Wie lernt Kirche Partizipation. Группа авторов
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СКАЧАТЬ bzw. eines jeden Christen. Am Anfang von Change-Prozessen steht, mit Peter Senge gesprochen, die persönliche „Meisterschaft“ („Personal Mastery“).63 Konkret bedeutet „Personal Mastery“, dass „man an das Leben herangeht wie an ein schöpferisches Werk und daß man eine kreative im Gegensatz zu einer reaktiven Lebensauffassung vertritt“64. Dies manifestiert sich in zwei wesentlichen Verhaltensweisen:

      „Erstens klärt man immer wieder aufs neue, was einem wirklich wichtig ist. Häufig verwenden wir so viel Zeit auf die Bewältigung von Problemen, die entlang des Weges auftauchen, daß wir ganz vergessen, warum wir überhaupt auf diesem Weg sind. Das Ergebnis ist, daß wir nur eine sehr vage oder sogar falsche Vorstellung davon haben, was uns wirklich wichtig ist. Zweitens lernt man kontinuierlich, die gegenwärtige Realität deutlicher wahrzunehmen. Wir alle kennen Menschen, die sich in kontraproduktive Beziehungen verstricken und darin gefangen bleiben, weil sie weiterhin so tun, als wäre alles in Ordnung.“65

      „Personal Mastery“ heißt zu lernen, diese beiden Pole – „Vision“ und „gegenwärtige Realität“ – in einer kreativen Spannung zu halten, wobei gilt: „[…] Personal Mastery ist nichts, das man besitzt. Es ist ein Prozeß. Es ist eine lebenslange Disziplin.“66 Im Vordergrund der „persönlichen Meisterschaft“ stehen Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung. Veränderungsprozesse in Organisationen beginnen in nichts anderem als in und mit uns selbst. Denn, so schreibt Senge, „Organisationen lernen nur, wenn die einzelnen Menschen etwas lernen“67. Dementsprechend geht es darum, das Selbstvertrauen jedes Einzelnen in sich selbst zu stärken, Selbstorganisation zu fördern, sowie die Pluralität von Ideen und das Risiko unerwarteter Überraschungen zu begrüßen.

      Kreative Wandlungsprozesse setzen zweitens die Infragestellung von gewohnten Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen voraus. Freiwillig Engagierte müssen genauso wie hauptamtlich Tätige lernen, sich ihrer „mentalen Modelle“ zu vergewissern, genauer ihrer Denkschemata, „Bilder, Annahmen und Geschichten“, die darauf Einfluss nehmen, wie die Menschen sich selbst, ihre Mitmenschen, die Institutionen, die Welt wahrnehmen.68 Oftmals werden neue Ideen deshalb „nicht in die Praxis umgesetzt, weil sie tiefverwurzelten inneren Vorstellungen vom Wesen der Dinge widersprechen – Vorstellungen, die uns an vertraute Denk- und Handlungsweisen binden“69. Diese „inneren Landkarten“ gilt es – in der Konfrontation mit anderen Denk- und Sichtweisen – kritisch zu reflektieren, zu hinterfragen, freizulegen und möglicherweise zu verändern. Denn so, wie mentale Modelle das Lernen in Organisationen lähmen können, indem sie diese „in überholten Praktiken erstarren lassen“70, so können mentale Umkehrprozesse andersherum bewirken, dass der Lernprozess vorangebracht und der Handlungsspielraum über neue Praktiken erweitert wird.

      Drittens bedarf es einer Vision, die von allen geteilt wird („shared vision“). Visionen setzen Kräfte für Veränderungsprozesse frei, anstatt die Anstrengungen allein in das gewohnte „Tagesgeschäft“ zu (re-)investieren. Visionen lassen sich nicht „top down“ verordnen. Es gilt immer wieder den Austausch so (an-)zuleiten, dass die persönlichen Sehnsüchte und Zukunftsbilder aller ProzessteilnehmerInnen zur Sprache kommen. Ohne Partizipation gibt es keine echte Visionen: „Wenn eine echte Vision vorhanden ist (im Gegensatz zu den allseits bekannten ‚Visions-Erklärungen‘), wachsen die Menschen über sich selbst hinaus: Sie lernen aus eigenem Antrieb und nicht, weil man es ihnen aufträgt.“71 Was es neu einzuüben gilt, ist eine narrative Kultur, in der die großen und die kleinen Erfahrungen des Lebens und des Glaubens geteilt werden.

      Mit dem Dialog beginnt auch die vierte Disziplin, das Teamlernen, das von besonderer Bedeutung ist, „weil Teams, nicht einzelne Menschen, die elementare Lerneinheit in heutigen Organisationen bilden“72. Senge erklärt sie zu „‚Nagelprobe[n]‘ für die Praxis“73, denn: „Nur wenn Teams lernfähig sind, kann die Organisation lernen.“74 Team-Lernen kann beschrieben werden als der „Prozeß, durch den ein Team seine Fähigkeit, die angestrebten Ziele zu erreichen, kontinuierlich ausrichtet und erweitert“75. Ziel ist die Förderung der Fähigkeit als Team, auf synergetische Art und Weise zu denken, zu lernen und zu handeln. Es kommt darauf an, Pluralität genauso wie Meinungsverschiedenheiten als Potenzial zu entdecken. Dazu bedarf es des offenen und ehrlichen Dialogs („Konfliktfähigkeit“) genauso wie der Fähigkeit, eingeschliffene Handlungsmuster im Hinblick auf gemeinsame Ziele als produktiv oder unproduktiv zu entlarven.

      Die Förderung kreativer Wandlungsprozesse setzt fünftens ein systemisches Denken („systems thinking“) voraus. Gemeint ist die Fähigkeit, organisationale Vorgänge nicht einzeln und getrennt voneinander, sondern in ihrer Ganzheitlichkeit erfassen zu können.76 Dazu sind mehrere Prozesse notwendig: „Erkennen von Strukturen und Zusammenhängen, Denken in Möglichkeiten, Prozessdenken (‚was passiert, wenn‘), Denken in Szenarien (‚was wird aus uns in zehn Jahren‘) sowie vernetztes Denken (Zusammenhänge von alternativen Entscheidungen und ihren Konsequenzen).“77

      Mit den fünf Disziplinen bezeichnet Senge keineswegs „eine ‚erzwungene Ordnung‘“, sondern eine „grundlegende Theorie und Methodik“, die einen Prozess lebenslangen Lernens impliziert.78 Die Disziplinen unterscheiden sich von üblichen Managementdisziplinen darin, dass sie „‚persönliche‘ Disziplinen“ sind. „Eine Disziplin auszuüben ist etwas anderes, als ein ‚Modell‘ nachzuahmen“79, so Senge. Im Vordergrund steht der persönliche Lernprozess jeder und jedes Einzelnen, ein schöpferischer Prozess des Umkehrens („Metanoia“), der „den Kern unserer menschlichen Existenz“80 berührt.

      Vor diesem Hintergrund ist auf mindestens drei weitere Aspekte hinzuweisen, die in Bezug auf die Herausforderung des Lernens in der Organisation Kirche an Bedeutung gewinnen:

      Wer erstens ausgehend von der Selbstorganisation jeder/s Einzelnen Lernprozesse in der Pastoral ermöglicht, der geht das Wagnis ein, zuzulassen, dass unter Umständen Fehler gemacht werden. Umso wichtiger ist die Förderung einer wertschätzenden Fehlerkultur in der Kirche, in der begrüßt wird, dass Neues ausprobiert wird, selbst wenn es scheitern sollte. Anstatt den Freiraum von vornherein zu beschränken, bedarf es eines Klimas, in dem experimentiert werden darf, eine angstfreie Haltung der Neugier vorherrscht und aus Fehlern gelernt wird. Grundlage dafür ist vor allem eine Kultur des Vertrauens. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Aussage des jüngst emeritierten Aachener Bischofs Dr. Heinrich Mussinghoff (1995 bis 2015), der die pastoralen MitarbeiterInnen seines Bistums dazu ermutigte, etwas Neues zu gestalten, um dann hinzuzufügen: „Und ihr dürft Fehler machen. Der größte Fehler – und die eigentliche Todsünde – ist nichts zu tun. Wir brauchen kreative Menschen, die in die Zukunft sehen.“81

      Zudem sind innovative Prozesse zweitens stets von denen her zu gründen, denen sie zu dienen haben. Kirche ist nicht für sich selber da, sondern ist „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1). Als Prüfstein für die Notwendigkeit innovativer Entwicklungsprozesse kann die Frage gelten: Was würde den Menschen in der Stadt oder im Dorf fehlen, wenn es uns als Kirche hier nicht mehr geben würde? Oder positiv formuliert: Was haben die Menschen in der Stadt oder im Dorf davon, dass es uns hier als Kirche gibt? Worauf diese Fragen hinauslaufen, ist keine konsumorientierte Produktlogik im Sinne eines pastoralen Nutzenkalküls, sondern eine „Exposure“-Struktur, die erfordert, aus dem Eigenen herauszugehen und sich Fragen, Perspektiven, Lebensstilen, Gefühlen und Situationen von Menschen auszusetzen.82 Anders gesagt: Die Initiierung innovativer Prozesse in der Pastoral hat der Rekrutierung neuer Mitglieder genauso zu widerstehen wie der Dynamik angepasster Selbsterhaltung. Von Anfang an ist der Fokus der Wahrnehmung in der Perspektive des Evangeliums auf die Lebensfragen und -themen der Menschen zu richten, die mit uns leben, wohnen und arbeiten.

      Drittens wohnt schließlich jedem „schöpferischen Handeln […] ein Moment der Nicht-Handlung inne“83. СКАЧАТЬ