Название: Wie lernt Kirche Partizipation
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Angewandte Pastoralforschung
isbn: 9783429062972
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Erste Versuche in diese Richtung wurden im Rahmen des Projekts „Verantwortung teilen“ unternommen, das in Kooperation zwischen dem „Zentrum für angewandte Pastoralforschung“ (kurz: ZAP) der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und dem Bistum Aachen initiiert wurde. Das Projekt widmet sich einem neuralgischen Punkt gegenwärtiger Pastoral, nämlich der Frage nach der Partizipation durch freiwillig Engagierte in Gremien, Räten und Leitungsteams (sowie darüber hinaus), und zwar inmitten der pastoralen Herausforderungen, die sich gegenwärtig stellen. Damit bewegt sich das Projekt von Anfang an in einem Spannungsfeld zwischen vorgegebenen Strukturen einerseits und den Fragen innovativer Kirchenentwicklung andererseits. Die entscheidende Stellschraube inmitten dieses Spannungsfeldes wird über die Organisation von Bildungsprozessen gedreht. Als Lernende werden in diesem Zusammenhang jedoch keineswegs nur diejenigen verstanden, die im Bistum Aachen derzeit – in Gremien, Räten, Leitungsteams und darüber hinaus – freiwillig Verantwortung tragen, sondern ebenso diejenigen, die hauptamtlich tätig sind, bis hin zu denjenigen, die das Projekt initiiert haben.
Im Folgenden wird das Projekt aus der Forschungsperspektive der das Projekt primär begleitenden wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Zentrums für angewandte Pastoralforschung dokumentiert. Dazu werden im Anschluss an die Einführung die (2.) Kontexte sowie die (3.) Anlage des Projekts dargestellt. Von einer „partizipativen“ Kirchenentwicklung kann unterdessen nicht die Rede sein, ohne das Wort „Partizipation“ selbst näher zu beleuchten. Dies soll im nächsten (4.) Kapitel in begrifflicher, systemtheoretischer und theologischer Hinsicht erfolgen. Mit den beiden Aspekten „Team-“ und „Ermöglichungskultur“ werden dann (5.) die wesentlichen inhaltlichen Leitlinien des Projekts ausgeführt. Danach wird (6.) ein Einblick in das Bildungscurriculum gegeben und (7.) die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Projektverlauf dargestellt. Schließlich gilt es, (8.) die relevanten Perspektiven sowie die bleibenden Herausforderungen zu beschreiben, die aus dem Projektverlauf resultieren. Worauf es in Zukunft in Sachen „Partizipation“ ankommen könnte, wird in einem Schlusswort (9.) kurz aufgegriffen.
2. KONTEXTE
2.1 ENTSTEHUNG NEUER STRUKTUREN
Im Jahr 2013 werden im Bistum Aachen die erstmalig gewählten Räte der insgesamt 71 Gemeinschaften der Gemeinden (kurz: GdG-Räte) als neues Synodalgremium auf der Ebene der pastoralen Räume eingeführt. Dieses Gremium wird mit hoher pastoraler Kompetenz ausgestattet: Gemäß § 3 der Satzung für den Rat der Gemeinschaft der Gemeinden ist der GdG-Rat das „Planungs- und Entscheidungsorgan in allen grundlegenden Fragen der Pastoral, unbeschadet der Rechte der in den Pfarreien der Gemeinschaft der Gemeinden kanonisch ernannten Pfarrer“8. Gemeinsam mit dem Pastoralteam „bündelt und fördert“ der GdG-Rat „die Verantwortung für das pastorale Handeln in der Gemeinschaft der Gemeinden“ und zwar „im Dienst am ‚Leben in Fülle‘ (Joh 10,10) aller Menschen im pastoralen Raum“9. Der GdG-Rat wird zum Leitungsorgan in der Pastoral: Er „hat teil an der Leitung der Gemeinschaft der Gemeinden“10. Jeder GdG-Rat bildet einen Vorstand, in dem freiwillig Engagierte und hauptamtlich Tätige gemeinsam die Leitung der GdG wahrnehmen.11 Neben dem GdG-Rat können auch Pfarreiräte und/oder Gemeinderäte in der GdG eingerichtet werden.
Im Zuge dieses Strukturwandels werden insbesondere drei Herausforderungen deutlich: Erstens braucht die Erprobung der neuen, verbindlichen kooperativen Leitungsstruktur auf der Ebene des pastoralen Raumes (GdG) Unterstützung in Form von Begleitung, Bildung und kritischer Evaluation. Zweitens geht es mehr als um die Frage nach einer kooperativen Leitungsstruktur um die Frage nach ihrer Kultur: Wie kommen wir von der erlernten Versorgungs-Mentalität zur Selbstorganisation von Christinnen und Christen vor Ort? Wie fördern wir einen partizipativen Leitungsstil und eine wirksame Kultur der Teamarbeit? Wie kommen wir von den heillosen Dynamiken von Misstrauen und Kontrolle zu einer Kultur der Ehrlichkeit und des Vertrauens? Wie verwalten wir nicht nur das Gewohnte, sondern gründen auch Neues? Da Strukturveränderungen häufig eine tendenzielle Selbstreferentialität und Bewahrungskraft innerhalb von Organisationen erzeugen, gilt es drittens dazu zu ermutigen, im Denken und im Handeln immer wieder „herauszugehen“ und eine neue Haltung der Aufmerksamkeit einzuüben, die sensibel ist für die Lebensthemen der Menschen von heute. Sicherlich hat die Vergewisserung über Satzungsaussagen wie über Fragen von der Festlegung der Gottesdienstordnung bis hin zur Organisation der Gebäudenutzung in der GdG ihre Berechtigung. Wahr ist aber auch: Wer bei binnenkirchlichen Fragen stehen bleibt, der setzt die oben angedeutete Milieuverengung weiter fort. Die eigentliche Herausforderung besteht – mit Ottmar Fuchs gesprochen – darin, einen „Ortswechsel“ zu vollziehen, „der von den Erfahrungen der anderen her das eigene Verhalten und Nachdenken prägt. Denn es geht um das Hinschauen, es geht um eine bestimmte Reaktion auf das Gesehene, nämlich darum, dass alles Menschliche ‚im Herzen (der Gläubigen) seinen Widerhall‘ findet (GS 1).“12 Daraus folgt für alle Christinnen und Christen, buchstäblich heraus-gefordert zu sein. Es geht darum, sich selbst auszusetzen, sich verletzbar zu machen, hinzuhören, aufmerksam, sensibel und resonanzfähig zu werden für die „Zeichen der Zeit“ (GS 4).13 Erforderlich dazu ist ein Perspektivenwechsel vom Eigenen zum Anderen einerseits und die Entschiedenheit, Veränderungen nicht nur als wünschenswert und notwendig zu befürworten, sondern auch bei sich selbst zuzulassen, andererseits. Eine solche Umkehr braucht Zeit und ist mit vielfältigen, nicht zuletzt auch schmerzvollen Prozessen des Verlernens, Umlernens und Neulernens verbunden.
2.2 ALTERNATIVE LEITUNGSFORMEN IM BISTUM AACHEN
Der Anlass des Projekts „Verantwortung teilen“ ist mit der Neustrukturierung der pastoralen Räume sowie der Einsetzung der GdG-Räte und ihren Vorständen gegeben. Die Lektüre der Satzungsaussagen lässt unschwer die Herausforderung erkennen, die dem Projekt mit diesem Entstehungskontext von Anfang an gestellt ist: Es gilt, die mit den Satzungsaussagen intendierte Kraft der Synodalität inmitten einer nun zwar größeren und durchaus Freiraum schaffenden, aber dennoch überkomplex gewordenen (Verwaltungs-)Struktur mit den sie tragenden Rollen, Sprach-, und Handlungsmustern freizulegen. Die Aufgabe besteht darin, über den Anlass („Priestermangel“) hinaus, den tieferen Grund von Partizipation zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen.
Darüber hinaus lässt sich ein zweiter Entstehungskontext, in den sich das Projekt einbettet, beschreiben: Im Bistum Aachen nehmen freiwillig Engagierte in den seit 1993 im (Not-)Fall des Priestermangels eingerichteten Leitungsteams nach c. 517 § 2 CIC/1983 gemeinschaftlich die Leitung einer Pfarrei wahr. Diese Form wird derzeit in vier Pfarreien umgesetzt. Daneben wird im Bistum Aachen seit 1998 das Modell „Gemeindeleitung in Gemeinschaft“ praktiziert, in dem freiwillig Engagierte, anders als nach c. 517 § 2 CIC/1983, auch im Fall, dass kein Priestermangel vorherrscht, also die Pfarrei nicht vakant ist, gemeinschaftlich die Leitung einer Pfarrei wahrnehmen.14 Diese Form wird СКАЧАТЬ