Rückkehr zu Gott. Jörg Gabriel
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СКАЧАТЬ zur Zeit Gregors von einer direkten Förderung der Laienfrömmigkeit nicht die Rede sein. Im Zusammenhang mit einer „vita apostolica“ oder mit einem vertieften geistlichen Leben kam der einfache Gläubige, der Laie, überhaupt nicht vor: Man verstand darunter eine „vita communis“, wie sie in den Klöstern gelebt wurde29, und für Papst Gregor war das Wort „apostolisch“ gleichbedeutend mit „päpstlich“.30 Auch wenn die gregorianische Reform zu den bedeutsamen Umbrüchen beitrug31, so vollzog sich diese Reform „unter dem Banner der Rückkehr zur alten Ordnung, nicht unter dem des Aufbruchs“32.

      Doch die von der Reform geweckten Geister meldeten sich zu Wort und ließen sich nicht mehr zum Schweigen bringen. Sie richteten sich schließlich gegen die von Gregor reformierte Hierarchie, die sie kritisch zu hinterfragen begannen, zum Beispiel

      „ob die kirchliche Ordinierung des Priesters die einzige und ausreichende Berechtigung zur Vollziehung des christlichen Heilswerkes sei; ob nur die Kirche berufen und dazu eingesetzt sei, allein durch die von ihr bestellten Vertreter den göttlichen Heilsplan, den die Evangelien und die Apostel verkündet hatten, zu verwirklichen; ob nicht jeder einzelne Christ durch die Gebote der Evangelien und das Beispiel der Apostel aufgerufen sei, sein Leben unmittelbar nach den evangelischen und apostolischen Normen auszurichten; und ob andererseits derjenige ein echter Priester sei, der zwar von der Kirche dazu ordiniert ist, aber nicht lebt, wie das Evangelium es verlangt und wie die Apostel lebten. Aus solchen Fragen und Zweifeln erwuchs eine religiöse Gesinnung, die das Wesen des Christentums nicht mehr in der Kirche als Heilsordnung und in der Kirchenlehre als Dogma und Tradition erfüllt und verwirklicht sah, sondern nach einer Verwirklichung des Christentums als einer religiösen Lebensform suchte, die für jeden einzelnen echten Christen unmittelbar verbindlich und für sein Seelenheil wesentlicher sei als seine Stellung im hierarchischen Ordo der Kirche oder sein Glauben an die Lehren der Kirchenväter und Theologen.“33

      Die kirchliche Heilsordnung sowie das theologische Lehrgebäude sollten sich von den Anweisungen des Evangeliums und dem Vorbild der Apostel her legitimieren, d.h. irdische Güter zu lassen und wie die Apostel in der Nachfolge Christi das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden. Diese Gedanken waren revolutionär, denn im religiösen und kirchlichen Leben hatten sie im Abendland bisher keine große Rolle gespielt34:

      „Diese beiden Gedanken, die Forderung der christlichen, evangelischen Armut und des apostolischen Lebens und Wirkens, sind zu Brennpunkten einer neuen Auffassung vom Wesen des Christentums geworden, von der aus einerseits die bisher bestehende kirchliche Ordnung und Lehre der Kritik unterzogen und andrerseits ein neues Richtmaß für eine wahrhaft christliche Lebensgestaltung gesucht wird.“35

      An der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert trat nun das Ideal von der freiwilligen christlichen Armut und von der apostolischen Nachfolge gleichzeitig in sehr unterschiedlichen Kreisen hervor und bestimmte die Entwicklung der religiösen Bewegungen: in den meist antikirchlichen, von der Kirche deshalb als ketzerisch verurteilten Bewegungen, und in kirchlich gesinnten Wanderpredigern36, denen sich zahlreiche Frauen und Männer anschlossen. Aus diesen Gruppen der Wanderprediger gingen sodann neue Orden und Klöster hervor.37

      1 Für unsere Ausführungen besonders wichtig: Grundmann 1976, Bd. 1; Ders. 1977; Bünz u.a. 2007; Angenendt 2005, vor allem 44 – 68; Dinzelbacher 1988; 2003a; 2003b; Borst 1988; Ders. 2004. Wir werden in diesem ersten Teil meistens aus Grundmann 1977 zitieren. Die Ausgabe von 1977 ist ein photomechanischer Nachdruck der Erstausgabe von 1935, dem 1961 sowie 1977 Anhänge mit neueren Erkenntnissen zugefügt wurden. Außerdem fällt auf, dass selbst neuere, in dieser Arbeit aufgeführte kirchengeschichtliche Publikationen immer wieder auf Grundmann verweisen. Meines Erachtens gibt es bis heute kein Werk, das sich so ausführlich und in einem Zusammenhang mit den religiösen Bewegungen des Mittelalters auseinandersetzt und dabei auf eine so große Menge von zeitgenössischen Quellen zurückgreift. In einzelnen Themen, wie z.B. bei der Darstellung der Beginen und der Freien Geister, müssen jedoch neue Forschungserkenntisse berücksichtigt werden. Eine neuere Publikation über die religiösen Bewegungen, Bünz 2007, behandelt, da sie als Festschrift konzipiert ist, einzelne Themen.

      2 Dazu: Wollasch 2007; Angenendt 2005, 55f.; Kempf 1999, 365-375. 401-461; Hauschild I 1995, 298 – 304. 425 – 433; Morrison 1993, 195 – 210.

      3 Grundmann 1977, 13.

      4 Zu Cluny: Siehe Wollasch 2007.

      5 Vgl. Angenendt 2005, 55f.; Kempf 1999, 368-371. Von Gorze ging, seit 933, ausschließlich eine geistliche Erneuerung aus. Gorze blieb, im Gegensatz zu Cluny ein Eigenkloster und stellte das Eigenklosterwesen auch nicht in Frage. Allerdings hatte es Gorze im deutschen Sprachraum mit einem erträglicheren Eigenkirchenwesen zu tun als Cluny in Frankreich; dort waren es zum Teil die Adligen und Fürsten selbst, die ein Reformkloster förderten bzw. gründeten.

      6 Zum Folgenden: Vgl. Kempf 1999, 371-375; Leclercq 1993, 149ff.; Wollasch 2007.

      7 Vgl. Angenendt 2005, 333f.

      8 Wollasch 2007, 37-42; Quellen: Odonis abbatis Cluniacensis vita s. Geraldi, in: Bibliotheca Cluniacensis, hg. Von M. Marrier – A. Duchesne, Paris 1614, Neudruck Mâcon 1915.

      9 Vgl. Kempf 1999, 404 – 411.

      10 Morrison 1993, 195. Vgl. Borst 2007, 177. 212.

      11 Morrison 1993, 195.

      12 Vgl. Kempf 1999, 392.

      13 Vgl. Angenendt 2005, 45f.

      14 Vgl. Angenendt 2005, 46. 457, mit weiteren Verweisen); Kempf 1999, 390f.

      15 Grundmann 1977, 13.

      16 Grundmann 1977, 13.

      17 Vgl. Angenendt 2005, 457ff.; Grundmann 1977, 13.

      18 Gregor VII., Epistulae 139; zit. n. Grundmann 1977, 13. Vgl. Angenendt 2005, 458.

      19 Kempf 1999, 423.

      20 Vgl. Angenendt 2005, 324f.; Kempf 1999, 424.

      21 Vgl. Kempf 1999, 424.

      22 Kempf 1999, 424. - Aus diesem Denken resultieren zahlreiche Konflikte zwischen Kaiser und Papst, zunächst zwischen Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. selbst, der zum berühmten Gang des Kaisers nach Canossa führte (1077), nachdem der Papst diesen exkommuniziert hatte. Zur Zeit Taulers führte der Konflikt zwischen Papsttum und Kaiser Ludwig der Bayer dazu, dass Tauler Straßburg verlassen und einige Jahre im Baseler Exil verbringen musste, da die Stadtregierung Straßburgs auf der Seite des exkommunizierten Kaisers stand.

      23 Vgl. Angenendt 2005, 54

      24 Vgl. McGinn 1996, 237

      25 Grundmann 1977, 508. Vgl. Angenendt 2005, 54f.

      26 Vgl. Borst 2007, 212; Angenendt 2005, 458. 460

      27 Vgl. Borst 2007, 25

      28 McGinn 1996, 237. Vgl. Erdmann 1965.

      29 Vgl. Angenendt 2005, 55.

      30 Vgl. Grundmann 1977, 505.

      31 McGinn 1996, 233.

      32 СКАЧАТЬ