbestandsstruktur der Amtsträgerkorruption und hier insbesondere der Bestechlichkeit und Bestechung (§§ 332, 334 StGB).[21] Sowohl die Geber- als auch die Nehmerseite machen sich strafbar und zwar gleichermaßen in der Wettbewerbs- und der Geschäftsherrenvariante (vgl. Rn. 10 f.).
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In keiner der Varianten des § 299 StGB gehört die Vornahme der mit dem in Aussicht gestellten Vorteil erstrebten Handlung oder Unterlassung zum Tatbestand.[22] § 299 StGB ist ein abstraktes СКАЧАТЬ