Название: Rückkehr zu Gott
Автор: Jörg Gabriel
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Studien zur systematischen und spirituellen Theologie
isbn: 9783429060831
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Die Seele bleibt, da sie auch weiterhin nach Irdischem strebt und nicht die himmlischen Dinge sucht, „verkrümmt“101. Die Beziehung zu ihrem göttlichen Ursprung ist gestört. Dennoch verliert sie nicht ihre Fähigkeit, „aufnahmefähig für die Ewigkeit“102 zu sein: „Und diese Fähigkeit wird sie niemals verlieren, selbst wenn sie diese tatsächlich nie entwickelt.“103
Gott hat dieses „Abzeichen des göttlichen Adels“104 im Menschen geschaffen, die Ähnlichkeit der Seele mit dem Wort, damit die Seele niemals von Gott ganz getrennt werde, und sie „in sich selbst vom Wort her eine mahnende Stimme habe, treu beim Wort zu verbleiben oder zu ihm zurückzukehren“105, wenn sie sich von ihm wegbewegt habe.
„Die Seele beachte also, dass ihr aus dieser angeborenen göttlichen Ähnlichkeit jene natürliche Einfachheit ihres Wesens innewohnt, durch die ihr Sein und Leben dasselbe sind, wenn nicht auch dasselbe, wie gut oder selig zu leben, so dass nur Ähnlichkeit besteht, nicht Gleichheit. Eine nahe Stufe zwar, aber dennoch eine Stufe. Denn es bedeutet nicht die gleiche Auszeichnung und denselben Rang, ein Sein zu besitzen, das Leben ist, und ebenfalls dieses Sein zu besitzen, das aber seliges Leben ist. Wenn also letzteres wegen der Erhabenheit zum Wort gehört, das andere aber wegen der Ähnlichkeit zur Seele, dann ist offenbar die Verwandtschaft der Naturen, unbeschadet freilich der Überlegenheit des Wortes, und offenbar der Vorrang der Seele. Um das Gesagte verständlicher zu machen: nur für Gott allein bedeutet Sein soviel wie Seligsein: das aber ist das erste und reinste Einfache. Ein zweites aber ist diesem ähnlich (Mt. 22,39): nämlich dasselbe als Sein zu besitzen, was Leben ist. Das aber ist der Seele eigen.“106
Daraus schließt Bernhard:
„Von hier aus kann man, wenn auch auf einer niedrigeren Stufe, aufsteigen, und zwar nicht nur um gut, sondern um selig zu leben. Das bedeutet aber auch dann für den, der dorthin gelangt, noch nicht, dass für ihn Sein und Seligsein dasselbe ist.“107
Bernhard betont ausdrücklich:
„Wieviel er sich wegen der Ähnlichkeit rühmen mag, trotzdem muss er wegen des Unterschieds immer Grund haben, dass alle seine Gebeine sprechen: ‚Herr, wer ist dir ähnlich?‘ “108
Die Unähnlichkeit der menschlichen Seele mit Gott, die durch die Ursünde des ersten Menschenpaares verursacht worden ist109, jedoch „keine Zerstörung der Natur, sondern eine Beschädigung“110 hervorgerufen hat, kann auf einer niedrigen Stufe überwunden werden:
„Wodurch? In der Liebe. Paulus sagt: ‚Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus euch geliebt hat.‘ “111
Die Seele des Menschen soll mit der Liebe des Wortes gleichförmig werden. Die Ähnlichkeit mit dem Wort, die der Seele in die Natur gelegt worden ist, soll durch Ähnlichkeit bzw. Gleichförmigkeit („conformitas“) im Willen vollkommener werden, indem die Seele liebt, „wie sie geliebt ist“112:
„Diese Gleichförmigkeit vermählt die Seele mit dem Wort. ... Wenn sie also vollkommen liebt, hat sie sich vermählt. ... Es ist eine Umarmung. Ja eine Umarmung, wo dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen aus zweien einen Geist macht.“113
Bei der Erwiderung der göttlichen Liebe des Wortes spielt für Bernhard der freie Wille des Menschen eine entscheidende Rolle: Der freie Wille ist nämlich der Teil der Seele, in dem die Ähnlichkeit mit dem Urbild Gottes aufscheint. Der freie Wille ist das Geschenk Gottes an die Seele114:
„Durch den freien Willen nämlich hat die Seele in sich Erkenntnis der Unterscheidung und die Möglichkeit der Wahl zwischen Gut und Böse, zwischen Tod und Leben, zwischen Licht und Finsternis und anderen im Bereich des Sittlichen auftauchenden Gegensätzen im Gehaben des menschlichen Geistes. Zwischen all dem urteilt und scheidet ein unbestechlicher Schiedsrichter, dieses Auge der Seele, ebenso sachlich im Unterscheiden als frei in der Wahl. Daher sagt man ja auch ‚freies Wahlvermögen‘, weil es der Seele freisteht, sich hier nach dem Wahlvermögen des Willens zu bewegen. Von daher ist der Mensch fähig, verdienstlich zu handeln: alles nämlich, was du Gutes oder Böses tust, obgleich es dir freistand, es nicht zu tun, wird dir zurecht angerechnet. Und unverdientermaßen wird nicht nur der gelobt, der das Böse tun konnte, es aber tat. Ebenso wird zurecht wegen Missverdienst getadelt, wer das Böse unterlassen konnte und es trotzdem tat, als auch wer das Gute tun konnte und es nicht tat. Wo aber keine Freiheit ist, da ist auch kein Verdienst.“115
Deshalb können die Lebewesen, denen der freie Wille fehlt bzw., wie Bernhard einschiebt, die „der Vernunft entbehren“116, weder Verdienste haben noch wegen irgendwelcher sittlicher Verfehlungen gerichtet werden, da sie von ihren Trieben geleitet werden: „Allein der Mensch ist von Natur aus nicht diesem Zwang ausgeliefert, und daher ist er allein unter den atmenden Wesen frei.“117
Wenn der Wille des Menschen eins wird mit der göttlichen Liebe, die dem Menschen durch das Wort geschenkt wird, wenn die Seele des Menschen mit der gleichen Liebe liebt, mit der sie geliebt wird, dann vermählt sich die Seele mit dem Wort Gottes, Christus.
„Dazu kommt, dass dieser Bräutigam nicht nur ein Liebhaber ist, sondern die Liebe selbst. ... Aber ich habe gelesen: ‚Gott ist die Liebe‘ (1 Joh 4,16).“118
Diese Vermählung mit Christus ist eine Vereinigung im Geiste. Der Bräutigam ist nicht Christus in seiner irdischen Gestalt, die Einheit entspricht keiner Gleichförmigkeit in Leiden und Tod119, sondern es ist
„die heilige und keusche Liebe, die zarte und süße Liebe, die ebenso heitere wie lautere Liebe, die gegenseitige, innige starke Liebe, die nicht in einem Fleisch, sondern in einem Geist die beiden verbindet, die bewirkt, dass die zwei fortan nicht mehr zwei, sondern eins sind (Mt. 19,5), gemäß dem Wort des Paulus: ´Wer Gott anhängt, ist ein Geist mit ihm.´(1 Kor 6,17).“120
Es ist der nach Leiden und Tod auferstandene und beim Vater erhöhte Christus, die Göttlichkeit des Sohnes, die sich jedoch den Sinnenkräften des Menschen entzogen hat, mit dem sich die Braut, die menschliche Seele, vereinigt:
„Du siehst, wie sie in der Höhe steht und das Äußerste ihres Geistes nach oben erhebt, da sie den Herrn des Alls mit einem gewissen Besitzeranspruch als Geliebten bezeichnet. Beachte nämlich, dass sie nicht nur ‚Geliebter‘, sondern ‚mein Geliebter‘ sagt, um ihn als ihr eigen zu bezeichnen. Groß ist doch diese Schau („visio“), durch die sie den Herrn des Alls nicht mehr als Herrn kennt, sondern als Geliebten. Ich glaube nämlich, dass ihr dieses Mal keineswegs Bilder des Fleisches, des Kreuzes oder andere, die den körperlichen Begrenztheiten entsprechen, durch die Sinne vermittelt wurden. Bei diesen hatte er nämlich nach dem Propheten ‚keine schöne und edle Gestalt‘ (Jes 53,2). Sie aber preist ihn bei seinem Anblick als schön und edel und beweist damit, dass er sich ihr in einer besseren Gestalt gezeigt hat. ... So beschreibt sie ihn nämlich mit ihrem Mund, wie sie ihn auch in ihrem Geist erblickt, eben in einer erhabenen und beglückenden Erscheinung. Den König mit seiner ganzen Schönheit sahen ihre Augen, doch nicht als König, sondern als Geliebten. So sah ihn freilich einer auf einem hohen und erhabenen Thron (Jes 6,1), und ein anderer bezeugt, er sei ihm sogar von Angesicht СКАЧАТЬ